Risikomanagement blind für die Realität

Versagen der Risikomodelle: Der Fall der UBS


Im Jahresgutachten der Wirtschaftsweisen für 2008 werfen die Wissenschaftler einen Blick zurück auf die Ereignisse bei der UBS. Um die gewaltigen Verwerfungen an den internationalen Finanzmärkten ab dem Sommer des Jahres 2007 zu erklären, kann eine vertiefte Einsicht in die internen Abläufe eines großen Einzelinstituts – so die Wirtschaftsweisen - hilfreich sein. Ein sehr offener und detaillierter Erfahrungsbericht über die massiven Fehleinschätzungen der UBS wurde von der Eidgenössischen Bankenkommission vorgelegt (Shareholder Report on UBS's Write-Downs vom 21. April 2008).

Die Probleme im Risikomanagement der UBS waren mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht einmalig und enthalten somit Lehren für andere Finanzinstitute und für die Aufsicht, so die Wissenschaftler im aktuellen Jahresbericht. Wie viele andere große Kreditinstitute trat auch die UBS als Originator von Asset-Backed Securities (ABS) und Collaterized Debt Obligations (CDO) bei der Verbriefung von US-amerikanischen Subprime–Krediten auf. Des Weiteren investierte sie zusätzlich im Rahmen diverser  Eigenhandelsstrategien selbst in großem Umfang in ABS- und CDO-Papiere. Insbesondere behielt sie in weiten Teilen Papiere aus der obersten (Super-Senior) Tranche einer CDO mit ausgezeichnetem Rating von AAA in der eigenen Bilanz im Handelsbuch, da diese aufgrund ihrer niedrigen Ausfallwahrscheinlichkeit und der damit einhergehenden geringen Verzinsung wenig nachgefragt wurden. Den Ankauf der Super-Senior-Papiere konnte die Investmentabteilung durch günstige Kredite am Geldmarkt finanzieren. Da mit diesen Strategien allerdings nur geringe Gewinnmargen erzielt werden konnten, wurden recht hohe Nominalvolumina eingesetzt. Bis zuletzt ging man bei diesen Positionen von einer genügenden Absicherung aus, sodass diese noch bis zum Sommer 2007 weiter ausgebaut wurden.

Die Absicherung bestand zum einen in Negative Basis Trades (Erwerb eines Credit Default Swaps (CDS) lautend auf die gleiche Anleihe, wobei der Anleihespread größer als der CDS-Spread ist) und zum anderen in Amplified Mortgage Portfolio Super-Seniors (aufgrund einer statistischen Analyse wurde hierbei davon ausgegangen, dass eine Absicherung von 2 vH bis 4 vH einer Super-Senior-Position ausreichend ist, um eine Ausfallwahrscheinlichkeit der gesamten Position von praktisch null annehmen zu können.

Risikomodelle waren blind für die Realität

Diese Handelsstrategie führte bis Mitte des Jahres 2007 zu einer schnellen Ausweitung der Bilanz; der Hebel stieg von 29 auf 64 an (siehe Abbildung unten).


[Quelle: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung Statistisches Bundesamt: Die Finanzkrise meistern - Wachstumskräfte stärken, November 2008]

Dabei stieg das Risiko, die allerdings von den Risikomodellen nicht erkannt wurde, denn die Eigenkapitalquote nach Basel II lag über die gesamte Zeit bei fast 12 Prozent und signalisierte damit einen komfortablen Risikopuffer. Unbemerkt blieb insbesondere, dass die Höhe der ABS- und CDO-Positionen und deren Anfälligkeit gegenüber Korrekturen auf dem US-Häusermarkt ein eigenes Makrorisiko barg, das von den Risikomanagementmodellen nicht adäquat abgebildet wurde. Bei der Berechnung der Ausfallwahrscheinlichkeiten wurde zum einen ein zu großer Wert auf das AAA-Rating gelegt, welches
vernachlässigte, dass es bei ungünstigen Marktbedingungen recht schnell zum Aufbrauchen der unterliegenden Tranchen in der Kapitalstruktur kommen kann.

Das Risikomaß Value-at-Risk basiert auf historischen Daten

Zum anderen basierten die Value-at-Risk-Analysen und Stresstests auf den historischen Daten der letzten fünf Jahre, wodurch das derzeitige Krisenszenario nicht abgebildet werden konnte, da diese Daten sich auf ein relativ positives Wachstumsumfeld bezogen. Zusätzlich wurde bei der internen Risikobewertung auf die vermeintlich hohe Liquidität des Markts für die Super-Senior-Papiere verwiesen. Dies hatte die fatale Folge, dass die UBS davon ausging durch den Kauf von Super-Senior-Papieren ihre Risikoposition sogar noch zu verbessern.

Als zentrales Problem der Steuerung des Risikos stellt sich im Rückblick heraus, dass Makrogrößen wie Bilanzwachstum und Bilanzlimiten keine Beachtung geschenkt wurde. Die EBK hält in ihrem Untersuchungsbericht fest: "Seit ihrem Bestehen verstand die UBS die Bilanz nicht als Größe zur Steuerung des Risikoappetits. Zur Risikosteuerung waren andere Instrumente gedacht. [...] Die fehlende Aufmerksamkeit für die mit dem Bilanzwachstum verbundenen versteckten Risiken und ein zu unkritisches Vertrauen in die bestehenden Mechanismen zur Risikoerfassung erscheinen im Rückblick als schwerwiegendes Versäumnis."

[Text: Eigener Text basierend auf: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung Statistisches Bundesamt: Die Finanzkrise meistern - Wachstumskräfte stärken, November 2008]

Kommentare zu diesem Beitrag

Pleitegeier /16.11.2008 21:10
Die genauen Ursachen, neben der volkswirtschaftlichen Initialzündung der Krise aus den USA, scheinen dennoch in dem Bericht zur UBS-Krise nicht abschließend geklärt worden zu sein. Sicherlich ist es ein Problem wenn Risikomodelle ausgehend von einem nahezu vollständigen Kapitalmarkt und normalen Umweltbedingungen makroökonomische Einflüsse bisher zu gering oder gar nicht berücksichtigt haben. Die Kritik an der 5-Jahres-Historie für eine Risikobetrachtung ist differenziert zu betrachten: Ja, Risikoprognosen auf Basis von historischen Beobachtungen sind unsicher, insbesondere wenn sie die Zukunft betreffen :- ). Aber auch „zukunftsbezogene“ Risikosimulationsmodelle wie z.B. die Monte Carlo Simulation werden meistens mit Hilfe historischer Daten parametrisiert (z.B. Volatilitäten, Korrelationen usw.). Und: Selbst die Autoren von BASEL-II-Dokumenten wie z.B. dem Zinsänderungsrisikopapier von 2003, später Grundlage für den aufsichtsrechtlichen Zinsschock in Deutschland (seit 2006), haben die VaR-Berechnung auf Basis der Historie der letzten 5 Jahre vorgeschlagen.

Die hier angesprochenen Bilanzverlängerungen waren wohl risikoerhöhend, sind es aber nicht per se. Es gibt genug Beispiele für absolut risikofreie Bilanzverlängerungen, -verkürzungen, Aktiv-/Passivtausch usw.

Fazit: Risikomodelle haben nicht funktioniert nachdem wesentliche Prämissen für deren Einsatz am Markt nicht mehr erfüllt waren. Im Rückblick sind, wie zuvor schon in den alten Geschichten von Orange County, Barings usw., zahlreiche Frühwarnindikatoren erkennbar. Für die Prognose zukünftiger Risiken ist die Welt damit aber nicht einfacher geworden. Nicht umsonst wiederholen sich Fehler im Risikomanagement und gerade Wirtschaftsprüfer und Aufsichtsräte sind da besonders beratungsresistent…
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