Der Stahlkonzern ThyssenKrupp zahlt für das jahrelange Schienenkartell laut einem Zeitungsbericht mehr als 150 Millionen Euro Schadensersatz an die Deutsche Bahn. Darauf hätten sich der Industriekonzern und das Staatsunternehmen jetzt verständigt, berichtet die Süddeutsche Zeitung ohne Quellen zu nennen.
ThyssenKrupp und andere Stahlbetriebe sollen die Bahn und andere Abnehmer von Gleisen und Weichen mit abgesprochenen, überhöhten Preisen geprellt haben. Ein anderes Kartellmitglied, die österreichische Voestalpine, hat bereits rund 50 Millionen Euro an die Bahn gezahlt.
Eingebunden in den Vergleich von Bahn und ThyssenKrupp seien die Bundesregierung und die Länder, die das Schienennetz weitgehend finanzieren und zu deren Lasten die überhöhten Preise größtenteils gegangen waren. Das Blatt zitiert Regierungskreise in Berlin, wonach vereinbart worden sei, dass die Schadensersatzsumme nicht im Staatshaushalt verschwinde, sondern in Schienenprojekte investiert werde.
Mit dem Vergleich sei eine vor einem Jahr von der Bahn eingereichte Schadensersatzklage teilweise hinfällig. Die Bahn hatte, inklusive Zinsen, von mehreren Stahlunternehmen insgesamt 850 Millionen Euro für das vergangene Jahrzehnt eintreiben wollen, in dem die Taten noch nicht verjährt waren. Auf ThyssenKrupp wären 400 bis 500 Millionen Euro entfallen, da der Essener Konzern mehr als die Hälfte der überteuerten Schienen geliefert haben soll.
Mit der Schadensersatzzahlung von mehr als 150 Millionen Euro könne ThyssenKrupp halbwegs leben, schreibt das Blatt. Der Konzern habe mit einer Rückstellung vorgesorgt. Einen Teil des Geldes könne er sich womöglich bei der für das Management abgeschlossenen Haftpflichtversicherung zurückholen. Die Police belaufe sich auf 130 Millionen Euro.
Nun stünden beim Schienenkartell noch Schadensersatzzahlungen an kommunale Verkehrsbetriebe aus ganz Deutschland aus. Der Betrag hierfür dürfte niedriger liegen als bei der Bahn. Inklusive Bußgeldzahlungen dürfte ThyssenKrupp das Schienenkartell gut 400 Millionen Euro kosten, abzüglich eventueller Versicherungsleistungen.
Das Unternehmen, das am Donnerstag die Zahlen für das Geschäftsjahr 2012/13 vorlegen wird, wollte sich zu den Informationen nicht äußern.
Theorie wird von Realität eingeholt
Glaubt man den Ausführungen des Geschäftsberichts von Thyssen Krupp sowie den Darstellungen zur Corporate Governance – also den definierten Grundsätzen einer guten Unternehmensführung – so hätte es den Compliance-Verstoß eigentlich nicht geben dürfen. Aber Papier ist bekanntlich geduldig. So definiert Thyssen Krupp Compliance als Maßnahmen zur Einhaltung von Recht, Gesetz und unternehmensinternen Richtlinien sowie deren Beachtung durch die Konzernunternehmen. Sie soll bei Thyssen Krupp eine wesentliche Leitungs- und Überwachungsaufgabe sein. Bereits unmittelbar nach der Fusion der Vorgängerkonzerne Thyssen und Krupp im Jahr 1999 wurde ein Compliance-Programm mit einem Schwerpunkt auf die Bereiche Kartellrecht und Korruptionsbekämpfung eingeführt. Kartellverstöße oder Verstöße gegen die Vorschriften zur Korruptionsbekämpfung werden in keiner Weise geduldet und führen zu Sanktionen gegen die betroffenen Mitarbeiter, so die Theorie im Corporate Governance Bericht. Verantwortung und persönliche Integrität sollen als Leitbild und Maßstab des Handelns gelten.
Soweit die Theorie, die im Mai 2011 von der Realität eingeholt wurde, als das Bundeskartellamt und die Staatsanwaltschaft Bochum Ermittlungen gegen Unternehmen der Gleistechnikbranche, darunter auch ThyssenKrupp, aufgenommen hatten.
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