Reputationsrisiko

Vom Risiko zum Covidiot abgestempelt zu werden


Reputationsrisiko: Vom Risiko zum Covidiot abgestempelt zu werden Kolumne

Lockdown, Hamstern, Social Distancing, Geisterspiele, Shutdown, Ausgangsbeschränkungen, Corona-Leugner, Covidiot, Letalitätsrate und so weiter. In der aktuellen Zeit der Corona-Krise gibt es in vielen Sprachen Wortneuschöpfungen, die versuchen die in dieser Zeit prägenden Dinge, Tätigkeiten und Verhältnisse zu erfassen und in neuen Wörtern auszudrücken.

Corona ist ein weltumspannendes Krisen-Ereignis und auch die Wortneuschöpfungen oder die für diese Zeit prägenden Wörter sind fast allesamt nur negativ besetzt – wie die oben genannten Beispiele. Dies zeigt aber auf beeindruckende Weise, wie schnell eine Sprache neue Begebenheiten in ihren Wortschatz und ihre Grammatik integrieren kann. Es ist eben kein Zeichen von Schwäche oder "Sprachpanscherei" (wie beispielsweise der Verein Deutsche Sprache meint), wenn aktuell beispielsweise aus dem Englischen entlehnte Begriffe wie Social Distancing oder Lockdown im Deutschen verwendet werden. Es ist eher ein Zeichen für die schöpferische Dimension der Sprache. Deutsch kann diese Wörter anstandslos in seine Alltagssprache integrieren, was für seine Vitalität und Lebendigkeit spricht. Umgekehrt wirkt auch das Deutsche auf andere Sprachen und produziert so wunderbar bildhafte Wörter wie Geisterspiele oder Hamstern.

Sprache kann neben der reinen Beschreibung und Einordnung von Neuem aber auch ein mächtiges Instrument sein, um unsere Gedanken und Haltungen zu beeinflussen und dadurch zu instrumentalisieren oder politisch zu lenken.

Covidiot: Alle Sichtweisen abseits des politisch definierten Mainstreams

Ein beeindruckendes Beispiel, das in kürzester Zeit seinen Siegeszug um die Welt angetreten hat, ist das Wort Covidiot. Ein Neologismus (Wortneuschöpfung) aus den beiden Substantiven Covid-19 und Idiot. Man nennt dieses Zusammenziehen von zwei Wörtern auch Kontamination oder Portmanteauwort (andere Beispiele sind Brexit, Infotainment, Teuro, Denglisch, Brunch). Zwei Ausdrücke werden dabei zu einem Wort vermischt, um absichtlich eine bewusste Wirkung zu erzielen. In vorliegendem Fall werden hier zwei bereits negativ besetzte Wörter (Covid = Krankheit + Idiot = Idiotie, Dummheit, Blödheit) zu einem mächtigen Verbündeten. Covidiot wurde ursprünglich dazu verwendet, Menschen zu bezeichnen, die sich nicht an die von Regierungen vorgegebenen Maßnahmen halten, wie beispielsweise Abstand halten oder Klopapier hamstern. Inzwischen hat sich die Bedeutung jedoch erweitert. Jetzt werden damit auch Menschen und sogar Wissenschaftler diskreditiert, die nicht der Meinung sind, dass alle von den meisten Regierungen implementierten Maßnahmen wie gesellschaftlicher Lockdown oder Maskenpflicht zielführend, verhältnismäßig oder überhaupt notwendig sind. Der Begriff wird nun dazu verwendet, um ebensolche anderen Meinungen und Menschen, die diese Standpunkte vertreten, zu diskreditieren und eben als "krank" und "idiotisch" darzustellen. Eine Diskussion, ein wissenschaftlicher und interdisziplinärer Diskurs und womöglich eine Kompromisslösung wird somit ausgeschlossen und eine Debatte findet nicht statt.

Covidiot ist so zu einem politisch motivierten Kampfbegriff mutiert, um Gegner zu verunglimpfen. Das Wort spielt mit unseren negativen Assoziationen und unser Gehirn kann sich dem nur schwer entziehen. Nicht umsonst haben und hatten autoritäre Regime immer Angst vor der Macht der Sprache, der Macht von Gedichten, Liedern oder freiem Journalismus und versuchten diese mundtot zu machen. Sie haben dann meistens selbst versucht durch Sprache die Menschen zu beeinflussen und Gedanken unbewusst zu lenken. George Orwell hat dies treffend in seiner Dystopie 1984 anhand des "Neusprech" (engl. "newspeak") beschrieben.

Autor:
Rainer Schlötterer
ist Gründer und Geschäftsführer von RS_Globalization Services GmbH & Co. KG und beschäftigt sich mit linguistischen Fragestellungen. Vertieftes Studium Englisch und Russisch für Lehramt an Gymnasien. Abschluss 1. Staatsexamen für Lehramt an Gymnasien.

 

[ Bildquelle Titelbild: Adobe Stock / khaled ]
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