Laut einer aktuellen Analyse der Creditreform wirkt sich der Wirtschaftsaufschwung zwar zunehmend positiv auf das europäische Insolvenzgeschehen aus, zu einem merklichen Rückgang der Insolvenzzahlen ist es 2010 aber nicht gekommen. So wurden in den EU-15 Staaten plus Norwegen und der Schweiz im vergangenen Jahr 175.677 Firmenkonkurse registriert – das sind 1,4 Prozent weniger als 2009, als es noch 178.235 Fälle gab. In den Staaten Mittel- und Osteuropas erhöhte sich die Zahl der insolventen Unternehmen sogar um 14,1 Prozent auf 35.581 Fälle.
Innerhalb Europas zeigten sich 2010 unterschiedliche Trends im Insolvenzgeschehen. Sieben Staaten mit Zuwächsen stehen zehn Länder mit Rückgängen bzw. einer Stagnation gegenüber. Den größten prozentualen Insolvenzanstieg der westeuropäischen Staaten verzeichnet Luxemburg mit plus 31,5 Prozent auf 918 Verfahren, gefolgt von Italien (plus 30,8 Prozent auf 10.923 Fälle), der Schweiz (plus 19,9 Prozent auf 6.255 Fälle) und Portugal (plus 15,6 Prozent auf 5.144 Insolvenzen). In Finnland wurden hingegen 12,4 Prozent weniger Firmenzusammenbrüche registriert als 2009, in Großbritannien waren es 11,1 Prozent weniger und in Norwegen 10,6 Prozent. In Deutschland kam im vergangenen Jahr für 32.100 Unternehmen das insolvenzbedingte Aus – ein Minus von 2,5 Prozent gegenüber 2009. Damit zählt die Bundesrepublik neben Frankreich (51.060 Insolvenzen) und Großbritannien (17.690 Insolvenzen) aber zu den drei europäischen Staaten mit der höchsten absoluten Zahl an Firmenpleiten.
Aus dem Verarbeitenden Gewerbe mussten im vergangenen Jahr rund 19.100 Betriebe (rund 5,7 Prozent weniger als noch 2009) aus Westeuropa Insolvenz anmelden. Das waren 10,9 Prozent aller registrierten Insolvenzfälle. Verringert haben sich die gemeldeten Insolvenzverfahren auch in den übrigen Hauptwirtschaftsbereichen, wenngleich nur leicht: Das Baugewerbe verzeichnete einen Rückgang um 1,1 Prozent, der Handel und das Gastgewerbe um 1,8 Prozent und der Dienstleistungssektor um 0,6 Prozent. Mit etwa 66.000 Insolvenzen kamen aus dem Dienstleistungsgewerbe die meisten Firmenzusammenbrüche. Der Anteil des Sektors am europaweiten Insolvenzgeschehen erhöhte sich somit binnen eines Jahres von 37,2 auf 37,6 Prozent. Der Bausektor stellt mit ca. 36.900 Insolvenzverfahren 21,0 Prozent der registrierten Fälle, der Handel mit 53.600 Konkursen 30,5 Prozent.
Die Verlagerung des Insolvenzgeschehens auf den Dienstleistungssektor und eher kleinere Unternehmen führte zu einer Verringerung der insolvenzbedingten Arbeitsplatzverluste. Nachdem 2009 in Westeuropa schätzungsweise zwei Millionen Arbeitnehmer von der Pleite ihres Arbeitgebers betroffen waren, sind es 2010 noch 1,4 Mio. In Mittel- und Osteuropa dürften zudem rund 200.000 Stellen durch eine Insolvenz gefährdet sein – 2009 war noch der Verlust von 240.000 Arbeitsplätzen zu beklagen.
Kapitalschwäche macht Unternehmen anfällig
Die Ertragskraft der westeuropäischen Unternehmen ist im Krisenjahr 2009 stark unter Druck gekommen; 27,8 Prozent aller Unternehmen schrieben Verluste und inzwischen weisen 25,8 Prozent eine Eigenkapitalquote von weniger als zehn Prozent (im Verhältnis zur Bilanzsumme) auf. Entsprechend hoch sind hier der schuldenfinanzierte Teil der Vermögenswerte und die Abhängigkeit von externen Fremdkapitalgebern. Überdurchschnittlich viele eigenkapitalschwache Unternehmen sind in den südeuropäischen Staaten Italien (35,9 Prozent aller Unternehmen), Portugal (27,4 Prozent) und Spanien (26,4 Prozent) zu finden sowie in Irland (31,5 Prozent) und Großbritannien (31,4 Prozent). Weniger anfällig scheinen die Unternehmen in den skandinavischen Ländern zu sein. In Schweden beispielsweise gelten nur 13,7 Prozent der Unternehmen als unterkapitalisiert.
Krisenfolgen in den USA und Osteuropa
Auch in den USA hat die Wirtschafts- und Finanzkrise die Arbeitslosigkeit drastisch erhöht. Entsprechend schnellte die Zahl der Privatinsolvenzen im vergangenen Jahr um 11,3 Prozent auf 1,57 Mio. nach oben. Dieser Wert liegt nur knapp unter dem bisherigen Rekord aus dem Jahre 2003. Im Unternehmenssektor hat sich das Firmensterben dagegen verringert: 2010 mussten rund 57.300 US-Unternehmen aufgeben, 5,8 Prozent weniger als 2009. Sowohl der Anstieg der Privatinsolvenzen als auch der Rückgang im Unternehmenssektor fiel in den Vereinigten Staaten stärker aus als in Europa.
Osteuropa war 2010 ebenfalls stark von den Folgen der Wirtschaftskrise betroffen. Die Zahl der Firmeninsolvenzen erhöhte sich noch einmal um 14,1 Prozent auf 35.581 Fälle. Den stärksten Anstieg weisen Litauen (plus 28,1 Prozent), Kroatien (plus 23,8 Prozent) sowie Slowenien (23,2 Prozent) auf. Ein Rückgang wurde in Estland (minus 27,3 Prozent), in Polen (minus 10,1 Prozent) und in der Slowakei (minus 7,8 Prozent) registriert. In Russland ist die Zahl der Unternehmenspleiten um 7,3 Prozent auf ca. 16.600 Fälle gestiegen.
Privatinsolvenzen steigen weiter
Im Gegensatz zum rückläufigen Trend bei den Firmeninsolvenzen ist die Zahl der Privatkonkurse im vergangenen Jahr nochmals gestiegen. Mit knapp 385.000 zahlungsunfähigen Personen in Westeuropa wurden 5,2 Prozent mehr Fälle registriert als noch 2009. Dieser Anstieg geht weitgehend auf die Entwicklungen in Schweden (plus 19,3 Prozent auf 7.860 Fälle), in den Niederlanden (plus 16,6 Prozent auf 10.450 Fälle), in Frankreich (plus 8,1 Prozent auf 44.360 Betroffene) und in Deutschland (plus 7,6 Prozent auf 139.800 Fälle) zurück. Unter dem europäischen Durchschnitt blieb der Anstieg in Großbritannien (plus 1,8 Prozent; 162.460 Fälle), das aber erneut die meisten Privatinsolvenzen zählt, sowie in der Schweiz und in Österreich (jeweils plus 0,5 Prozent).
Der krisenbedingte Anstieg der Arbeitslosigkeit und die seit Ende der 90er Jahre stark gestiegene private Verschuldung der Europäer (beispielsweise für eine Immobilienfinanzierung) bergen für immer mehr Menschen die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit. So dürfte die Zahl der Privatinsolvenzen auch im laufenden Jahr auf einem hohen Niveau verharren.
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Kommentare zu diesem Beitrag
Zu den Privatinsolvenzen: Wundert mich nicht, man möge sich nur mal Statistiken über das durchschnittliche Einkommen der Deutschen ansehen, gerne getrennt nach Berufen und Altersgruppen sowie Familienstand. Im Vergleich zu den Ausgaben für Lebenshaltung und Konsum sind die Einkommen meist zu niedrig. Hinzu kommen die vielen finanzierten Konsumausgaben, von Autos angefangen über Unterhaltungselektronik bis zu Reisen und Kleidung. Auch die Sparguthaben sind inzwischen in einigen Einkommensgruppen überschaubar geworden.
Deutlich mehr als die Hälfte der PKW's auf deutschen Straßen ist finanziert oder geleast und manche können nicht mal mehr den Sprit und die Versicherung für ihre geleasten Autos bezahlen ;-)
Wie viele Deutsche (Alter < 40) sind heute noch schuldenfrei, haben nichts finanziert oder geleast und verfügen über eine gesunde EK-Ausstattung. Ich würde mal behaupten es sind 10% oder weniger!!!
Die Statistik ist bei einem Europa mit unterschiedlicher wirtschaftlicher Performance nicht verwunderlich ... aus meiner Sicht wird die Schere noch weiter auseinanderdriften.
Und das Thema Privatinsolvenzen beginnt bereits im Kindergarten und der Schule. Wer als Jugendlicher bereits sein Mobiltelefon und sein Mofa auf Kredit kauft, der wird auch später nicht mit Geld umgehen können ...
- bestimmte Gruppen mangels Selbstbewußtsein auf Statussymbole setzen
- andere Gruppen mangels ausreichendem Einkommen trotzdem am Konsum teilhaben wollen und gerne die Finanzierungsangebote für Unterhaltungselektronik / Möbel in Anspruch nehmen
- nur ein kleiner Teil durch eine Notlage in diese Situation kommt.
Und das Marketing mit seinen vielen Quacksalbern trägt eine große Mitschuld an der misslichen Lage der ersten beiden Gruppen!