In den letzten Wochen wurde ich bei meinen Erwartungen über die weitere wirtschaftliche Entwicklung etwas unsicher. Zuerst stürzte der Einkaufsmanagerindex des Institutes for Supply Management für die amerikanische Industrie regelrecht ab (siehe Grafik). Wenige Tage danach zeigte sich das gleiche Bild bei dem entsprechenden Index für die Dienstleistungen. Beide Indizes waren in der Vergangenheit immer relativ verlässlich. Gleichzeitig gab es auch in Europa schlechte Nachrichten. Die Industrieproduktion in Frankreich und Deutschland ging zurück. Der bekannte ifo-Index schwächte sich erheblich ab.
Das hat mich hellhörig gemacht. Könnte es sein, dass die Konjunktur in der westlichen Welt schlechter ist, als viele denken? Steuern wir 2017 vielleicht auf deutliche Abschwächung wenn nicht gar eine Rezession zu?
Wende in der US-Konjunktur? [ISM-Indikator für die US-Konjunktur, Verarbeitendes Gewerbe, Quelle: Institute for Supply Management]
Nun sollte man einzelne Konjunkturindikatoren nicht überbewerten. Die offiziellen Prognosen für 2017 sind nach wie vor gut. Die Federal Reserve rechnet für die USA mit einem Wachstum von 2 Prozent, der Internationale Währungsfonds sogar mit 2,5 Prozent. Für den Euroraum hat die EZB ihre Prognose in der vorigen Woche etwas zurückgenommen. Sie steht mit 1,6 Prozent aber immer noch ordentlich da (IWF 1,4 Prozent). Wenn man sich aber die aktuellen volkswirtschaftlichen Rahmendaten anschaut, dann gibt es freilich Argumente, dass es im kommenden Jahr doch nicht so gut wird.
Erstens: Die privaten Investitionen – ein wichtiger Indikator für das Zukunftsvertrauen und die Dynamik der Wirtschaft – stagnieren. Es gilt vor allem für Maschinen und Ausrüstungen, weniger für den Bau. Es ist inzwischen sogar ein weltweites Phänomen.
Zweitens: Der Welthandel stagniert. Protektionismus macht sich breit. Regionale Handelsvereinbarungen kommen nicht voran. Damit entfallen die Exporte als Wachstumstreiber. Gerade für Länder, in denen die Wirtschaft von den Ausfuhren abhängt (wie Deutschland), ist das eine wichtige Konjunkturbremse.
Drittens: Der Brexit kostet Wachstum. Im Augenblick wird das etwas heruntergespielt, weil es sich noch nicht in den Konjunkturindikatoren niederschlägt. Das wird sich aber ändern. Es ist klar, dass es – vor allem in UK – einen Attentismus bei den Investoren geben wird, solange niemand weiß, wie die britische Regierung den Brexit vollziehen wird. Auch der Handel wird leiden.
Viertens: Die Geldpolitik wird im kommenden Jahr nicht mehr so expansiv sein. Es wird – jedenfalls in Europa – zwar keine Restriktion geben. Es wird aber auch nicht mehr so viel gelockert, wie das 2016 noch der Fall war.
Fünftens: Bremst die anhaltende politische Unsicherheit. Die Wahlen in den USA, Frankreich und Deutschland könnten zu grundsätzlichen Weichenstellungen führen, die das wirtschaftliche Geschehen nachhaltig beeinflussen. Dazu kommen die vielen Krisenherde in der Welt, wo die Lage eskalieren kann. Da ist Attentismus in der Wirtschaft verständlich.
Sechstens schließlich: Der Zyklus läuft aus. Der Aufschwung begann Anfang 2009. Er wird nächstes Jahr acht Jahre alt. Das ist ungewöhnlich lang. Da kann ihm schon einmal die Puste ausgehen. Das gilt für die USA genauso wie für Europa.
All das sind gute Gründe, weshalb man bei der Konjunktur 2017 vorsichtig sein sollte. Das Wirtschaftswachstum wird aus meiner Sicht schwächer ausfallen als viele derzeit erwarten. Andererseits sollte man das Bild auch nicht zu schwarz malen. Es gibt auch Positives. Eines ist die Entschlossenheit der Regierungen diesseits und jenseits des Atlantiks, die Fiskalpolitik zu aktivieren. Weltweit wird es zu Ausgabenprogrammen kommen, vielleicht auch zu Steuersenkungen. Das erhöht das Wachstum, allerdings auch die öffentliche Verschuldung.
Gut für die Konjunktur in den Industriestaaten ist auch, dass es in den Schwellen- und Entwicklungsländern wieder etwas besser geht. Der Ölpreis ist niedrig. Er stützt die Kaufkraft der Verbraucher. Der private Konsum wird 2017 die wichtigste Säule der Konjunktur sein. Auch das ist kein schlechtes Zeichen, denn Konsumenten sind in ihrem Verhalten meist nicht so volatil wie Investoren. Eine Rezession schließe ich unter diesen Umständen aus.
Regional gibt es freilich erhebliche Unterschiede. Für die USA bin ich skeptischer. Da sind viele Ermüdungszeichen erkennbar. Der starke Dollar belastet. Die niedrigen Ölpreise sind eine Bürde für die dortigen Ölproduzenten. Die expansive Fiskalpolitik wird dort zwar vermutlich stärker sein. Sie wird aber wegen des Wechsels im Präsidentenamt später wirksam werden. Europa wird dagegen insgesamt besser dastehen. Deutschland profitiert bei der Konjunktur – trotz aller Klagen in der Öffentlichkeit – von den Ausgaben für die Flüchtlinge. Italien und Frankreich machen noch Schwierigkeiten.
Autor:
Dr. Martin W. Hüfner, Chief Economist, Assenagon Asset Management S.A.