Wie wird aus einer Staatsschuldenkrise eine Banken- und dann eine allgemeine Wirtschaftskrise? Genau das ist in den letzten zwei Jahren im Euroraum geschehen. Zuerst waren es nur die Staatsschulden, die Sorgen machten. Dann wurden plötzlich die Banken schwach. Und jetzt fürchten viele, dass die gesamte Währung auseinanderfallen könnte und dass es eine große Rezession gibt. So etwas hatte am Anfang niemand auf dem Radarschirm.
Der übliche Übertragungsweg solcher Krisen ist relativ einfach. Die hohen Staatsschulden werden zu einem großen Teil von den Banken gehalten. Banken brauchen diese Papiere zur Refinanzierung bei der Notenbank. Zudem müssen sie dafür – anders als für Kredite an die Unternehmen – kein Eigenkapital vorhalten (aufgrund der aufsichtsrechtlichen Regelungen). Wenn sich nun die Bonität der Staaten verschlechtert, wie zuerst in Griechenland und dann in anderen Staaten geschehen, dann steigen die Renditen dieser Papiere und die Kurse fallen. Wertberichtigungen werden erforderlich. Die Banken haben weniger Geld um Kredite an Unternehmen auszuleihen.
Es sollte also niemand überrascht sein, wenn aus einer Staatsschulden- eine Bankenkrise wird. Aber dass es so heftig kommt, wie dies in den letzten Monaten geschah, war nicht erwartet worden. Immerhin hatten die Kreditinstitute einen Teil ihrer Staatspapiere in der Zwischenzeit an die Europäische Zentralbank verkauft und damit ihre Bilanzen entlastet. Es musste also noch etwas anderes dazu kommen, was die Krise so verstärkt hat.
Das war in der Tat der Fall. Es war das sogenannte PSI-Programm (Private Sector Involvement), also der Beschluss, dass die Banken auf 50 Prozent ihrer Griechenland-Forderungen "freiwillig" verzichten sollten.
An sich ist diese Idee nicht abwegig. Die Rettungsaktion wird auf breitere Schultern verteilt. Zudem können die Politiker den schwarzen Peter an Institutionen weitergeben, die in der Öffentlichkeit nicht so gut angesehen sind. Die Banken sind indirekt an der Entstehung der Schulden beteiligt, weil sie die Papiere damals kauften und damit die Defizite ermöglichten.
Durch das PSI erhöhen sich freilich die Lasten der Banken. Damit daraus keine Gefährdung des Finanzsystems insgesamt wird, beschlossen die Staats- und Regierungschefs, die Anforderungen an die Eigenkapitalausstattung der Banken zu erhöhen. Damit sollten die Häuser in die Lage versetzt werden, auch größere Abschreibungen zu verkraften. Freilich wurden damit nicht nur Institute belangt, die griechische Papiere in ihrem Portefeuille hielten und damit einen Verzicht leisten sollten, sondern alle. Damit stand mit einem Mal die Kreditwirtschaft insgesamt unter Stress.
Was war die Folge? Angesichts der schlechten Verfassung der Kapitalmärkte sind die Banken nicht in der Lage, das zusätzliche Kapital bei den Aktionären zu bekommen. Zum Staat wollen sie aufgrund der Erfahrungen im Jahr 2009 aber auch nicht gehen. Also bleibt nur der Weg, Vermögensgüter zu verkaufen, die nicht unbedingt zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes notwendig sind und das Aktivgeschäft zurück zu fahren.
Gerade letzteres führt derzeit zu erheblichen Schwierigkeiten. Zum einen erwerben die Banken keine oder nur noch wenige Neuemissionen an Staatspapieren. Die Refinanzierung der Haushaltsdefizite wird noch schwieriger. Das gilt nicht nur für die "Sünderstaaten", sondern auch für Deutschland. Die Renditen für Bundesanleihen sind in den letzten Wochen zeitweise um mehr als einen halben Prozentpunkt gestiegen. Sie lagen vorübergehend über denen für britische Gilts und amerikanische Treasuries, obwohl diese Länder selbst eine höhere Staatsverschuldung haben. Die Eurokrise hat sich verschärft.
Gleichzeitig reduzieren die Banken aber auch ihr Kreditgeschäft mit privaten Kunden. Das bremst die Konjunktur. Eine Zeit lang haben sich größere Unternehmen damit beholfen, sich am Kapitalmarkt über Anleihen und Schuldscheine Geld zu besorgen. Kleine und mittlere Firmen konnten auf Reserven zurückgreifen, die sie in der Zeit der guten Konjunktur angesammelt hatten. Das geht aber nicht auf Dauer.
Insgesamt wird durch das PSI also nicht nur die Staatsfinanzierung verteuert. Auch viele Banken wurden schwach. Sie müssen zum Teil Arbeitsplätze abbauen. Und es gibt eine Kreditklemme, die die Wirtschaft in eine Rezession zu treiben droht.
Was ist zu tun? Am Besten wäre es natürlich das PSI insgesamt aufzugeben. Die Kreditwirtschaft wäre zwar nicht auf einen Schlag wieder gesund. Sie muss nach wie vor Wertberichtungen auf die Staatspapiere vornehmen. Sie muss auch die schon überfälligen Maßnahmen zur Restrukturierung ihres Geschäfts realisieren. Aber es gäbe weniger Druck im Kessel. Leider wird das aber nicht gehen. Es gehört jedoch zu den erfreulichen Entwicklungen der letzten Tage, dass die deutsche Bundeskanzlerin ihre Haltung zum PSI offenbar etwas gelockert hat. Gläubiger sollen – anders als bisher vorgesehen – in Zukunft nicht mehr zur Beteiligung am Schuldenschnitt gezwungen werden. Wie man mit der "freiwilligen" Vereinbarung im Falle Griechenlands umgeht, wenn die erwünschte Beteiligung nicht erreicht werden sollte, ist offen.
Autor: Dr. Martin W. Hüfner, Chief Economist, Assenagon Asset Management S.A.
[Bildquelle: iStockPhoto]
Kommentare zu diesem Beitrag
Der Druck auf Deutschlands zweitgrößte Bank steigt von Tag zu Tag. Erst betrug die Kapitallücke bei der Commerzbank nach Berechnungen der Europäischen Bankenaufsicht EBA 2,94 Mrd EUR. Seit gestern Abend steht fest: Das zu stopfende Loch ist sogar 5,3 Mrd EUR groß. Erwartungsgemäß geht mit jeder neuen Hiobsbotschaft die Aktie der Commerzbank in die Knie - am Donnerstag allein bis zu 11,3%. Aber trotz der wiederholten Tiefschläge, die die Bank wegstecken muss, hat der Kampfgeist die Frankfurter Banker noch nicht verlassen. Sie bleiben dabei: "Wir haben weiterhin nicht vor, zusätzliche öffentliche Mittel in Anspruch zu nehmen", sagte Finanzvorstand Eric Strutz am Donnerstag.
Stattdessen sollen die Risikoaktiva der Bank bis zum 30. Juni 2012 um bis zu 30 Mrd EUR reduziert werden, was den Bedarf an zusätzlichem Eigenkapital um bis zu 2,7 Mrd EUR verringert. Zudem kauft die Bank aktuell eigene Anleihen im Volumen von bis zu 1,2 Mrd EUR zurück. Dadurch könnte das harte Kernkapital um bis zu 600 Mio EUR gestärkt werden. Und schließlich hat die Commerzbank die Möglichkeit, mit dem Verkauf nicht-strategischer Aktiva, einbehaltenen Gewinnen und forciertem Kostenmanagement das Eigenkapital zu stärken. Gemäß den Vorgaben der EBA ist auch die Begebung von Eigenkapitalinstrumenten eine Option.
Ein Analyst bleibt trotzdem skeptisch. "Die geplanten Maßnahmen funktionieren nur, wenn das Marktumfeld stimmt", sagte er am Freitag. Er hält es für unwahrscheinlich, dass es der Bank gelingen könnte, eine Kapitalerhöhung durchzubringen. "Ich hatte darauf gehofft, dass die Kapitallücke kleiner ausfallen würde. Aber mit einem Bedarf von 5,3 Mrd EUR ist die Wahrscheinlichkeit, dass man den Bankenrettungsfonds Soffin in Anspruch nehmen muss, definitiv gestiegen", sagte der Analyst.
Und auch Michael Rohr, Analyst bei Silvia Quandt Research, schreibt: "Wir befürchten, dass es der Commerzbank nicht gelingen könnte, genügend risikogewichtete Anlagen und unprofitable Unternehmensteile für einen guten Preis bis Juni 2012 abzustoßen." Es müsse sich zeigen, ob die Commerzbank in der Lage sei, dem Druck von Außen stand zu halten. Den kürzlich angekündigten Rückkauf eigener Anleihen wertet Rohr als einen ersten Schritt in die richtige Richtung. "Aber er ist zu klein um die anstehenden Probleme zu lösen", schreibt Rohr.
Und die Zeit rinnt Commerzbank-Chef Martin Blessing unerbittlich wie Sand durch die Finger. Schließlich muss er die Vorgaben der EBA, eine harte Kernkapitalquote von 9% vorzulegen, bis zum 30. Juni 2012 erreichen. Ihm bleiben als noch knapp sechs Monate. Dass er auch harte und ungewöhnliche Maßnahmen nicht scheut, hat Blessing schon bewiesen. So stellte er das Neugeschäft bei der Eurohypo komplett ein und beschränkte die Kreditvergabe in seinem eigenen Haus auf die Kernregionen Deutschland und Polen.
Analysten spekulieren daher schon darauf, dass die Commerzbank sich gewinnbringend von profitablen Beteiligungen trennen könnte. Besonders im Fokus sind dabei die profitablen Tochterunternehmen comdirect oder der polnischen BRE Bank. Bis vor kurzem hatte die Commerzbank einen solchen Verkauf noch kategorisch ausgeschlossen, aber kürzlich bestätigte ein Insider, dass auch über eine solche Maßnahme nachgedacht werde. An der BRE Bank hält die Commerzbank aktuell 70%; an der comdirect 80%. Wenn beide Beteiligungen auf rund 51% reduziert würden, könnte das Unternehmen rund 800 Mio EUR einnehmen. Etwa 3 Mrd EUR könnte ein kompletter Verkauf beider Beteiligungen bringen. Und der Aufwand wäre gering, da beide Unternehmen bereits an der Börse notiert sind.
Jeder Tag der verstreicht, könnte Blessing somit der Entscheidung näher bringen, diese beiden Töchter zumindest teilweise zu verkaufen. Schließlich wird in Berlin derzeit darüber beraten, den Bankenrettungsfonds Soffin zu reaktivieren. Darüber hinaus soll er die Möglichkeit erhalten, deutsche Kreditinstitute künftig im Fall von Finanzierungsschwierigkeiten notfalls auch gegen ihren Willen zwangsweise mit Kapital zu versorgen. Und das will Blessing schließlich mit aller Gewalt verhindern.
Das Geschäftsklima der gewerblichen Wirtschaft Deutschlands hat sich im Dezember trotz der anhaltenden Schuldenkrise und der globalen Konjunkturabkühlung aufgehellt. Wie das Münchener ifo Institut für Wirtschaftsforschung am Dienstag im Rahmen seines monatlichen Konjunkturtests mitteilte, stieg der Geschäftsklimaindex auf 107,2 Punkte, nachdem der wichtigste deutsche Konjunkturfrühindikator im Vormonat bei 106,6 gelegen hatte. Von Dow Jones Newswires befragte Volkswirte hatten hingegen einen Rückgang auf 106,0 erwartet.
"Die deutsche Wirtschaft scheint dem Abschwung Westeuropas erfolgreich zu trotzen. Insofern ist für Weihnachten Gutes zu vermelden", sagte ifo-Präsident Hans-Werner Sinn. Der Index zur Beurteilung der aktuellen Lage der rund 7.000 befragten Unternehmen stagnierte im Dezember mit 116,7 Punkten auf dem Stand des Vormonats. Die Prognose der Ökonomen hatte auf einen Stand von 116,0 gelautet. Der Index für die Geschäftserwartungen stieg überraschend auf 98,4 Zähler von 97,3 im Vormonat, während die befragten Volkswirte einen Rückgang auf 97,2 erwartet hatten.
"Im verarbeitenden Gewerbe ist das Geschäftsklima unverändert geblieben. Die Industrieunternehmen bewerten ihre aktuelle Geschäftslage zwar als etwas weniger gut als im November. Von einem Absturz wie im Jahr 2008 kann aber nicht die Rede sein", erklärte Sinn. Vielmehr zeigten sich Stabilisierungstendenzen. Für das kommende halbe Jahr schätzten die Unternehmen ihre Perspektiven sogar als etwas günstiger ein. Auch im Auslandsgeschäft würden wieder mehr Chancen gesehen. Das Übergewicht der Unternehmen, die ihren Mitarbeiterstamm erhöhen wollen, sei allerdings etwas kleiner geworden.
Der Geschäftsklimaindex stieg im Großhandel etwas und im Einzelhandel deutlich. "In beiden Handelsstufen wird die Geschäftslage positiver bewertet als bisher", ergänzte der ifo-Präsident. Zudem seien die Erwartungen der Groß- und der Einzelhändler zuversichtlicher. "Das spricht für ein gutes Weihnachtsgeschäft", sagte Sinn.
Im Bauhauptgewerbe hat sich das Geschäftsklima noch weiter verbessert. Die befragten Bauunternehmen berichteten von einer etwas günstigeren Geschäftslage als im November. Im Hinblick auf die Geschäftsentwicklung in den nächsten sechs Monaten seien sie zudem hoffnungsvoller.