Vergütungssysteme in den neuen MaRisk

Von Karotten, die in die falsche Richtung weisen


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Eine wesentliche Neuerung der Mindestanforderungen an das Risikomanagement in Banken (MaRisk) sind die Regelungen zu Vergütungssystemen, denen sich dieser Beitrag widmet. Wer kennt nicht das Bild vom Kutscher, der zufrieden auf seinem Kutschbock schlummert, während sein vorgespanntes Pferd die Kutsche zieht, gelockt von einer Karotte, die an einer Rute nahe, aber unerreichbar vor seinem Maul baumelt und gewissermaßen den Weg weist. Es ist eine verlockende Vorstellung, die Interessen des ziehenden Pferdes (Karotte) mit den Interessen des Kutschers (Erreichen des richtigen Zielortes) in Einklang zu bringen. Doch ein verantwortungsvoller Kutscher kann sich nicht erlauben, ein Schläfchen zu machen: Denn der Weg kann sich teilen, die Karotte in die falsche Richtung weisen oder frischer Klee am Wegesrand locken, so dass das Gespann den rechten Weg verlässt.

Die "Kutscher" selbst sind zu der Überzeugung gelangt, dass die Vergütungssysteme ein Auslöser der andauernden Finanzkrise gewesen sind. Dies ist ein Ergebnis der Umfrage der Finanzindustrie, namentlich des Institute of International Finance (IIF), laut dessen Bericht "Compensation in Financial Services" vom März dieses Jahres 98 Prozent der befragten Institute diese Einschätzung vertraten. Dieser Einschätzung zum Trotz scheint allerdings keine Umkehr bei der Vergütungspraxis in Sicht. Der New Yorker Generalstaatsanwalt Andrew Cuomo kritisierte erst kürzlich, dass einige große amerikanische Banken, die vom amerikanischen Steuerzahler massiv gestützt werden mussten, Milliarden-Boni an ihre Mitarbeiter auszahlten. Diese Bonuszahlungen überstiegen den Gewinn der Institute teilweise um das Doppelte. Aber auch in Deutschland gibt es prominente Negativbeispiele, die für Unverständnis gesorgt haben. Es ist daher kein Wunder, dass das Thema Vergütungssysteme von vielen Regulierungsinitiativen behandelt wird, deren Erkenntnisse letztlich die Grundlage für die neuen Regelungen der MaRisk bilden.

Die öffentlichen Diskussionen sind aber nicht nur Triebfeder, sondern auch eine Bürde für die neuen Regeln. Diese können nämlich keine Antwort bieten auf Fragen und Forderungen, die einer politischen Entscheidung bedürften – wie etwa die nach der Deckelung von Gehältern.

Grundlagen zu Vergütungssystemen

Ein Vergütungssystem im Bankenbereich besteht in der Regel aus einem festen Grundgehalt und aus variablen Vergütungselementen. Institute zahlen die Vergütung zumeist nicht nur, um ihre juristische Hauptleistungspflicht aus dem Arbeitsvertrag zu erfüllen. Die Institute versuchen darüber hinaus, das Verhalten ihrer Mitarbeiter im Sinne der Institute zu lenken. Den theoretischen Hintergrund dafür, ein Vergütungssystem mit variablen Bestandteilen zu schaffen, liefert die Agency-Theorie. Danach gibt es in dem Verhältnis zwischen einem Auftraggeber (Prinzipal) – hier das Institut – und dem Auftragnehmer (Agent) – hier der Mitarbeiter des Instituts – unter anderem Interessens- und Informationsunterschiede. Diese kann der Agent zu seinem Vorteil – und womöglich zum Nachteil seines Auftraggebers ausnutzen. Die Einführung eines Vergütungssystems ist eine Möglichkeit, das Verhalten des Agenten trotz dieser Unterschiede im Sinne des Prinzipals zu beeinflussen.

In der Praxis wollen die Institute mit variablen Vergütungssystemen vor allem die Leistung und die Motivation ihrer Mitarbeiter steigern, die Kosten flexibel halten und dafür sorgen, dass sich die Beschäftigten mit den Unternehmenszielen und -strategien identifizieren. Vor allem im  Investmentbanking sollen die Vergütungssysteme aber auch die Position des Instituts im Wettbewerb um die besten Mitarbeiter stärken. Nicht alle Ziele sind kompatibel: Gibt die Unternehmensstrategie beispielsweise vor, die Beratungsqualität zu erhöhen und werden in einem Vergütungssystem entsprechende Anreize gesetzt, kann dies dazu führen, dass die Provisionserträge kurzfristig sinken, weil nicht alle Opportunitäten auf Abschluss eines Geschäftes genutzt werden. Dies kann es zumindest kurzfristig erschweren, andere Vorgaben der Unternehmensstrategie zu erreichen, wie zum Beispiel eine höhere Eigenkapitalrendite zu erwirtschaften.

Ein weiteres Spannungsverhältnis schafft etwa der Wettbewerb um Mitarbeiter gerade im Investmentbanking, der etwas martialisch auch als "War for Talents" bezeichnet wird. Man sollte denken, dass die Finanzkrise zu einem Überangebot von Arbeitskräften geführt hat und dass nun eher ein "War of Talents" um die verbliebenen Arbeitsplätze tobt. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Führt man sich indes vor Augen, dass bei vielen Instituten das gebeutelte Investmentbanking im zweiten Quartal 2009 schon wieder zum Ertragslieferanten Nummer eins avancierte, ist dies weniger verwunderlich. Der Wettbewerb um das Personal wird vornehmlich mittels hoher Vergütungen ausgetragen. Die wettbewerbsbedingte Notwendigkeit, hohe Vergütungen zu zahlen, kann dazu führen, dass die Vergütungssysteme keine ausreichenden Anreize setzen können, im Sinne der Unternehmensziele zu handeln.

Insbesondere die disziplinierende Möglichkeit, die variable Vergütung bis auf Null zu kürzen, ist vor diesem Hintergrund nur schwer umsetzbar. So kann es passieren, dass ein Ziel bewusst oder unbewusst auf dem Altar eines anderen Ziels geopfert wird. Die Bankenaufseher der Industrienationen sind jedoch nicht bereit, jedes Opfer zu akzeptieren.

Internationale Regulierungsinitiativen

Verschiedene internationale Regulierungsinitiativen haben sich mit dem Thema Vergütungssysteme befasst. Neben den bereits erwähnten Arbeiten des IIF sind die Grundsätze des Financial Stability Forums vom 02.04.2009, die Grundsätze des Committee of European Banking Supervisors (CEBS) vom 20.04.2009, die Empfehlungen der EU-Kommission vom 30.04.2009 und auch die geplanten Regelungen der CRD-Änderungsrichtlinie von Bedeutung. Die G 20 Staaten haben sich bei ihrem Gipfel in London im April 2009 klar zu einer Umsetzung der FSF Grundsätze zu Vergütungssystemen bekannt.

Es ist bemerkenswert, dass die in den vorgenannten Initiativen gewonnenen Erkenntnisse sich weitgehend decken. Die folgenden Aussagen lassen sich in den oben genannten Papieren mehr oder minder ausführlich wiederfinden. Zum Anwendungsbereich führt beispielsweise CEBS in seinen Grundsätzen aus: "The remuneration policy should include all levels of the organisation and all categories of employees.". Die Aussagen beschränken sich also nicht auf die Vorstandsebene.

Dies ist ein wichtiger Unterschied zu dem am 05.08.2009 in Kraft getretenen Gesetz zur  Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG), das die dem Vorstand nachgelagerten Ebenen nicht einbezieht. Gleichwohl liegt der Fokus auf solchen Mitarbeitern, die hohe Risikopositionen eingehen können. Bei der Umsetzung von Vergütungsgrundsätzen ist zudem der Proportionalitätsgedanke verankert, der insbesondere der Größe eines Instituts Rechnung trägt. So führt der Entwurf zur CRD-Änderungsrichtlinie aus: "When establishing and applying the remuneration policies for those categories of staff whose professional activities have a material impact on their risk profile, credit institutions shall comply with the following principles in a way that is appropriate to their size, internal organisation and the nature, the scope and the complexity of their activities…". Durch diesen Proportionalitätsgedanken kann der heterogenen Institutsstruktur in Deutschland mit vielen kleinen Instituten ausreichend Rechnung getragen werden.

Eine zentrale Aussage der verschiedenen Regulierungsinitiativen ist, dass die Vergütungssysteme mit den Unternehmenszielen und der Unternehmensstrategie im Einklang stehen müssen. Daraus folgt, dass ein Vergütungssystem unter anderem dafür sorgen muss, dass sich die Mitarbeiter mit der Unternehmensstrategie identifizieren. Es ist somit ein dominantes Ziel, das nicht zu Gunsten eines anderen Zieles geopfert werden darf. Dies gilt insbesondere in dem Spannungsverhältnis zu dem Ziel, die Wettbewerbsposition des Instituts in dem "War for Talents" zu stärken.

Die Regulierungsinitiativen fordern weiterhin, die Governance-Strukturen zu stärken, indem das Aufsichtsorgan enger als bisher in die Ausgestaltung, Weiterentwicklung und Überwachung der Vergütungssysteme eingebunden wird. Auch Kontrollbereiche, wie das Risikomanagement, und die Personalabteilung sollen eingebunden werden. Beispielsweise kann ein Vergütungsausschuss die Vergütungssysteme überwachen. Weiterhin ist die Bemessung der variablen Vergütung mehr als bislang an Faktoren auszurichten, die einer nachhaltigen Entwicklung verpflichtet sind. Solche Faktoren können etwa Risiken, Risikolaufzeiten und Kapitalkosten sein – oder auch qualitative Faktoren. Vergütungssysteme müssen darüber hinaus hinreichend transparent sein, sonst können die Anreize nicht wirken. Der Mitarbeiter kann erst dann sein Verhalten an den gesetzten Anreizen ausrichten, wenn er sie kennt und wenn er sie auch nachvollziehen kann. Ebenso kann eine Überwachung der Vergütungssysteme nur auf Grundlage ausreichender Informationen erfolgreich sein. Die geforderte Transparenz könnte aber über eine rein institutsinterne Transparenz hinausgehen. Der Entwurf der CRD-Änderungsrichtlinie spricht in diesem Zusammenhang von "disclosure" und sieht zum Beispiel vor, dass Informationen über die Entwicklung der Vergütungssysteme und die Parameter für die Bemessung der Vergütung veröffentlicht werden.

Sofern mit "disclosure" eine externe Publizitätspflicht gemeint sein sollte, bedürfte es hierzu einer gesetzlichen Regelung im Handelsgesetzbuch (HGB). Mit den MaRisk ist eine solche externe Publizität nicht darstellbar. Ob die Regelungen des VorstAG einer solchen Publizitätspflicht ausreichend Rechnung tragen, erscheint zweifelhaft, weil sich die erweiterten Publizitätspflichten des VorstAG auf die gesetzlichen Organe börsennotierter Gesellschaften beschränken, also nicht auf alle Institute anzuwenden sind. Weiterhin werden Aspekte wie die Berücksichtigung des Gesamterfolges des Instituts bei der Ermittlung der variablen Vergütung, das Verhältnis von fixer und variabler Vergütung sowie Abfindungszahlungen thematisiert.

Die neuen Regelungen der MaRisk

Vergleicht man die oben erwähnten Regulierungsinitiativen mit den neuen Regelungen der MaRisk, wird einem sehr vieles bekannt vorkommen. Leicht war es allerdings nicht, die Erkenntnisse in einen Regelungstext zu fassen, der der Situation in Deutschland gerecht wird. Es galt, mit dem Regelwerk der heterogenen Bankenlandschaft hierzulande und dem großen Anteil Tarifbeschäftigter an den Mitarbeitern Rechnung zu tragen. Eine sachgerechte Lösung konnte unter anderem deswegen gefunden werden, weil das Vergütungsthema intensiv im Fachgremium MaRisk diskutiert worden ist, dem neben der Aufsicht auch die Institutsvertreter, Prüfer und Verbandsvertreter angehören. Grundsätzlich werden in den MaRisk Anforderungen an die Vergütungssysteme aller Mitarbeiter eines Instituts gestellt. Die Diskussionen im Fachgremium machten aber deutlich, dass der Regelungstext zwischen den Mitarbeitern differenzieren muss. Vergütungssysteme für solche Mitarbeiter, die verhältnismäßig geringe Risikopositionen begründen können und bei denen lediglich das 13. und 14. Monatsgehalt variabel ist, müssen nur allgemeinen Anforderungen genügen. Hingegen müssen Vergütungssysteme für Mitarbeiter, die hohe Risikopositionen begründen können, erhöhten Anforderungen gerecht werden. Aus diesem Grunde wurden allgemeine Anforderungen an alle Vergütungssysteme eines Instituts textlich von den besonderen Anforderungen an die Vergütungssysteme derjenigen Mitarbeiter getrennt, die man auch als "Risk Taker" bezeichnet.

Allgemeine Anforderungen

Die allgemeinen Anforderungen an Vergütungssysteme sind in AT 7.1 Tz. 4 MaRisk geregelt. Danach müssen die Vergütungssysteme mit den in den Strategien festgelegten Zielen des Instituts im Einklang stehen. Dies bringt zum Ausdruck, dass ein dominantes Ziel der Vergütungssysteme sein muss, die Unternehmensziele aus den Strategien im Sinne des AT 4.2 MaRisk zu erreichen.

Ein Vergütungssystem kann weitere Zielsetzungen verfolgen, wie die Motivationssteigerung oder die Stärkung der Wettbewerbsposition des Instituts auf dem Arbeitsmarkt. Diese Ziele müssen aber zurücktreten, wenn sie dem Ziel zuwiderlaufen, eine "nachhaltige" Geschäftsstrategie und eine dazu konsistente Risikostrategie im Sinne des AT 4.2 MaRisk zu verwirklichen. Vergütungssysteme müssen darüber hinaus so ausgerichtet sein, dass schädliche Anreize zur Eingehung unverhältnismäßig hoher Risikopositionen vermieden werden.

Schädliche Anreize sind in den Erläuterungen der MaRisk mit Beispielen unterlegt. Die signifikante Abhängigkeit eines Mitarbeiters von einer variablen Vergütung kann ein solch schädlicher Anreiz sein. Wenn ein Mitarbeiter seinen Lebensunterhalt maßgeblich von einem variablen Vergütungsteil bestreiten muss, so bedeutet dies ein faktisches Hindernis, die variable Vergütung zu kürzen oder gar zu streichen. Auch bedeutende vertragliche Abfindungsansprüche können ein schädlicher Anreiz sein. Liefert ein Mitarbeiter eine schlechte Leistung ab und muss er deshalb das Unternehmen verlassen, darf die Schlechtleistung nicht durch hohe Abfindungen prämiert werden.

Die Angemessenheit der Vergütungssysteme ist schließlich mindestens jährlich zu überprüfen. Diese Regelungen gelten für die Gesamtheit der Vergütungsleistungen, also für fixe und variable Gehaltsbestandteile. Auch fixe Vergütungsbestandteile können also schädliche Anreize setzen. Vorstellbar ist dies unter anderem dann, wenn sie vormals variable Vergütungsbestandteile  ersetzen. Hieran ändern auch einfallsreiche Bezeichnungen der Zahlungen nichts: "Stabilisierungszahlungen", "Integrationsmehraufwandspauschalen" oder "leistungsabhängige Mehraufwandsvergütungen" sind nichts anderes als (variable) Vergütungsbestandteile, die in jedem Falle von dieser und gegebenenfalls auch von den nachfolgenden Textziffern der MaRisk umfasst sind.

Vergütungsausschuss

Abhängig von dem Institut und der Vergütungsstruktur hat das Institut gemäß AT 7.1 Tz. 5 MaRisk einen Vergütungsausschuss einzurichten, der für die Ausgestaltung und Weiterentwicklung der Vergütungssysteme zuständig ist. Der Vergütungsausschuss lässt die grundsätzliche Verantwortung der Geschäftsleitung für die Vergütungssysteme unberührt und hat zunächst eine beratende Funktion. Die Geschäftsleitung kann aber ihre Befugnisse zur Ausgestaltung und Weiterentwicklung der Vergütungssysteme auf den Ausschuss delegieren. Der Ausschuss muss einen Querschnitt der Mitarbeitergruppen repräsentieren, die von den Vergütungssystemen betroffen sind. Insbesondere müssen neben der Personalabteilung auch Überwachungseinheiten, wie beispielsweise das Risikomanagement, vertreten sein. Durch die Diskussionen in dem  Vergütungsausschuss sollen möglichst frühzeitig etwaige schädliche Anreize identifiziert werden.

Auskunftsrecht des Aufsichtsorgans

Das Aufsichtsorgan des Instituts ist gemäß AT 7.1 Tz. 6 MaRisk über die Vergütungssysteme zu informieren und hat ein eigenes Auskunftsrecht gegenüber der Geschäftsleitung und einem Vergütungsausschuss im Sinne AT 7.1. Tz. 5 MaRisk. Um etwaige Anfragen zu kanalisieren, besteht das Auskunftsrecht nur für den Vorsitzenden des Aufsichtsorgans.

Besondere Anforderungen

Bei allen Geschäftsleitern und bei solchen Mitarbeitern, die aufgrund der Kompetenzordnung hohe Risikopositionen begründen können, sind gemäß AT 7.1 Tz. 7 MaRisk n. F. auch der Erfolg der Organisationseinheit und der Gesamterfolg des Instituts zu berücksichtigen. Die Vergütung des Einzelnen soll sich nicht von der Entwicklung des Instituts abkoppeln. Das Wohl des Mitarbeiters wird so an das Wohl des Instituts gebunden. Der Erfolg muss vor allem mittels solcher Parameter gemessen werden, die dem Ziel eines nachhaltigen Erfolges Rechnung tragen. Dies schließt ein, dass sowohl Risiken und Risikolaufzeiten als auch qualitative Faktoren Eingang finden müssen. Risikolaufzeiten können realistischerweise nicht eins zu eins abgebildet werden. Es geht darum, einen disziplinierenden Zeitraum zu schaffen, der die Laufzeit der Risiken berücksichtigt. Negative Entwicklungen müssen sich zudem bei der variablen Vergütung widerspiegeln.

Ausblick

Die Banken müssen die Regelungen zur Vergütung – genau wie die gesamten MaRisk –  grundsätzlich bis zum 31.12.2009 umsetzen. Die Vergütungssysteme der Institute werden daher schon Gegenstand der Jahresabschlussprüfung für das Jahr 2009 sein. Zwar befinden sich die Institute, Jahresabschlussprüfer und auch die Aufsicht noch in einem Lernprozess. Aber die Jahresabschlussprüfungsberichte müssen es dennoch möglich machen, die Vergütungssysteme zu beurteilen – was auf jeden Fall bedeutet, dass das jeweilige System im Abschlussbericht zumindest ausführlich dargestellt werden muss.

Die Regelungen werden in der praktischen Anwendung noch zahlreiche Fragen aufwerfen. Welche Parameter sind geeignet, den vergütungsrelevanten Erfolg zu messen? Wie bildet man  praxisgerecht die Risiken und deren Laufzeiten ab? Wie hoch muss eine Risikoposition sein, die ein Mitarbeiter eingehen kann, damit die besonderen Anforderungen gelten? Ist es ein realistischer Weg, die geschilderte Situation im Investmentbanking zu entschärfen, indem man etwa durch institutseigene Ausbildungsprogramme das Angebot an qualifiziertem Personal erhöht? Die Fragen zeigen, dass sich Institute, Prüfer und auch die Aufsicht weiter mit dem Thema Vergütungssysteme beschäftigen müssen. Das Fachgremium MaRisk könnte hierzu einen wertvollen Beitrag leisten. Es wird bei der Anwendung der neuen Regelungen immer Grenzfälle geben. Unsicherheiten entbinden die Institute aber nicht von der Verpflichtung, sich den Regelungen zu stellen. Im  eigenen Interesse sollten die Institute ihren Vergütungsbereich kritisch hinterfragen und nicht nur am Regelungswortlaut haften. Dies ist Ausdruck einer Risikokultur und Vergütungskultur, die spätestens mit der Finanzkrise selbstverständlich werden sollte.

Aber auch die Politik muss dafür kämpfen, dass diese neue Vergütungskultur eine echte Chance bekommt. Dafür ist es wichtig, dass diejenigen Institute, die sich als erste in die richtige Richtung bewegen, im Wettbewerb mit anderen Instituten nicht für mutige Schritte bestraft werden. Um dies zu vermeiden, müssen in allen wichtigen Industrienationen die gleichen Grundsätze für  Vergütungssysteme gelten. Die beste Grundlage hierfür bieten die Grundsätze des FSF bzw. FSB, auf deren Umsetzung die G 20 Staaten weiter drängen müssen. Mögliche Aufsichtsarbitrage würde die schon geleisteten Bemühungen sonst ad absurdum führen.

Autor: Arne Martin Buscher, BaFin


 

[Textquelle: BaFinJournal 08/09, S. 6-10 / Bildquelle oben: iStockPhoto, Bildquelle rechts: BaFin Journal]

 

 

 

 

 

 

 

Kommentare zu diesem Beitrag

Stefan /31.08.2009 21:16
Guter Artikel! Das Kernproblem ist aber doch, dass viele (Investment-)Banker den Bezug zur Realität völlig verloren haben. Es sei erinnert, dan den Zocker Jérôme Kerviel, der als Händler die Société Générale um 4,9 Milliarden Euro erleichterte. Gegenüber der Staatsanwaltschaft begründete er sein Zocken wie folgt: "Man verliert das Gefühl für Summen, wenn man in diesem Beruf arbeitet." Die Bonus-Systeme sind doch seit vielen Jahren bekannt. Da liegt doch die Frage auf der Hand, warum die BaFin eigentlich jetzt erst aktiv wird. Schließlich beschreibt die BaFin auf ihrer Webseite ihre Aufgabe, dass die Aufsicht Fehlentwicklungen vorbeugt, die das reibungslose Funktionieren des Bankenapparates stören könnten. Die ersten Frühwarnindikatoren, dass die Bonuszahlungen zu massiven systemischen Risiken führen, waren bereits vor vielen, vielen Jahren zu erkennen.
Zinsknecht /31.08.2009 22:05
Schön und gut, aber in der Tat sind Banker die letzten die auf Geld verzichten würden. Und wie es jüngst das Beispiel der Commerzbank zeigte: Werden keine Boni gezahlt, so trötsten "Prämien" über die dürren Jahre hinweg... Nicht mal diese Lachnummer konnte das BaFin verhindern. So werden wohl auch die neuen MaRisk eher Prosa als Norm für die effektive Vergütung sein.

Es gibt in Deutschland keine Steuergerechtigkeit weil "Top-Berater" sämtliche Gesetze zu umgehen wissen. Wer glaubt ernsthaft dass die MaRisk zu einer Einkommensbremse ausgerechnet für die gierigen Banker werden könnten??? Hallo???????
Pleitegeier /31.08.2009 22:29
Das Problem ist in der Tat wie im Beitrag beschrieben die Principal-Agent-Beziehung zwischen Vorstand bzw. Mitarbeitern und der Bank. Da inzwischen die Fluktuation stark zugenommen hat und die Verantwortlichen häufig nicht länger als ein paar Jahre in einem Haus verweilen, besteht kein Verantwortungsgefühl für ein strategisches Bankmanagement. Zwei mal 4 Jahre als Vorstand bestätigt und die Pension ist sicher.

Das Problem dürfte allen aus der Politik bekannt sein: Cash macht fesch und nach mir die Sinnflut. Davor noch Völkerwanderung dorthin wo die höchsten Gehälter gezahlt werden! Rückwirkende Pensionsstreichungen oder Stornierungen von Boni könnten eine kleine Hilfe sein wenn sie denn auch flächendeckend und bei jedem Verstoß durchgesetzt werden (das ist aber m.E. sehr zu bezweifeln).

Allerdings ist das Problem nicht auf die Finanzindustrie beschränkt: Gehen Sie mal in ein Geschäft einkaufen oder in ein Restaurant essen dass nicht mehr vom Inhaber persönlich geführt wird (z.B. Filiale einer großen Kette). Der volkswirtschaftliche Schaden aus der oben beschriebenen "Cash&Carry"-Denke ist dort natürlich geringer als bei fehlgeschlagenen Bankenspekulationen. Aber die Motivation (oder besser falsch ausgerichtete Motivation) der handelnden Personen ist doch die gleiche....
Jan /31.08.2009 23:10
@Zinsknecht: Ich habe da auch so meine Zweifel ... Wenn man es mal auf den Punkt bringt, sind Investment-Banker im Kern mathemathisch veranlagte Finanzjongleure und Spieler. Häufig mit einem übertriebenen, spezifisch trainierten Spieltrieb, den sie zum Beruf gemacht haben.

Experten sprechen in dem Zusammenhang auch von Spielsucht oder pathologischen Spielern. In Deutschland soll es etwa 200.000 Betroffene geben - die Zocker aus den Investmentbanken sind da wohl nicht mitgerechnet. ;-) Spielsucht lässt sich nur mit einer langwierigen Therapie (multimodale Psychotherapie) heilen. Das ist aus meiner Sicht auch der Ansatz für unser perveses, krankes Finanzsystem ... über die MaRisk werden die Finanzjongleure nur müde lächeln ... ;-(
Zinsknecht /31.08.2009 23:37
@Jan: Es gibt Investmentbanker, Prostetuierte, Politiker und Söldner die Gemeinsamkeiten haben. Soll sich jeder überlegen ob ihm da welche einfallen...
Pluto /01.09.2009 09:35
@Zinsknecht & Jan: Was haben die MaRisk in der Vergangenheit eigentlich gebracht? Die "alten" MaRisk wurden immerhin im Jahr 2005 erstmals veröffentlicht. Auch die alten MaRisk haben sich u.a. mit den Themen (Risiko-)Strategien und Risikotragfähigkeitskonzept beschäftigt.

In AT 4.3.2 – Textziffer 3 (MaRisk alt) ist beispielsweise gefordert, dass für die im Rahmen der Risikotragfähigkeit berücksichtigten Risiken regelmäßig angemessene Szenariobetrachtungen anzustellen sind. AT 4.1 – Textziffer 2 (MaRisk alt) verlangt, dass zur Umsetzung der Strategien beziehungsweise zur Gewährleistung der Risikotragfähigkeit geeignete Risikosteuerungs- und -controllingprozesse (AT 4.3.2) einzurichten sind.

Und spannend wird es dann in AT 4.1 – Textziffer 1 (MaRisk alt): Auf der Grundlage des Gesamtrisikoprofils ist sicherzustellen, dass die wesentlichen Risiken des Kreditinstituts durch das Risikodeckungspotenzial, gegebenenfalls unter Berücksichtigung von Wechselwirkungen, laufend abgedeckt sind und damit die Risikotragfähigkeit gegeben ist.

Diese Anforderung wurde leider von den wenigsten Marktteilnehmern erfüllt. Leverage des EK war viel spannender und hat schlichtweg mehr Rendite gebracht. Dabei ist die Grundidee einer Risikotragfähigkeitsanalyse schlicht und einfach: sie beinhaltet eine Gegenüberstellung von Risiken und Risikodeckungspotenzialen. Die Risikotragfähigkeit ist gegeben, wenn alle (wesentlichen!!!!!) Risiken eines Instituts laufend durch das Risikodeckungspotenzial abgedeckt werden.

Übrigens enthielten bereits die MaK (in Textziffer 9) die Anforderungen an die Risikotragfähigkeit. Kurzum: Es handelt sich aus meiner Sicht vor allem um ein Umsetzungsdefizit. Auch die neuen MaRisk werden daran nichts ändern, wenn sich in den Köpfen der Entscheider nicht massiv etwas ändert ;-( Und @Jan, so ganz Unrecht hast Du leider nicht!
Magnum /01.09.2009 21:42
Nun hat sich auch der britische Premier Gordon Brown für strengere Regeln für Bonuszahlungen ausgesprochen. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy war da bereits einen Schritt weiter. Ich bin gespannt was beim G-20-Gipfel in Pittsburgh herauskommt. Bisher kamen von der Politik nur nette Ideen, die aber immer an der Umsetzung krankten. Und ich bin mir sicher, dass die "Top-Berater" auch diesmal Wege finden werden, wie die Banken sämtliche Gesetze umgehen können. @Zinsknecht: Da hast Du völlig Recht!!
Petra /01.09.2009 21:54
Geht nicht die Diskussion um Bonuszahlungen und Managementgehälter stark am eigentlich Thema vorbei? Ist nicht das primäre Problem, dass die Jungs fette Bonuszahlungen einstecken und umgekehrt aber weder haften noch bei einem Kollaps eine Maluszahlung erbringen müssen. Damit haben wir das klassische Problem von falschen Anreizeffekten. Ich sacke die Gewinne ein und sozialisiere aber die Verluste ... da ist was schief dran. Ich empfehle ich Lektüre von Sinn's Kasino-Kapitalismus (Kapitel 4)
Marcus /02.09.2009 06:48
Der wichtigste Satz in dem - aus meiner Sicht sehr gelungenen - Artikel ist der folgende "Dies ist Ausdruck einer Risikokultur und Vergütungskultur, die spätestens mit der Finanzkrise selbstverständlich werden sollte." Bei den Vergütungsstrukturen ist es wie im Risk Management: Es kommt darauf an, dass es in der Organisation gelebt wird - davon sind wir leider noch meilenweit (bei beiden Themen) entfernt ...
Petra /16.09.2009 09:27
Wieso Pferd? War das nicht ein Esel? Wer ist der Esel? Der Regulator oder die Banken?
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