Der deutsche Mittelstand tut nach wie vor zu wenig, um frühzeitig veränderte Markt-, Finanz- und Wettbewerbsbedingungen erkennen zu können. Nur jede fünfte Firma verfügt über ein professionelles Risikomanagementsystem. Konsequenz: Vielen Unternehmenslenkern fehlen die notwendigen Mittel, um angemessen und mit abgestimmten Maßnahmen auf die neuen Anforderungen zu reagieren. Dies sind Ergebnisse der aktuellen Managementbefragung „Einsatz von Risikomanagementsystemen im Mittelstand 2006/2007", für die der Bundesverband Deutscher Unternehmensberater BDU e.V. über 100 persönliche Interviews mit Inhabern oder Geschäftsführern mittelständischer Firmen geführt hat. Besonders bedenklich: Die Hälfte der Manager sieht gar keinen Bedarf für eine laufende Gefahrenanalyse und -abwehr.
In knapp jedem fünften Unternehmen ohne ausgewiesenes Risikomanagementsystem sind die Entscheidungsträger der Ansicht, dass ihre vorhandenen Instrumente – zum Beispiel einfache Controlling-Anwendungen – ausreichen, um Risiken rechtzeitig identifizieren zu können. Daneben stellten die Berater bei ihren persönlichen Interviews oft Kenntnislücken über den Aufbau und die Inhalte von Risikomanagementsystemen fest. Probleme sehen die Manager auch darin, dass die Einführung dieser Instrumente mit größerem Zeitaufwand und höheren Investitionen verbunden ist. Für Ralf Presber, Vorsitzender des BDU-Fachverbandes Unternehmensführung + Controlling eine sehr kurzsichtige Sichtweise: „Schon das nächste Finanzierungsgespräch bei Banken oder alternativen Kreditgebern kann für ein böses Erwachen sorgen. Unternehmen, die kein vernünftiges Risikomanagement vorweisen können, haben es schwerer und müssen zum Beispiel höhere Zinsen akzeptieren."
Herausforderung: Markt- und Wettbewerbsrisiken identifizieren und bewerten
Dort, wo Risikomanagementsysteme eingesetzt werden, ist die Zufriedenheit hingegen groß: Über 80 Prozent der Befragten äußern sich sehr positiv zu den Erfahrungen mit den eingesetzten Instrumenten. Eine besonders hohe Bedeutung messen die Manager dabei der höheren Planungssicherheit, der besseren Entscheidungsbasis sowie der verbesserten Absicherungsstrategie bei. Viele konstatieren auch einen positiven Einfluss auf die Themen Rating, Kapitalkosten, Finanzierungsmöglichkeiten sowie Unternehmenswert. Die größten Herausforderungen bei der Risikovorsorge sehen die Unternehmer viel stärker in der Identifizierung und quantitativen Bewertung von Markt- und Wettbewerbsrisiken als bei den internen Risiken. „Dies ist verständlich, da sich hier die Parameter, wie zum Bespiel die Preise auf dem Markt oder das Verhalten von Wettbewerbern, häufig ändern. Ein systematisches Monitoring wird dadurch komplexer und aufwändiger", so Ulrich Hanfland, Risikomanagement-Experte aus dem BDU-Fachverband Unternehmensführung + Controlling.
Mit den Instrumenten, die von den Unternehmen mit Risikomanagementsystemen verwendet werden, sind die Unternehmensberater durchaus zufrieden. Die Befragung ergab über die einzelnen Stufen hinweg folgendes Bild (nach Häufigkeit der Nennungen):
Bei der Risikoanalyse:
- Analysen durch Interviews, Fragebogen, Unterlagen
- ABC-Analyse (Ordnungsverfahren zur Klassifizierung einer großen Anzahl von Daten, z.B. von Erzeugnissen, Kunden oder Prozessen)
- Monitoring-Teams
Bei der Risikoplanung:
- Planbilanzen
- Budgetierung
- Aktionspläne
Bei der Risikoüberwachung:
- Verfahrens- und Arbeitsanweisungen
- Management-Reviews
- Vorgabe von Obergrenzen
Managementstrukturen müssen angepasst werden
Dabei sind diese Unternehmen auch bereit, die Managementstrukturen, das Planungssystem oder die Berichts- und Informationssysteme an die Anforderungen des Risikomanagement-Systems anzupassen. So ist beispielsweise das Reporting ein Bestandteil der operativen Abläufe und wird durch spezielle Software unterstützt. Weiterhin sieht die gelebte Unternehmenspraxis vor, dass die Überschreitung von Schwellenwerten oder Obergrenzen weitergemeldet wird. Konsequenterweise befasst sich die Geschäftsführung monatlich oder vierteljährlich mit den Ergebnissen. Das Top-Management legt auch die Risikopolitik fest, schafft das Risikobewusstsein und fungiert als Ansprechpartner für Externe. Die Fachbereiche verantworten in der Regel die Entscheidungsvorbereitung, die Entwicklung der Systeme und die Realisierung der Maßnahmen. Dort wo es einen Risikomanagement-Ausschuss gibt, unterstützt dieser die operativen Einheiten und sorgt für die Abstimmung der Maßnahmen und Berichte. Allerdings existiert ein solches Gremium nur bei einem Drittel der Unternehmen mit Risikomanagementsystem. Häufiger - und noch vor der Innenrevision - wird das Qualitätsmanagement dann hierfür eingesetzt.
Hintergrund zur Studie
Grundlage der Managementbefragung „Risikomanagementsysteme (RMS) im Mittelstand 2006/2007" waren 103 persönliche Interviews, die von Beratern des BDU-Fachverbandes Unternehmensführung + Controlling mit Entscheidungsträgern aus ausgewählten Klientenunternehmen von Mitte 2006 bis Anfang 2007 geführt wurden. Insgesamt wurden 37 Fragen zu den folgenden Kategorien behandelt: Strategie und Politik, Risikoarten, Instrumente, Reporting, Organisatorische Einordnung sowie Erfüllung der Anforderungen gemäß des Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG). Ziel war es, herauszufinden, inwieweit sich die Einstellung zu und die Handhabung von RMS in den letzten Jahren verbessert hat. Die Größenordnung der ausgewerteten Unternehmen lag überwiegend bei über 15 Mio. € Jahres-umsatz (67 Prozent) und bei einer Beschäftigtenanzahl von über 100 (65 Prozent).
Unterschiede in der Rechtsform waren nicht signifikant: Insgesamt lagen die Personengesellschaften mit 57 Prozent vorn, bei den Unternehmen mit einem eingeführten RMS betrug der Anteil der Kapitalgesellschaften hingegen 53 Prozent. Hinsichtlich der Branchenzugehörigkeit ergaben sich keine Schwerpunkte.