Topthema: Verbot von Sovereign-CDS

Ursachen und Symptome der Griechenland-Krise


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"CDS auf Staaten sind nichts anderes, als wenn man das Haus des Nachbarn versichert, nur um es später anzuzünden und Profit damit zu machen." Sogar von höchster politischer Instanz wird dieses rein polemische und populistische Argument verwendet, um die Rolle von "Spekulanten" bei der Griechenland-Krise als "ursächlich" darzustellen. Dieses Argument ist ökonomisch nicht haltbar und verwechselt den Ursache/ Wirkungs-Mechanismus der momentanen Situation in Griechenland.

Die folgende Metapher scheint zunächst weit hergeholt (und ist weniger als politisches Argument geeignet), sie entspricht aber im Prinzip genau dem Verbot von Sovereign-CDS. Stellen Sie sich vor, es gibt ein zum Teil staatlich gefördertes Wohnbauprojekt in einem (chinesischen) Tal, durch das ein Fluss fließt. Den Leuten, die dort ihr Haus bauen, wird aber verboten, eine Versicherung gegen Hochwasser abzuschließen – mit dem Hinweis, dass im Falle eines Hochwassers, die inländische Versicherungsindustrie an den Rande der Zahlungsunfähigkeit gebracht werden würde. Nachdem die Menschen ihre Häuser trotzdem gebaut haben, beschließt die Regierung einen Staudamm zu bauen und das Tal zu fluten.

Nachdem die Rufe nach einem Verbot von Kreditderivaten lauter geworden sind, erscheint es uns umso wichtiger, die Ursachen und Symptome der Griechenland-Krise zu verstehen, um die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen. Die folgenden 10 Punkte versuchen die relevanten Mechanismen zu beschreiben:

Politisch brillant – ökonomisch fatal?

Die Europäische Währungsunion ist ein politisches Konstrukt, dessen politische Sinnhaftigkeit nicht zur Diskussion steht. Aus ökonomischer Sicht waren die potenziellen Probleme allerdings von Anfang an bekannt, wobei die Frage der Konvergenz im Mittelpunkt steht (nachzulesen bspw. in Frankel/Rose "The Endogeneity of the Optimum Currency Area Criteria", The Economic Journal, 1998). Die Überlebenschancen einer Währungsunion stehen in engem Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Divergenzen im gesamten Euroraum, da eine einheitliche Geldpolitik den Spielraum nationaler Wirtschaftspolitik erheblich einschränkt. Nur wenn von allen Mitgliedsländern ein zumindest "ähnlicher" Wachstumspfad beschritten wird, führt eine einheitliche Geldpolitik nicht zur Entstehung von wirtschaftlichen Friktionen.

Die ökonomischen Kosten politischen Willens

Wenn man den politischen Willen zur EWWU hat, muss man auch die ökonomischen Kosten tragen. Diese entstehen zum Beispiel dann, wenn der Staatshaushalt eines Landes starke Defizite aufweist. Durch die Stabilitätskriterien wurde diesem Problem theoretisch Rechnung getragen – allerdings muss man diese dann auch einhalten.


Abb. 1: Wer im Glashaus sitz …  (Nettoneuverschuldung der EU-Länder)

Warum gibt es Griechenland-CDS?

Die akute Griechenland-Krise ist verursacht worden durch die Haushaltsprobleme des Landes. Da keine expliziten Garantien der EU gegenüber Griechenland abgegeben wurden, ist es völlig natürlich, dass Griechenland als autonomer Staat gesehen wird, der eben ein gewisses Ausfallrisiko aufweist. Deshalb gibt es einen Markt für Griechenland-CDS.

Woher kommt das ganze Griechenland-Risiko?

Das hohe Griechenland-Exposure vieler Investoren ist regulatorisch bedingt und eine logische Konsequenz der Verschlechterung der allgemeinen Kreditqualität. Viele Akteure haben als Reaktion auf die "Subprime-Krise" Kreditrisiko ab- und dafür Staatsrisiko aufgebaut (was letztlich wiederum nichts anderes als Kreditrisiko darstellt). So macht es beispielsweise für Banken aus Eigenkapitalüberlegungen Sinn, in Staaten der Eurozone zu investieren. Man mag es Gier nennen oder Renditeoptimierung – letztlich haben viele Banken gerade in solche Staaten investiert, die die höchsten Risikoprämien aufweisen. Aber: Es gibt eben auch gute Gründe für entsprechende Risikoaufschläge.

Die Gier nach billigem Geld

Die Behauptung, steigende CDS-Spreads würden die Griechenland-Krise verschärfen, ist wenig zielführend, weil sie eben das Ursache/Wirkungs-Prinzip missachtet. Die Griechenland-Krise hat rein fundamentale Ursachen. Griechenland profitierte, neben einigen anderen Ländern (den üblichen Verdächtigen) der Eurozone, von dem durch die Einführung des Euro bedingten, sehr viel günstigeren Zinsniveau. Das machte durchaus Sinn, da genau diesen Ländern die Möglichkeit gegeben wurde, wirtschaftliche Divergenzen aufzuholen. Die oben bereits angesprochene Konvergenz sollte folglich gefördert werden. Aber auch billiges Geld muss zurückgezahlt werden. Wenn das billige Geld keiner produktiven Verwendung zugeführt wird, wird auch kein zusätzliches Wachstum generiert, sondern Vermögenspreisinflation gefördert. Das zeigt sich zuerst in den Immobilienpreisen und letztlich auch in Renditeaufschlägen gegenüber anderen Ländern, die offensichtlich über Jahre zu niedrig (und nur der Existenz der Währungsunion zu verdanken) waren. Die Parallelen zwischen der Subprime- und der Griechenland-Krise sind offensichtlich: Billiges Geld war bei beiden der entscheidende Katalysator.


Abb. 2: Billiges Geld – Anstieg der Geldmenge in der EU

Wer zündelt hier überhaupt?

Nun gibt es jemand, der bereit ist, mehr als 300 bp zu bezahlen, um sich gegen einen Ausfall Griechenlands in den nächsten fünf Jahren abzusichern. Das tut er auf einem Markt, in dem sich jemand findet, der die Gegenposition nimmt (das Grundprinzip des Swap-Marktes). Zwei unabhängige Marktteilnehmer haben eine unterschiedliche Meinung zum Wert eines Instruments (hier einer Versicherung). Hierbei hat nicht einer dem anderen eine Versicherung auf Griechenland abgekauft, um dann auf einen "Brand des Hauses" zu wetten (um den oben genannten Vorwurf klarzustellen). Es ist vielmehr so, dass, regulatorisch bedingt, einige Marktteilnehmer viel zu viel Griechenland-Risiko auf ihren Büchern haben, obwohl Griechenland-Risiko viel zu teuer gepreist war. Wer mag ihnen verdenken, dass diese nun auf der Suche nach Versicherung gegenüber einem Ausfall Griechenlands sind. Deshalb steigen die Versicherungsprämien.

Immer der Ärger mit den Spekulanten

Spekulative Attacken über CDS können in keinster Weise mit spekulativen Währungsattacken (Soros gegen das britische Pfund oder der Angriff auf das thailändische Baht in 1997) gleichgesetzt werden. Ohne ein Verfechter dieser Branche zu sein, muss man sich das potenzielle Auszahlungsprofil eines solchen Trades nur vor Augen führen. Ein Hedge-Fonds versichert sich mit Hilfe von CDS gegen einen Ausfall Griechenlands. Er profitiert also von weiteren Griechenland-Spreads. Aber profitiert er auch von einem Credit Event Griechenlands? Folgendes Szenario ist nicht unwahrscheinlich für den Fall, dass keine versteckten Bailouts zum Einsatz kommen: Griechenland einigt sich mit seinen Gläubigern beispielsweise auf eine Aussetzung des Zinszahlungen (was in einem Sovereign-CDS als Credit Event "Failure to Pay" gewertet werden würde).

Damit ist davon auszugehen, dass die in einer Auktion festzustellende Verwertungsquote sehr hoch wäre. Angenommen, Griechenland-Anleihen handelten danach immer noch nahe pari, was nicht unrealistisch wäre, wenn die Aussetzung der Zinszahlungen nur temporär und mit einer Kompensation (beispielsweise zum Laufzeitende) verbunden wäre. Der Gewinn einer Long-CDS-Position wäre danach 100 % minus Verwertungsquote; also in der geschilderten Situation im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Dasselbe Phänomen war nach der Übernahme von Freddie Mac und Fannie Mae durch den amerikanischen Staat zu beobachten! 1-Jahres-Griechenland-CDS hat in der Spitze bei 4,5 % gehandelt – möglicherweise war die Versicherung also teurer als die zu erwartende Kompensation im Gewinnfall. Man kann natürlich nicht ausschließen, dass Hedge-Fonds eine CDS-Versicherung auf Griechenland kaufen – man kann ihnen aber in dem von uns skizzierten Fall nicht unterstellen, dass sie das aus dem Prinzip der Gewinnmaximierung getan hätten.

Die Frage ob Spekulation wohlfahrtssteigernd wirkt, wurde in der Wissenschaft ausführlich diskutiert. Eine vereinfachende Zusammenfassung der Ergebnisse wäre: Spekulation ist wohlfahrtssteigernd, wenn eine gleichmäßige Informationsverteilung zu Grunde liegt. Letzteres ist aber kein Problem des Instruments, sondern ein Problem der Marktorganisation. Insider Trading ist strafbar und kann mit jeglichen Finanzinstrumenten umgesetzt werden. Man hat aus guten Gründen Insider Trading reglementiert und nicht die Instrumente, mit denen Insider Trading umgesetzt wird!

Schuld ist nicht das Instrument, sondern die Strategie!

Das soll nicht heißen, dass der CDS-Markt frei von Fehlern wäre und dass der Markt im Sinne einer kollektiven Nutzenmaximierung immer alles richtig machte. Regulatorisch wurde allerdings bereits stark in den Markt eingegriffen und vor allem die Sinnhaftigkeit der Schaffung von zentralen Clearingstellen würde niemand ernsthaft in Zweifel ziehen. Es gibt natürlich auch das Phänomen des "Overshootings" (einer zeitweisen Entkopplung der CDS-Spreads von denen griechischer Anleihen), aber das lässt sich durchaus erklären: Der CDS-Markt ist in vielen Segmenten weitaus liquider (und die Ausgestaltung der Kontrakte weitaus einfacher) als der der Underlyings – also sind CDS mitunter vorlaufend im Vergleich zu anderen Instrumenten.

Im  Falle Griechenlands war dieses Overshooting-Phänomen jedoch nicht zu beobachten. Die Yield-Differenz zwischen griechischen und deutschen Staatsanleihen übersteigt die Differenz der CDS-Levels.


Abb. 3: Overshooting-Phänomen im CDS-Markt? Griechenland gegen Deutschland


Auch wenn in diesem Markt noch viel verbessert werden kann, das zu Grunde liegende Prinzip sollte nicht in Frage gestellt werden. Wenn man der Funktionsweise des Kapitalmarktes vertraut, dann sollte man sich nicht wundern, wenn Preise schwanken. Sovereign-CDS werden seit Jahren gehandelt und deren Existenzberechtigung bis dato nie angezweifelt – die Frage nach deren Berechtigung scheint also stark mit dem "Krisenzyklus" zu korrelieren.

Immer der Ärger mit den Rating-Agenturen

Wir sind definitiv keine Lobbyisten von Rating-Agenturen und das Problem der Anreizproblematik bei der Vergabe von Ratings war auch des Öfteren Thema dieses Newsletters. Aber in der jetzigen Diskussion über deren Rolle in der Griechenland-Krise darf man diese auch einmal in Schutz nehmen. Den Agenturen wird vorgeworfen, durch ihre Herabstufungen Griechenland die Refinan-zierung unmöglich zu machen. Es ist aber offensichtlich, dass es nachvollziehbare Gründe für die Rating-Herabstufungen gibt, auch wenn man in Frage stellen kann, ob die vor der Krise vergebenen Ratings "absolut richtig" waren. Nach der Subprime-Krise wurden Rating-Agenturen abgestraft, weil sie zu spät herabgestuft haben; jetzt machen sie ihren Job und kommen wieder in die Kritik. Ein weiterer Punkt erscheint uns aber viel wichtiger. Wenn von regulatorischer Seite nun bezweifelt wird, dass Rating-Agenturen objektive Bewertungen durchführen, dann muss man zumindest die Frage stellen, warum dann in dem regulatorischen Regelwerk Ratings eine so enorm wichtige Rolle einnehmen? Genau diese Ratings sind ja von den globalen Regulierungsbehörden beispielsweise als Maßstab für die EK-Hinterlegung im Bankensystem festgesetzt worden.

Und wieder mal zu Karl Popper & Ludwig von Mises

Letztlich muss man sich eine eher philosophische Frage stellen: Passt ein demokratisch organisiertes Gesellschaftssystem mit einem kapitalistisch organisierten Kapitalmarkt zusammen? Hierbei verweisen wir auf oben genannte Personen, die diese Frage ausführlich diskutiert und von uns unerreichbar treffend analysiert haben. Aber eine Frage in diesem Zusammenhang muss man ansprechen: Nämlich die, ob das Prinzip der Versicherung schädlich ist?

Alles "Wimps" oder warum es Versicherungen gibt

Täglich grüßt das Murmeltier

Die Diskussion über ein Verbot von Derivaten hat eine lange Tradition. Hier ergeht es Credit Default Swaps nicht anders als Aktienderivaten (im Anschluss an den "Crash" 1987) oder Währungsderivaten (im Anschluss an das Ende des Bretton-Woods-Systems und der Einführung flexibler Wechselkurse in den 1970ern). Das Argument scheint auf den ersten Blick logisch: Die Abkopplung des Finanzmarktes von der Realwirtschaft hat immense Ausmaße angenommen und Derivate spielen hierbei eine Schlüsselrolle. Neben allen Vorzügen, die der Finanzmarkt mit sich bringt, stellen die Rückkopplungen desselben auf die Realwirtschaft das zentrale Problem dar. Spekulanten (wie auch immer diese Definition geartet sein mag) nutzen den Finanzmarkt zur Profitgenerierung, ohne dass diesen Geschäften ökonomischer Realwert entgegensteht – sie können aber durch Preisbewegungen Auswirkungen beispielsweise auf die Refinanzierungskosten von Schuldnern haben (der Griechenland-Fall). Das ist durchaus ein gewichtiges Problem, welches man aber nicht dadurch löst, indem man die Spekulation verbietet, sondern sich prinzipielle Gedanken über die Organisationsstruktur der Kapitalmärkte machen muss.

In der Wissenschaft gibt es keine ernsthaften Befürworter einer Einschränkung des Derivatemarktes, da dieser eine elementar wichtige Funktion des Wirtschaftens erlaubt: Den Kauf von Versicherung. Der Kauf von Verkaufsoptionen kann demnach auch als Versicherung von Eigenkapital definiert werden. Ohne die Existenz von Verkaufsoptionen würden aber viel weniger Investoren bereit sein, Eigenkapital zur Verfügung zu stellen. Und der Kauf von CDS-Versicherung stellt eben eine Absicherung von zur Verfügung gestelltem Fremdkapital dar. Das heißt im Umkehrschluss nicht, dass genau derjenige, der Versicherung kauft, immer auch den der Versicherung zu Grunde liegenden Vermögenswert besitzen muss. Wäre das nämlich der Fall, wäre der Derivatemarkt nur durch einige wenige Akteure getrieben, die alle dieselbe Position haben. Ein weitaus volatilerer Markt wäre die Folge und die Ausschläge bei Krisen würden die historisch zu beobachtenden Niveaus bei Weitem übertreffen.

Unser gesamtes Wirtschaftssystem basiert auf dem Prinzip der Versicherung. Der Eintritt von nicht gewollten Ereignissen wird dabei nicht verhindert, sondern die damit verbunden Kosten weitergereicht. Natürlich kann man argumentieren, dass nur die Tatsache, dass es Versicherungen gibt, dazu führen, dass Risiken eingegangen werden. Nun entspricht Leben und Wirtschaften in allen Facetten einer Entscheidung unter Unsicherheit, während es einen Markt für den Wert der Versicherung gibt, um für riskantes Verhalten einen angemessenen Preis zu finden. Versicherungen werden in der ökonomischen Literatur als wohlfahrtssteigernd betrachtet und in vielen Teilbereichen des Lebens würden nur wenige diese Aussage bestreiten. Wir ignorieren nicht, dass natürlich Argumente gegen die Etablierung des Versicherungsprinzips aus allokationstheoretischer Sicht bestehen, aber es stellt sich die Frage, warum dieses Prinzip ausschließlich im Kapitalmarkt politisch in Frage gestellt wird?

Sovereign-CDS: "Weapons of Financial Mass Destruction"?

Konkret auf den Fall Griechenland und der Rolle von Spekulanten angewandt, wird das folgende Argument angeführt. Ein durch fundamentale Haushaltsprobleme verursachter Preisverfall von Griechenland-Anleihen wird durch den Kauf von Versicherung auf Griechenland über den CDS-Markt verstärkt, wodurch die Refinanzierungskosten Griechenlands ansteigen und letztlich die Refinanzierung unmöglich gemacht wird, womit die Spekulanten Recht bekämen (selbsterfüllender Prozess). Ein ähnliches Argument wird übrigens auch bei dem Kursverfall des Euros verwendet, auch von solchen Kommentatoren, die den Kurs des Euros (zumindest gegenüber dem US-Dollar) lange Zeit als zu hoch angesehen haben.

Um das Bild des Spekulanten in der obigen Argumentation aufrechtzuerhalten, muss man annehmen, dass diesem eine Reihe von "Nicht-Spekulanten" (Wer wiederum das auch sein mag?) gegenüber stehen, die freiwillig Versicherung auf Griechenland verkaufen. Es gibt allerdings einen signifikanten Unterschied zu spekulativen Attacken gegen die Zentralbank eines Landes. Eine spekulative Währungsattacke ist dann erfolgreich, wenn die Spekulanten mehr Inlandswährung verkaufen können als die inländische Zentralbank als einziger Kontrahent der Spekulanten an Fremdwährung besitzt, um die Inlandswährung aufzukaufen. Im globalen Markt für CDS besteht diese Begrenzung nicht.

Kein Spekulant kann den Zahlungsausfall Griechenlands direkt herbeiführen – ihm stehen Kontrahenten gegenüber, die keine Beschränkung hinsichtlich der Versicherungssumme haben. Wenn mehr Nachfrage nach Versicherung durch Spekulanten auf ein geringeres Angebot von CDS-Verkäufern trifft, muss der Spekulant mehr ausgeben für seine Versicherung. Das ist diametral zu Währungsattacken, bei denen der Preis der Inlandswährung sinkt, der Spekulant also von der ersten logischen Sekunde "im Geld" ist!

Die zuletzt begebene Griechenland-Anleihe wurde mit einem Spread-Aufschlag von ca. 300 bp gegenüber Bundesanleihen am Markt platziert und ist scheinbar auf große Nachfrage gestoßen. Die Spread-Differenz zwischen den CDS-Levels von Deutschland und Griechenland war unter 300 bp. Also zeigt der CDS-Markt dort kein anderes Verhalten auf als der Anleihemarkt selbst. Im Übrigen führt der Verkauf von Griechenland-Anleihen ebenfalls zu steigenden Spread-Aufschlägen, die sich letztlich wieder in steigenden Refinanzierungskosten widerspiegeln. Steigende Risikoaufschläge Griechenlands haben einen Grund: Die Haushaltschieflage und der Markt zeigt einzig und allein, wo die Investoren (Spekulanten und Nicht-Spekulanten) das Risiko eines Kreditausfalls bewerten. Man könnte hingegen annehmen, dass ohne das Vorhandensein von CDS weniger Investoren bereit gewesen wären, Griechenland-Anleihen zu kaufen. Das Refinanzierungsproblem wäre folglich viel früher zu Tage getreten.

Das Bauernopfer

Man kann den Markt nicht als zentrales Steuerungsinstrument begreifen, welches immer das gesamtwirtschaftlich (im politischen Sinne) gewünschte Ergebnis erwirkt. Aber wenn die europäischen Instanzen der Meinung sind, dass das Griechenland-Risiko vom Markt überschätzt wird, dann haben sie eine einfache Möglichkeit, dies zu beeinflussen: Die Vergabe von expliziten Garantien. Der Preis wäre natürlich ein Anstieg der Refinanzierungskosten für diejenigen Staaten, die diese Garantien aussprechen. Dieses wiederum zu verbieten, liegt dann jedoch nicht mehr in deren Macht.

Ein Verbot von ("naked"; also ohne Gegengeschäft eingegangener) Sovereign-CDS hat ökonomisch zur Folge, dass der Preis durch den Staat verzerrt wird. Dasselbe Phänomen entstand durch die Eingriffe in den strukturierten Kreditmarkt durch staatliche Käufe oder Stützungsmaßnahmen im Zuge der Bekämpfung der Subprime-Krise (die amerikanischen TARP- und TALF-Programme sind hierfür das beste Beispiel). Der Staat greift dann in den Markt ein, wenn dessen Ergebnis nicht gewünscht ist. Somit werden die Symptome und nicht die Ursachen bekämpft und deshalb steht zu befürchten, dass Griechenland nicht das einzige Refinanzierungsproblem im Euroraum bleiben wird.

Wenn die regulatorischen Instanzen eine Abkopplung des Finanzsektors von der Realwirtschaft vermeiden wollen, sollten sie allerdings nicht genau diese fördern. Die Bereitstellung von Liquidität im Überfluss wird nämlich genau diese nicht gewünschte Abkopplung nach sich ziehen.

Die Ursache

Die Problematik Griechenlands zeigt vielmehr eine prinzipielle Funktionsstörung des Systems. Die Steuerung der Geldmenge (worauf letztlich alle Maßnahmen der Zentralbanken hinauslaufen) anhand von Inflationszielen missachten die Tatsache, dass Güterpreisinflation als das politisch vorrangige Ziel in ihrer gesamtwirtschaftlichen Bedeutung weit hinter die Vermögenswertinflation zurückgefallen ist. Falls Vermögenswertinflation als zentraler Bestandteil der Geldmengensteuerung Berücksichtigung finden würde, müsste man einen weniger starken Anstieg der Vermögenswerte in Kauf nehmen. Dafür würde auch die Volatilität derselben nachhaltig sinken. Politisch wäre eine solche Maßnahme natürlich schwer durchsetzbar, sie würde jedoch die wirkliche Ursache der immer häufiger auftretenden Probleme im Finanzmarkt angehen und nicht nur deren Symptome, wie es ein Verbot von Sovereign-CDS darstellen würde.

Auswirkungen auf die Kreditmärkte

Das globale Refinanzierungsdilemma wird sich nicht schnell auflösen

Das Griechenland-Problem wird die Märkte längerfristig beschäftigen. Es besteht die große Gefahr, dass das Konstruktionsprinzip der EWWU nachhaltig ökonomisch hinterfragt wird, wobei wir die Hauptgefahr darin sehen, dass Griechenland kein Einzelfall bleiben wird.

Die negativen Implikationen der Überschussliquidität in den Märkten können nur abgefedert werden durch zusätzlich generiertes Wirtschaftswachstum. Das zentrale Problem der Vermögenswertinflation allerdings wird bleiben, wobei uns vor allem die Kombination derselben mit den immensen Refinanzierungsvolumina der nächsten Jahre Sorge bereitet.


Abb. 4: Wer kann das bezahlen … Refinanzierungsbedarf in der Eurozone in 2010 (in Mrd. EUR)

Wir haben schon mehrmals darauf hingewiesen, dass nicht nur Banken und Unternehmen sondern natürlich auch Staaten in den nächsten Jahren einen Rekord-Refinanzierungsbedarf aufweisen. Die ersten Auswirkungen sind schon spürbar. Einerseits haben seit Jahresanfang knapp 20 Anleiheemissionen aus dem HY-Bereich abgesagt werden müssen, da die Bonds nicht zu den von den Unternehmen erwarteten Niveaus platziert werden konnten. Im Februar wurde seit Monaten wieder einmal eine signifikante Neuemissionsprämie gegenüber CDS bezahlt (Man Group 5 Jahre Senior Anleihe bei CDS plus 100 bp). Wir denken, dass in den nächsten Monaten Unternehmen gezwungen sein werden, den Investoren eine höhere Neuemissionsprämie zu bieten. Die Refinanzierungskosten werden in diesem Szenario unweigerlich steigen.

Kurzfristig wirkt die "vorläufige" Entspannung im "Casa Graeciae" positiv auf die Märkte, aber wir werden erinnert an die anfänglichen Effekte der konzertierten Aktionen bei der Bekämpfung der Subprime-Krise: Kurzfristigen Erfolgen folgten mittelfristige Enttäuschungen. Genau diese Gefahr sehen wir auch hier. Letztlich werden wieder einmal die Symptome bekämpft und nicht die Ursache.

Ausfallraten

Eine kürzlich erschienene Studie der Deutschen Bank ("Default Study 2010", DB FI Research) zeigt die Problematik relativ hoher Ausfallraten auf. Die Prämie, die im Kreditmarkt gegen die Übernahme von Ausfallrisiken gezahlt wird, ist angesichts der dramatischen Rallye seit März 2009 drastisch zurückgegangen. Die Prämie im IG-Bereich ist demnach immer noch hoch genug, um auch "Worst Case"-Szenarien abzufedern, wobei das für HY nicht mehr uneingeschränkt der Fall ist.

Letztlich sind vor allem die Default-Studien der Rating-Agenturen mit Vorsicht zu genießen. Diese tendieren dazu, einen gewissen Zyklus aufzuweisen. Eine potenzielle Verschlechterung des ökonomischen Umfelds in Kombination mit steigendem Refinanzierungsbedarf würde für einen starken Anstieg der Ausfallraten in Kombination mit niedrigeren Verwertungsquoten sprechen. Das ist ein globales Problem und würde sich nicht auf gewisse Marktsegmente beschränken!

Auch wenn Spread-Prämien für Ausfallrisiken in Base Case-Szenarien gerade Investoren noch kompensieren, wird keine Kompensation für Spread-Volatilität gezahlt! Eine Spread-Ausweitung von nur 15 bp im iTraxx Main (5Y @ 75 bp, Sprd-DVO1 ~ 4,5) innerhalb eines Jahres frisst den gesamten laufenden Ertrag einer Long-Position auf. Zur Erinnerung: In den letzten zwölf Monaten schwankte der Index zwischen 65 und 220 bp! Das Risiko/Return-Profil im Kreditmarkt ist also nicht nur aus Sicht der Entwicklung der Ausfallraten weniger attraktiv geworden.

Neuemissionsaktivität

Mangels attraktiver Alternativen sind immer noch viele Investoren in den Kreditmärkten engagiert und die Nachfrage nach Neuemissionen bleibt relativ stabil. Auch unter der Annahme einer weiterhin stabilen Nachfrage sehen wir zukünftigen Druck auf die Kreditmärkte vor allem auf der Angebotsseite. Der immense Refinanzierungsbedarf wird hauptsächlich über den Anleihenmarkt abgewickelt werden, auf dem Staaten, Banken und Unternehmen um die Gunst der Investoren buhlen werden.

Die Neuemissionsaktivität wird 2010 ähnlich hoch sein wie 2009, wofür die Fälligkeitsstruktur im Banken- und Unternehmenssektor sowie die steigende Staatsverschuldung (die refinanziert werden muss) sprechen.


Abb. 5: Noch Aufholbedarf: Neuemissionstätigkeit 2010 vs. 2009, in Mrd. EUR (IG EUR)

Risikofaktoren

Neben den üblichen Verdächtigen (Dubai und Griechenland werden keine Einzelfälle bleiben) sehen wir ein Marktsegment als zentralen Risikofaktor für die Kreditmärkte 2010: Der US-CMBS-Markt.

Der Refinanzierungsbedarf von amerikanischen CMBS-Strukturen stellt nicht nur den amerikanischen Bankensektor vor eine weitere Herausforderung. Der CMBS-Markt in den USA hat maßgeblich von den Programmen der amerikanischen Regierung profitiert (TARP, TALF), die jetzt teilweise auslaufen. Ohne eine positive ökonomische Entwicklung in den USA besteht die Gefahr, dass Gewerbeimmobilien der nächste Sektor wird, der immense Belastungen auf das Finanzsystem ausübt. Diese Gefahr ist keineswegs neu und war schon 2008 als der zentrale Übertragungsmechanismus der "Subprime-Krise" verstanden worden. Genau deshalb war dieses Marktsegment der Hauptprofiteur staatlicher Unterstützungsmaßnahmen. Da diese jetzt auslaufen, muss der Markt die Preisfindungsfunktion wieder aufnehmen – und das in einer Phase, in der die Refinanzierung eines immensen Teils des amerikanischen Gewerbeimmobilienmarktes ansteht. Der Stuyvesant-Town-Fall war ein schmerzlicher Hinweis darauf, dass der US-Häusermarkt noch nicht "übern Berg" ist.

Taktisch

Betrachtet man die synthetischen Kreditindizes in Europa, haben diese eine beachtliche Schwankungsbreite aufzuweisen – auch in 2010 bewegte sich der iTraxx Main zwischen 65 und 95 bp, der iTraxx Crossover zwischen 380 bp und 520 bp.

Kurzfristig können sich die Spread-Indizes weiter Richtung ihrer Tiefststände von Mitte Januar einengen – das ist unserer Ansicht aber das "höchste der Gefühle". Mittelfristig ist die Gefahr von signifikanten Spread-Ausweitungen in dem von uns befürchteten Szenario unausweichlich. Das stärkste Argument für die Kreditmärkte besteht darin, dass es wenig attraktive Alternativen gibt, wobei dieses Argument in Zeiten sich ausweitender Spreads schnell überholt sein wird.

Strategisch

In einer anhaltenden Niedrigzinsphase (und die letzten Äußerungen der Fed und der EZB lassen darauf schließen, dass diese noch eine geraume Zeit Bestand haben wird), bieten Credit Spreads für viele Investoren einen attraktiven Rendite-Pickup. Wir sehen auch weniger die Gefahr sinkender Nachfrage nach Credits als zentralen Punkt an, sondern das zu erwartende ausufernde Angebot in dem von uns beschriebenen Refinanzierungsdilemma.

Empfehlungen

Die gefühlte Entspannung der Griechenland-Problematik hat dazu geführt, dass der europäische Sovereign-CDS-Index wieder unter den entsprechenden Indices europäischer Banken und Unternehmen handelt. Auf die von uns im Februar vorgeschlagenen Positionierung (Long SovX vs. iTraxx Main/Fin) kann also getrost Profit genommen werden.

Angesichts der engeren Spread-Niveaus muss also wieder über potenzielle Absicherungsstrategien nachgedacht werden, wobei v. a. die Steilheit der Kreditkurven im europäischen Investment Grade-Bereich zwischen drei und fünf Jahren zu Flattening-Positionen einlädt. Eine solche Positionierung kann spread- und/oder ausfallrisikoneutral eingegangen werden und performt i. d. R. genau in Spread-Ausweitungs-Szenarien.


Abb. 6: Forecast-Tabelle

Fazit: "Wenn Argumente fehlen, kommt meist ein Verbot heraus." (O. Hassencamp)



[Quelle: assénagon: credit newsletter Nr. 02 │ 10. März 2010
│ Mit freundlicher Genehmigung von Assenagon Asset Management S.A. / Bildquelle oben: iStockPhoto]

Kommentare zu diesem Beitrag

Markus /10.03.2010 20:57
CDS-Kontrakte sollten weiterhin verfügbar sein, aber bitte nicht wieder anfangen zu bündeln.
Phillip /10.03.2010 21:54
gebuendelt wurden vor allem cdo (collateralized debt obligations). cds demgegenueber ist ein kreditderivat zum handeln von ausfallrisiken. einen guten ueberblick zum thema bietet die bundesbank: http://www.bundesbank.de/download/volkswirtschaft/mba/2004/200412mba_cds.pdf

die ueberreaktion auf der seite der politik und regulatoren haengt vor allem damit zusammen, dass man weder vor noch nach der finanzkrise auch nur naeherungsweise verstanden was cds sind ...

solange die transparenz gewahrt ist, spricht nix gegen cds-kontrakte. auch ein versicherer weiss exakt, welche risiken er sich ins portfolio holt. schlechte risiken werden uerber das underwriting ausgefiltert. und der versicherer weiss auch, wie sein portfolio strukturiert ist. cds sind im kern nicht weit entfernt von einer klassischen kreditversicherung. cds sind also ein instrument, mit dem unabhaengig von bestehenden kreditbeziehungen kreditrisiken gehandelt werden koennen. und damit auch eine sinnvolle loesung fuer die maerkte.
Markus /11.03.2010 20:43
@Phillip

Du bist dir also sicher, wenn Du einen CDO-Kontrakt abschließt, dass Du keine CDS-Papiere erwirbst.

Was meinst Du denn wie Banken usw. ihre Risiken ausgelagert haben.
Natürlich wurden CDS-Kontarkte unterzeichnet. Als sich herrausstellte, dass das Risiko zu groß war (Mispricing). wurden die Papiere bzw. die Sicherheitsleistung bzw. der finanzielle Gegewert der abgesichert werden sollte mit in die CDO-Bündel gepackt.

Es gibt Leute, die dort sehr kreativ sind oder sein können.

Blöd nur wenn man der Meinung ist, über Tranchen-Korrelation und technischen Hilfsmittel usw. faire Preise ermitteln zu können.

Wenn die Volatilität steigt bzw. das Ausfallrisiko am Bondmarkt, sollte es mindestens eine überproportionale Reaktion in CDO-Papieren geben.

Das der Regulierer nicht durchschauen kann und will, ob CDS, CDO, ....
Für die ist es nur ein Buchstabe bei Produkten, die das selbe leisten sollen....
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