Oberstleutnant i. G. Thorsten Kodalle, Dozent für Sicherheitspolitik an der Führungsakademie der Bundeswehr, stellt die Frage, ob die Welt heute noch kontrollierbar sei? Seiner Meinung nach nein. Vieles entsteht und überrascht uns mit Vorhersagezeiträumen von maximal drei Monaten. Kodalle nennt dies auch mit Blick auf die teils unkontrollierbaren Handlungssprünge von US-Präsident Donald Trump. Für Kodalle steht Deutschland bei all diesen Unsicherheiten in der Mitte mit seinen starken Energieverflechtungen zu Russland, den Handelsverflechtungen zu China und der verteidigungspolitischen Abhängigkeit von den USA.
Militärpolitisch sei alles schwer absehbar. Eine Möglichkeit zur Klärung von Konflikten sieht Kodalle mit Verweis auf den Vortrag von Günther Schmid, ehemals Mitarbeiter beim Bundesnachrichtendienst (BND) und Professor für Internationale Politik und Sicherheit an der Beamtenhochschule, auf regionaler Ebene. Sprich erst einmal im kleinen Rahmen beginnen und nicht gleich auf der großen geopolitischen Bühne sein Glück versuchen, um Stabilität zu schaffen.
Mit Blick auf Führung im digitalen Zeitalter gelten die klassischen Führungsgrundsätze. Der Umgang mit Ungewissheit besteht auch und gerade im digitalen Zeitalter. Aber es braucht digitale Führungsintelligenz, um mit der Schnelllebigkeit umzugehen. Denn wir haben immer mehr Daten und immer wenige Zeit. Wichtig sei eine wertebasierte Führungsfähigkeit, um Entscheidungen zu treffen. Und diese Führungsentscheidungen müssen immer wieder angepasst werden. Eine analytische Methode bildet das sogenannte "Wargaming", um eigene Ideen zu reflektieren.
Im Rahmen des RiskNET Summit zeigte Kodalle in seinem Vortrag zum Thema Wargaming, wie dieses methodische Analysetool die Entscheidungsfindung im Risikomanagement unterstützen kann. Der Definition von Wargaming (TK M&S) folgend handelt es dabei um ein Verfahren im Planungsprozess zum Untersuchen, Analysieren, Bewerten und Vergleichen von Handlungsmöglichkeiten. Als Ausbildungsmittel können mithilfe der Wargaming-Methode Risiken minimiert und die Awareness gesteigert werden. Das Ziel ist es, vermeidbare Fehler im Vorfeld auszuschließen.
Das Besondere am Wargaming ist, dass hier die Simulation einen spielerischen Charakter hat. Gleichzeitig erlaubt ein Wargame jedoch den Teilnehmern, ihre Emotionen und Neigungen mit einzubringen und die Entscheidungen zu erleben. So geschehen im Rahmen einer computergestützten Simulation durch Thorsten Kodalle. Mithilfe eines "Military Wargaming" zeigte der Oberstleutnant, wie im militärischen Umfeld eine Simulationsunterstützung strategische Entscheidungen unterstützt.
Für Kodalle gab es im Rahmen des RiskNET Summit viele Anknüpfungspunkte für die eigene Arbeit – von der Geopolitik bis zur Statistik und dem Thema Blackout-Szeanrio. Die große Bandbreite und die Ganzheitlichkeit der Themen sei seiner Meinung nach ein großes Plus der Veranstaltung. Gleiches zähle für das Thema Cybersicherheit oder ein potenzielles Umweltereignis. Die Multiplikatorwirkung könne über eine solche Plattform genutzt werden. Es geht um "Risk Awareness" aller und letztendlich um die Resilienz der Gesellschaft. Und die entsteht, indem jeder Bürger sich Gedanken über existierende Notfallpläne macht und diese auch beherzigt. Denn es gehe nicht darum, dass oben jemand eine Konzeption zur zivilen Verteidigung schreibt.
Die Bürger müssen umsetzen, was dort steht. Denn es geht um eine Basissicherheit. Kodalle nennt das Beispiel Wasserversorgung und die Bevorratung für ein paar Tage. Denn in einer Krise wird eben in den ersten Tagen niemand vorbeikommen und Wasser bringen. Wenn nur fünf Prozent in der Bevölkerung das beherzigen, tun es 95 Prozent nicht. Und das kann in einer Krise massive negative Auswirkungen haben.
Andere Länder, wie beispielsweise die Ukraine, üben einen Stromausfall. Kodalle nennt dies auch mit Verweis auf das Innenministerium als ein plausibles Szenario für Deutschland. Das heißt, es ist keine Utopie, sondern durchaus denkbar. Doch gerade der sensible Bereich eines Stromausfalls sieht Kodalle mit einem sogenannten "Verletzlichkeitsparadoxon" in Deutschland versehen. Denn einerseits ist Deutschland eines der stromsichersten Länder der Welt, aber andererseits ist das Land mental schlecht auf einen möglichen Blackout vorbereitet.
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