Welcome to the jungle!

Volatilitätsstrategien als Fluch und Segen


Welcome to the jungle! Volatilitätsstrategien als Fluch und Segen Kolumne

Die Vielfalt der am Markt befindlichen Volatilitätsstrategien ist Fluch und Segen zugleich. Auf der einen Seite erhalten Investoren durch unterschiedliche Investitions- und Handelsansätze einen diversifizierten Zugang zu einer jungen Asset-Klasse. Auf der anderen Seite führt die Mannigfaltigkeit an Strategievarianten in einem erklärungsbedürftigen Nischensegment zu mangelnder Transparenz bei Investoren. Eine unzureichende Kommunikation hinsichtlich Mehrwert und Einsatzgebiet können trotz vorhandener Strategien und liquider Marktinstrumente zum Bedeutungsverlust einer Asset-Klasse führen.
Hinsichtlich effektiver Kommunikation und der Verankerung von Volatilitätsinvestments als strategischem Bestandteil des Portfolios ist uns der US-amerikanische Kontinent ein gutes Stück voraus. Sucht man nach dem Schlagwort "VIX" in Google, so erhält man über 25 Mio. Treffer. Für das europäische Pendant "VSTOXX" erhält man lediglich knapp über 60.000 Suchergebnisse. Sicherlich stellt der genannte Vergleich keine profunde Analyse der europäischen Volatilitätslandschaft dar, spiegelt jedoch unser derzeitiges Empfinden wider.

Im Folgenden wollen wir einen Überblick über die verschiedenen Volatilitätsstrategien und deren Einsatzgebiete geben. Investitionen in Volatilität lassen sich im Wesentlichen in drei Kategorien einteilen: Long- und Short-Volatilitätsstrategien sowie Relative Value-Ansätze.

Long-Volatilitätsstrategien profitieren definitionsgemäß von steigenden realisierten und impliziten (am Markt handelbaren) Volatilitäten. Statistisch lässt sich zeigen, dass die Entwicklung der Aktienmärkte und die entsprechenden Änderungen der impliziten Volatilitäten stabil negativ korreliert sind. Mit einer realisierten Korrelation zwischen den beiden Anlageklassen von unter -80 Prozent zeigt sich die komplementäre Eigenschaft von Long-Volatilitätsstrategien im Hinblick auf ein traditionelles Aktienportefeuille.

Um ein Gefühl für die Eigenschaften zu vermitteln, welche Long-Volatilitätsstrategien im Portfolio entfalten können, haben wir in der folgenden Abbildung eine Investition in den S&P 500-Index mit einem Long Volatility Overlay (LVO) kombiniert.

Quelle: Bloomberg, Morgan Stanley

Die Ausgestaltung des hier angewandten LVO ist weder sophistiziert noch in Bezug auf etwaige Marktparameter optimiert. Ziel der Darstellung ist vielmehr den qualitativen Effekt zu veranschaulichen, welches ein LVO im Portfolio erzielen kann.

Die Krisen der letzten Jahre belegen deutlich, dass sich positive Wertbeiträge eines LVO "von heute auf morgen" im Portfolio entfalten. Verluste verlaufen demgegenüber eher schleichend.

Darüberhinaus ist zu bemerken, dass der absolute Ergebnisbeitrag des LVO zum Gesamtportfolio in Krisenzeiten signifikant ist. Ein Portfolio-Manager, dessen Performance an den S&P 500 gekoppelt ist, konnte mit einem entsprechend skalierten LVO in der Spitze über 15 Prozent zu seiner Benchmark verdienen. Dieser Mehrertrag ermöglichte es Entscheidern, insbesondere in volatilen Marktphasen, auftretende Opportunitäten mit Nachdruck zu verfolgen.

Isoliert betrachtet verursacht das dargestellte LVO Kosten in Höhe von ca. 1,3 Prozent p. a. Jene Kosten berücksichtigen jedoch nicht den Umstand, dass Entscheider durch das LVO in die Lage versetzt werden, in turbulenten Marktphasen eine Re-Allokation des Portfolios mit dem notwendigen Rückwind umzusetzen. Jene theoretischen Opportunitätsgewinne lassen sich nur schwer quantifizieren. Weiterhin können die Kosten eines LVO reduziert werden, indem die entsprechende Allokationsquote nach dem Eintritt eines Extremereignisses reduziert wird.

Die Zielfunktion eines LVO ist simpel: Bei steigenden Volatilitäten muss ein nennenswerter Ertrag im Portfolio ersichtlich sein! Die konkrete instrumentarische Ausgestaltung eines LVO ist demgegenüber komplex. Terminbörsen und Banken bieten ein breites Spektrum von Marktinstrumenten an: Aktienoptionen, Optionen und Futures auf Volatilitätsindizes, Volatilitäts- bzw. Varianzswaps sowie exotische OTC-Derivate, in welchen sich faktisch jedes denkbare Marktszenario verpacken lässt. In jüngster Vergangenheit führte die Terminbörse Eurex mit den Varianz-Futures auf den EURO STOXX 50-Index ein weiteres Volatilitätsinstrument ein.

Hat man sich für ein Marktinstrument im Rahmen seines individuellen LVO entschieden, stellt sich die Frage nach den Fälligkeitsterminen der Termingeschäfte sowie der hiermit verbundenen Handelsfrequenz.

Willkommen im Dschungel der Volatilitätsstrategien!

Short-Volatilitätsstrategien profitieren definitionsgemäß von fallenden realisierten und impliziten Volatilitäten. Insbesondere erhoffen sich Verkäufer von Volatilität die am Markt quotierte "Volatilitätsprämie" dauerhaft zu vereinnahmen. Aufgrund der zuvor erläuterten negativen Beziehung zwischen Aktienmärkten und Volatilität eignet sich ein Short Volatility Overlay (SVO) nur bedingt als Element der Portfoliodiversifikation. Vielmehr ist es als alternatives Beta zum Aktienmarkt zu betrachten.

Die unten stehende Abbildung kontrastiert ein typisches SVO auf den S&P 500-Index mit einer Direktinvestition in ein entsprechendes Aktienportefeuille. Die qualitative Betrachtung des Verlaufs beider dargestellten Investitionen legt nahe, dass die Ertragserwartung an ein SVO maßgeblich von der Entwicklung der Aktienkurse abhängt.

Quelle: Bloomberg, Morgan Stanley

Analog zu Long-Volatilitätsstrategien ergeben sich di-verse Varianten im Hinblick auf die konkrete instrumentarische Ausgestaltung der jeweiligen Short-Volatilitätsstrategie.

In Erweiterung zur Kernstrategie sollte ein SVO mit einer Absicherung gegen Crash-Szenarien ausgestattet sein. Ziel ist es, Phasen abrupt steigender Marktvolatilität möglichst unbeschadet zu überstehen. Dies erfordert ein erfahrenes Portfolio sowie Risk Management auf Seiten des Asset-Managers.

Relative-Value-Ansätze im Volatilitätsbereich beabsichtigen, die an den Volatilitätsmärkten auftretenden Ungleichgewichte langfristig zu monetarisieren. Oftmals kommen innerhalb derartiger Ansätze Long- und Short-Volatilitätskonzepte synchron zum Einsatz.

Relative Value-Strategien stellen sowohl an Asset-Manager als auch an Investoren große Herausforderungen. Auf der Seite des Asset-Managers erfordert die Umsetzung jener Strategien eine sophistizierte IT-Infrastruktur sowie eine hohe Sicherheit im Hinblick auf die genutzten finanzmathematischen Bewertungsmodelle. Nur unter diesen Rahmenbedingungen lassen sich die an den Volatilitätsmärkten auftretenden Ungleichgewichte im Portfolio implementieren.

Investoren sollten ein gutes Verständnis der Marktmikrostruktur der Volatilitätsmärkte besitzen, um die Wertentwicklung entsprechender Konzepte zu verstehen und beurteilen zu können.

Ein konkretes Beispiel für einen Relative Value-Ansatz ist das sog. "Selective Dispersion Trading". Hierbei wird Volatilität auf ausgewählte Einzelwerte gekauft, welche durch den synchronen Verkauf von Indexvolatilität finanziert wird. Charakteristisch für diesen Strategieansatz ist die Möglichkeit, eine positive Carry mit einem Long-Volatilitätsbias zu kombinieren.

Zuletzt möchten wir auf die sogenannten Prämienstrategien verweisen, welche in der Praxis häufig mit Volatilitätsstrategien verwechselt werden. Die unsaubere Trennung von Prämien- und Volatilitätsstrategien ist der Tatsache geschuldet, dass beide Ansätze vornehmlich Derivate zur Ertragserzielung einsetzen.

Während der Ertrag von Volatilitätsstrategien primär von der Entwicklung realisierter und impliziter Volatilitäten abhängt, besitzen Prämienstrategien in der Regel ein direktionales Kursrisiko. Eine der bekanntesten Prämienstrategien ist das sog. "Overwriting", wobei (aus dem Geld liegende) Call bzw. Put-Optionen auf ausgewählte Basiswerte verkauft werden. Im Idealfall verfallen die leer verkauften Optionen wertlos, so dass die entsprechenden Prämien vollständig vereinnahmt werden können.

Um sich im Dschungel derivativer Anlagestrategien nicht zu verlieren, stellen sich für einen geneigten Investor im Rahmen der Entscheidungsfindung folgende Fragen:

  • Soll die derivative Anlagestrategie eine komplementäre Ergänzung zum bestehenden Portfolio sein oder vielmehr ein alternatives Beta in der Allokation darstellen?
  • Soll das Portfolio aktiv durch einen Manager verwaltet werden oder vertraut man einem vollständig systematisierten Allokationsmechanismus?
  • Wie teuer darf die Absicherungskomponente auf Jahresbasis im Zweifel sein?
  • Wie viel darf ein SVO bzw. eine Prämienstrategie im schlimmsten Fall verlieren? Wie erfolgt die Absicherung von Crash-Szenarien?
  • Ist man bereit eine erhöhte Produktkomplexität zugunsten eines vermeintlich interessanteren Chancen-/Risikoprofils zu akzeptieren?

Autor:

Tobias Knecht ist Portfolio Manager bei Assenagon. In dieser Funktion ist er für volatilitätsbasierte Absolute-Return-Produkte verantwortlich.Tobias Knecht ist Portfolio Manager bei Assenagon. In dieser Funktion ist er für volatilitätsbasierte Absolute-Return-Produkte verantwortlich. Zuvor war er als Derivatehändler bei der Credit Suisse im Bereich Global Arbitrage Trading (GAT) tätig. Sein Hauptfokus lag hierbei auf der Entwicklung von systematischen Arbitrage-Strategien im Bereich impliziter Aktienvolatilitäten. Von 2005 bis 2009 war der studierte Wirtschaftsinformatiker bei der HypoVereinsbank (UniCredit Group) als Händler für exotische Aktienderivative tätig. Darüber hinaus absolvierte er erfolgreich das Certificate in Quantitative Finance Program.

[ Bildquelle Titelbild: © kantver - Fotolia.com ]
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