Laut einer Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC und der Universität Halle-Wittenberg erlitten in den Jahren 2009 bis 2011 drei von vier deutsche Finanzdienstleister Schäden durch Wirtschaftskriminalität. Damit sei der Anteil der betroffenen Unternehmen im Vergleich zum Zeitraum 2007/2008 um annähernd zehn Prozentpunkte gestiegen. Der Finanzsektor weise somit eine weit überdurchschnittliche Kriminalitätsbelastung aus: Branchenübergreifend waren von 2009 bis 2011 nur durchschnittlich nur 52 Prozent der Unternehmen in den vergangenen zwei Jahren mindestens einmal Opfer einer wirtschaftskriminellen Handlung. Wird neben den eindeutigen Straftaten auch das so genannte Dunkelfeld der konkreten Verdachtsfälle berücksichtigt, steigt der Anteil der Geschädigten in der Finanzdienstleistungsbranche sogar auf 86 Prozent. Ein signifikanter Anstieg war vor allem bei der Geldwäsche (von 37 Prozent auf 43 Prozent) und der Falschbilanzierung (von 10 Prozent auf 18 Prozent) festzustellen.
Höhere Aufdeckung von Straftaten durch Kontrollparadoxon
Die Zunahme der Geldwäschedelikte dürfte laut der Studie in erster Linie auf das so genannte "Kontrollparadox" zurückzuführen sein: Wegen der verschärften regulatorischen und gesetzlichen Anforderungen hätten die Finanzdienstleister verdächtige Geldbewegungen intensiver untersucht und entsprechend mehr Straftaten aufgedeckt als in der Vergangenheit. Parallel zur Anzahl der Delikte steigen auch die Schadenssummen: Bezifferten die Banken und Finanzdienstleister ihre Schadensbelastung im Jahr 2007 auf durchschnittlich knapp 2,4 Mio. Euro, waren es 2011 über 5,5 Mio. Euro.
Besonders hohe direkte Kosten seien mit Vermögensdelikten verbunden. Banken, die von Unterschlagung, Betrug oder ähnlichen Straftaten betroffen waren, berichten über eine Schadenshöhe je Vermögensdelikt von mehr als 6,8 Mio. Euro. Zu den direkten Schäden durch Wirtschaftsstraftaten müssen allerdings noch die nur schwer messbaren indirekten Folgekosten addiert werden. Die Managementkosten für Geldwäschedelikte beziffern die betroffenen Institute im Durchschnitt auf knapp 100.000 Euro, für Vermögensdelikte wendeten die Befragten rund 160.000 Euro und für Fälle von Falschbilanzierung sogar durchschnittlich fast 490.000 Euro auf. Jenseits der materiellen Belastungen müssten sich die Finanzdienstleister auch mit immateriellen Folgeschäden der Wirtschaftskriminalität auseinandersetzen. So berichten fast 40 Prozent der Unternehmen über einen signifikanten Imageverlust, gut jedes dritte Institut sieht die Beziehungen zu Geschäftspartnern in Folge der bekannt gewordenen Delikte beeinträchtigt und knapp 30 Prozent auch das Verhältnis zu den Behörden. Obwohl der Finanzsektor einem strengen Regelwerk und einem komplexen internen und externen Aufsichtssystem unterliegt, wurden fast drei Viertel der gravierendsten Delikte der vergangenen zwei Jahre eher zufällig entdeckt. Diese Quote entspreche in etwa dem Durchschnitt aller Branchen.
Für die sechste Studie zur Wirtschaftskriminalität wurden im Sommer 2011 deutschlandweit 830 Unternehmen befragt, darunter 79 aus dem Finanzsektor (ohne Versicherungen). Die Studie "Wirtschaftskriminalität – Banken und andere Finanzdienstleister" kann unter folgendem Link kostenlos bezogen werden: www.pwc.de/banken/wikri2012.
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