Im Zeichen der Corona-Krise hat der Gesetzgeber auf kurzem Weg einiges unternommen, um Schuldner zu schützen. Insolvenzanträge sind ausgesetzt bis zum Herbst und bei Dauerschuldverhältnissen bestehen Rechte zur Leistungsverweigerung oder -einschränkung. Bei diesem umfangreichen Katalog droht der Aufmerksamkeit zu entgehen, was nicht krisenbedingt an weitgehender Erleichterung für den Schuldner beschlossen wurde, so die Wirtschaftsauskunftei und der Inkassodienstleister Creditreform.
Erst im Februar 2020 hat die Bundesministerin der Justiz einen Referentenentwurf vorgestellt, der die Wohlverhaltensperiode für Überschuldete bis zur Restschuldbefreiung halbiert. Bisher dauerte es sechs Jahre, bis die Betroffenen von allen Schulden befreit wurden, nun sind es nur noch drei Jahre, die das private Insolvenzverfahren vorsieht. Auf die Erfüllung besonderer Voraussetzungen wie die Deckung der Verfahrenskosten oder die Erfüllung von Mindestbefriedigungsanforderungen wird verzichtet. So war ja bisher eine schnellere Erlangung der Restschuldbefreiung möglich, wenn die Gläubiger eine höhere Befriedigung von mindestens 35 Prozent der Forderungshöhe erwarten durften. Und es bleibt schließlich bei den Mitwirkungspflichten des Schuldners. Das bedeutet nicht nur, dass er umfangreichen Offenlegungsverpflichtungen nachkommen muss, sondern vor allem, dass er sich um eine Erwerbstätigkeit zumindest zu bemühen hat.
Immer neue Verfahren
Mit der Umsetzung dieses Entwurfs werden sich zwei Probleme stellen, die der Gesetzgeber allerdings im Blick hat. Zum einen könnte es zu einem Verfahrensstau kommen, weil viele Schuldner abwarten würden mit ihrem Insolvenzantrag bis sie in den Genuss der Verfahrensverkürzung kämen, zum anderen könnte die Erleichterung dazu führen, dass Schuldner diese immer wieder hintereinander von neuem wahrnehmen könnten. Was bedeutet das im Einzelnen?
Die Halbierung der regulären Dauer des Restschuldbefreiungsverfahrens von derzeit sechs auf künftig drei Jahre wird stufenweise erfolgen. Hierdurch soll vermieden werden, dass Überschuldete dazu übergehen, die Einleitung des Verfahrens zu verzögern, um sich mit Inkrafttreten der künftigen Regelungen in den Genuss einer wesentlich kürzeren, nämlich nur halb so langen Verfahrensdauer bringen zu können und auf diese Weise zu einer schnelleren Restschuldbefreiung zu kommen. Das BMJV schreibt dazu: "Aufschübe dieser Art würden, wenn sie systematisch erfolgten, einen Verfahrensstau verursachen, der sich zum Inkrafttreten des künftigen Rechts in einer Verfahrensschwemme entladen und damit zu außergewöhnlichen Schwankungen bei der Auslastung der Gerichte, Schuldnerberatungsstellen und Verwalterbüros führen würde."
Im Hinblick darauf, dass die verkürzte Dauer einen starken Anreiz für chronisch Überschuldete bietet, sich immer wieder neu zu verschulden und entsprechend über das Verfahren von diesen Schulden zu befreien, wurde beschlossen, dass die Betroffenen erst nach 13 Jahren – bisher waren es zehn Jahre – eine erneute Restschuldbefreiung anstreben können.
Information für Gläubiger beschnitten
Die stufenweise Einführung des neuen Gesetzes soll nach Ansicht des Ministeriums auch die zweifellos erkannten Beeinträchtigungen der Gläubiger zumindest "abfedern". Justizministerin Lambrecht sagte dazu, "es handele sich um eine erforderliche und verhältnismäßige Beeinträchtigung der Befriedigungsaussichten, die angesichts der stufenweisen Verkürzung der Abtretungsfristen auch so schonend wie möglich ausfällt. Die Eingriffe in die Gläubigerrechte werden so in schonender Weise auf das zur Erreichung des Ziels notwendige Maß beschränkt."
Die Verkürzung der Restschuldbefreiung ist tatsächlich ein weiterer Schritt in der Politik hin zu mehr Verbraucher-Freundlichkeit. Wie etwa auch im Mietrecht oder im Arbeitsrecht steuert der Gesetzgeber auf eine immer stärkere Ausdehnung dessen zu, was er unter "Sozialstaat" versteht. Entsprechend äußern sich die Verbraucher- und Schuldnerberater positiv zu der neuen Regelung: Schließlich würde sich die Situation für die überschuldeten Haushalte deutlich verbessern.
Creditreform als Vertreter der Gläubiger sieht die neue Regelung überaus kritisch. Es ist ja nicht nur die Beschränkung der Inkasso-Möglichkeiten, die der (sach)gerechten Befriedigung der Gläubiger im Weg steht. Das Gesetz sieht nämlich vor, dass die Auskunfteien in Zukunft mit einer Speicherung der Restschuldbefreiung mit verkürzten Fristen zu rechnen haben: Die Speicherung der Daten zum Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren ist nur noch für ein Jahr statt bisher für drei Jahre möglich. Im Klartext bedeutet dies für die Gläubiger, dass sie nur ein Jahr lang über die durch das Insolvenzverfahren zum Ausdruck gekommene schwache Bonität ihres Schuldners unterrichtet werden dürfen. Die Bonität des Verbrauchers steht im Zuge von E-Commerce, E-Banking und privater Telekommunikation immer mehr im Fokus der Geschäftsabwicklung. Gerade das anonyme Online-Geschäft bedarf valider Auskünfte und einer umfassenden Bonitätsprüfung. Vor dem Hintergrund von fast sieben Millionen überschuldeter Konsumenten wird die Überschuldung nicht eingedämmt mit der Verkürzung der Restschuldbefreiung, sondern erleichtert. Im Zeichen billiger Verbraucherkredite und einer guten Beschäftigungslage mögen Ausfälle und Überschuldung noch tragbar sein – dreht sich der Wind im Hinblick auf Konjunktur und Finanzierung, wie es jetzt durch die Krise der Fall ist, so kann die Vielzahl überschuldeter Verbraucher die Wirtschaft in Zukunft ins Stolpern bringen.