Versicherer fordert Risikoabschätzung für Nanotechnologien


Der Versicherer Allianz hat in Zusammenarbeit mit der OECD eine Studie zu "Chancen und Risiken von Nanotechnologien" erstellt. Zu den Chancen zählen laut Allianz nanotechnologisch verbesserte Medikamente, die die Diagnose und Heilung von Krankheiten beschleunigen sollen. Neue Beschichtungen, extrem belastbare Materialien kommen heute schon in der Automobil- und Luftfahrtbranche zum Einsatz. Im Umweltbereich versprechen Nanotechnologien neue Reinigungsmethoden für Luft und Wasser. 

Gleichwohl fürchten aber Wissenschaftler, dass Nanoteilchen auch eine neue Risikoklasse für Gesundheit und Umwelt darstellen können. Das größte Risiko sehen sie in den freien Nanoteilchen, die bislang aber nur in einigen wenigen Anwendungen vorkommen. Epidemiologische Studien zu Feinstäuben, die in industriellen Prozessen und im Verkehr unabsichtlich entstehen, zeigen eine Korrelation zwischen Umgebungsluft und der Sterblichkeitsrate.

Im Moment seien Menschen zwar noch vor allem durch unabsichtlich freigesetzte Feinstäube betroffen, doch dies würde sich in den nächsten Jahren ändern. Es sei unvermeidlich, dass freie Nano-Partikel in der Produktherstellung mit einer Größe von weniger als 100 nm nach und nach in die Umwelt und in den menschlichen Körper eindringen -- das Entstehen neuer Berufskrankheiten ist damit nicht ausgeschlossen. Deshalb, meint die Allianz, seien unabhängige Forschungsarbeiten über absichtlich produzierte Nanopartikel notwendig. Studien über die Biopersistenz, die Bioakkumulation und die Ecotoxizität wurden erst kürzlich in Angriff genommen. So untersucht das von der EU-Kommission in Auftrag gegebene NanoDerm-Projekt die Haut als Barriere für ultrafeine Teilchen. Das EU-Projekt NanoSafe analysiert die Produktionsrisiken, NanoTox erforscht die toxikologische Wirkung von Nanoteilchen auf die Gesundheit und die Umwelt

Einige Studien hätten bereits gezeigt, dass Nanoteilchen giftige Eigenschaften haben können. Sie dringen in den Körper auf verschiedenen Wegen ein, erreichen lebenswichtige Organe über den Blutkreislauf und können Gefäße schädigen. Auf Grund ihrer kleinen Größe unterscheiden sich die Partikel nicht nur von größeren Anhäufungen des gleichen Materials, sie interagieren auch auf andere Weise mit dem Körper. Studien legen es zudem nahe, dass Nanoteilchen im Körper giftiger sind als größere Teilchen des gleichen Materials. Diese Eigenschaften können jedoch nicht zuverlässig aus einer bekannten Toxizität einer Materialmenge geschlossen werden. Eine Risikoabschätzung größerer Materialmengen sei daher nicht ausreichend, um die Auswirkungen desselben Materials in Nanogrößen einschätzen zu können.

Die Allianz fordert daher eine frühzeitige Risikoabschätzung, um mögliche Gefahren schon im Vorfeld zu minimieren. Gesetzliche Regelungen gibt es bislang noch nicht, auch die EU-Chemierichtlinie (REACH -- Registration, Evaluation and Authorisation of Chemicals) befasst sich nicht mit den Auswirkungen unterschiedlicher Größen. Auch gibt es keine Kennzeichnungspflicht für Nanoteilchen. Aus Sicht von Allianz ist eine Überprüfung einschlägiger Gesetze sowie eine ständige Überwachung seitens der Behörden notwendig.

Die Versicherungsbranche ist für das Thema der Nanoteilchen und Feinstäube sensibilisiert, weil sie jahrzehntelang die Gefahren von Asbest unterschätzt hatte. Ein knappes Jahrhundert dauerte es, bis nach den ersten Warnungen ein europaweites Asbest-Verbot durchgesetzt werden konnte. Unzählige Menschen wurden krank -- die Versicherer mussten weltweit Milliarden bezahlen. Einige Wissenschaftler verglichen bereits Nanoröhrchen hinsichtlich ihrer Risiken mit Asbest, weil sie in ihrer Nadelform den Asbestfasern ähneln. Die Allianz-Studie stellt fest, dass diese Sorge vor allem bei Röhrchen mit hoher Bioresistenz zutrifft. Gleichwohl schränkt sie ein, dass Nanoröhrchen dazu neigen zusammenzuklumpen und daher ihre Gefährlichkeit vermindert wird.

Die 1986 von Eric Drexler skizzierte Gefahr des "grauen Schleims" ("grey goo"), der durch die unkontrollierte Selbstreplikation von Nano-Robotern entstehen könne, ist für die Allianz "im nächsten Jahrzehnt nicht relevant". In der nächsten Zukunft überschreite dies die technischen Möglichkeiten und bleibe daher ein futuristisches Szenario. Die Größe des Nanotechnologie-Markts ist bereits mit dem Biotechnologie-Bereich vergleichbar, die Wachstumsraten jedoch viel höher. Derzeit haben Produkte, die mit Hilfe von Nanotechnologie hergestellt werden oder diese beinhalten, einen Anteil von 0,1 Prozent an der weltweiten Produktion. 2014 sollen es bereits 15 Prozent sein. Vor allem der Markt für Nanotechnologie-Werkzeuge soll in den nächsten Jahren um 30 Prozent jährlich wachsen. Laut Bundesforschungsministerium gibt es in Deutschland rund 450 Nanotechnologie-Firmen.

Die komplette Studie können Sie hier herunterladen!

Quelle: Christiane Schulzki-Haddouti (jk/c't)

Risk Academy

Die Intensiv-Seminare der RiskAcademy® konzentrieren sich auf Methoden und Instrumente für evolutionäre und revolutionäre Wege im Risikomanagement.

Seminare ansehen
Newsletter

Der Newsletter RiskNEWS informiert über Entwicklungen im Risikomanagement, aktuelle Buchveröffentlichungen sowie Kongresse und Veranstaltungen.

jetzt anmelden
Lösungsanbieter

Sie suchen eine Softwarelösung oder einen Dienstleister rund um die Themen Risikomanagement, GRC, IKS oder ISMS?

Partner finden
Ihre Daten werden selbstverständlich vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Weitere Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.