Real vs. Fake AI 

Vorsicht – Plötzlich ist jeder "KI"


Real vs. Fake AI: Vorsicht – Plötzlich ist jeder "KI" Kolumne

Der Hype um Künstliche Intelligenz (KI) hat einen regelrechten Umbruch in der Unternehmenslandschaft ausgelöst. Überall entstehen "KI-Unternehmen", die sich als Treiber der digitalen Transformation und Innovation präsentieren. Natürlich gibt es Experten, die mit echtem Engagement und der Bereitschaft, neue Fähigkeiten zu erlernen, den Einstieg in die KI-Welt meistern können. Doch bei genauerem Hinsehen zeigt sich auch ein erheblicher Teil der Akteure, deren Vorstoß in die KI eher oberflächlich oder opportunistisch geprägt ist. Während einige tatsächlich innovative Technologien entwickeln, nutzen andere den KI-Begriff schlicht, um von der Aufmerksamkeit und den Kapitalströmen zu profitieren, die derzeit in diese Branche fließen. Das Phänomen mag kurzfristig attraktiv erscheinen, birgt aber weitreichende Probleme – für Unternehmen, Investoren und die Branche als Ganzes.

Warum plötzlich jeder KI ist

Der erste Treiber dieses Trends ist der enorme Hype um KI. Kaum ein Begriff hat in den letzten Jahren so viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen wie "Künstliche Intelligenz". Unternehmen, die mit KI in Verbindung gebracht werden, gelten automatisch als zukunftsorientiert, innovativ und wettbewerbsfähig. Investoren richten ihre Portfolios zunehmend auf KI aus, Kunden verlangen intelligente Produkte, und die Medien verstärken den Hype, indem sie KI als transformative Technologie darstellen, die alle Lebensbereiche verändern wird.

Dieser Druck führt dazu, dass viele Unternehmen auf den Zug aufspringen, oft ohne genau zu wissen, wie KI zu ihrem Kerngeschäft passt. Zwei Mechanismen lassen sich dabei beobachten:

  1. Rebranding: Unternehmen verändern ihre Positionierung und benennen bestehende Technologien oder Produkte in "KI-getrieben" um. Ein Anbieter klassischer Datenanalysen wird etwa zu "AI Insights", ein Automatisierungstool wird zur "AI-gestützten Prozessoptimierung". Häufig bleibt die technologische Substanz nahezu unverändert – was sich ändert, ist die Außenwirkung.
  2. Pivoting: Noch problematischer sind Unternehmen, die ursprünglich in anderen Technologiefeldern wie Blockchain oder Virtual Reality tätig waren und plötzlich behaupten, KI-Kompetenz zu besitzen. Sie schwenken opportunistisch um, ohne dass eine wirkliche Grundlage für diese Transformation existiert. Oft geht es weniger um Innovation, sondern um die Hoffnung, mit dem Buzzword "KI" Kapital, Marktanteile oder Aufmerksamkeit zu gewinnen.

Die Risiken für Unternehmen und die Branche

Dieser Trend hat tiefgreifende Auswirkungen. Der wohl gravierendste Punkt ist der Vertrauensverlust. Unternehmen, die mit KI werben, aber nicht liefern, riskieren nicht nur ihren eigenen Ruf, sondern werfen einen Schatten auf die gesamte Branche. Der Markt wird durch enttäuschte Investoren, desillusionierte Kunden und mediale Kritik geprägt. Dies kann eine gefährliche Dynamik erzeugen, die letztlich zu einem "KI-Winter" führt – einer Phase, in der Begeisterung und Kapital massiv zurückgehen.

Ein weiteres Problem ist die Marktübersättigung. Die wachsende Zahl an vermeintlichen KI-Anbietern verwässert den Begriff und erschwert es, echte Innovatoren von Opportunisten zu unterscheiden. Für Investoren wird es schwieriger, vielversprechende Projekte zu identifizieren, und Kunden riskieren, auf Anbieter zu setzen, die ihre Erwartungen nicht erfüllen können.

Hinzu kommt die Fehlallokation von Ressourcen. Kapital und Aufmerksamkeit fließen in oberflächliche Projekte oder Rebranding-Kampagnen, während echte Innovationen vernachlässigt werden. Startups, die sich auf zukunftsträchtige Technologien wie Quantencomputing oder spezialisierte Automatisierung konzentrieren, verlieren an Sichtbarkeit, weil der Fokus auf KI dominiert wird.

Ein besonders heikler Punkt sind die regulatorischen und ethischen Risiken. Viele neue "KI-Unternehmen" verfügen nicht über die Expertise oder Infrastruktur, um mit komplexen Themen wie Datenschutz, Algorithmus-Transparenz oder Bias umzugehen. Dies birgt rechtliche Risiken und gefährdet langfristig die Akzeptanz von KI-Technologien in der Öffentlichkeit.

Chancen und Risiken für Investoren und Kunden

Für Investoren bedeutet diese Dynamik, dass Due Diligence wichtiger denn je ist. Ein oberflächliches Rebranding oder eine aufgeblasene Vision können beeindruckend klingen, liefern aber selten langfristige Ergebnisse. Investoren sollten deshalb nicht nur auf das Label "KI" achten, sondern die technologische Substanz, die Datenbasis und die Expertise des Teams genau prüfen.
Auch Kunden müssen vorsichtig sein. Die Nachfrage nach KI-gestützten Lösungen wächst zwar, aber viele Anbieter versprechen mehr, als sie liefern können. Unternehmen sollten nicht allein auf Marketingbotschaften vertrauen, sondern konkrete Fallstudien, messbare Ergebnisse und nachvollziehbare Technologien einfordern.

Für Regulierungsbehörden wird es essenziell, klare Rahmenbedingungen für den Einsatz von KI zu schaffen. Der Markt braucht eine klare Differenzierung zwischen ernsthaften Akteuren und Trittbrettfahrern. Themen wie ethische Standards, Datenschutz und die Vermeidung von Diskriminierung durch Algorithmen sollten frühzeitig adressiert werden, um die langfristige Akzeptanz von KI nicht zu gefährden.

Fazit: Substanz statt Schlagworte

Die KI-Goldgräberstimmung hat eine gefährliche Dynamik erzeugt, in der plötzlich "jeder KI ist". Während einige Unternehmen tatsächlich transformativ wirken, bleibt ein erheblicher Teil der neuen "KI-Player" substanzlos. Für Unternehmen, die sich langfristig erfolgreich in diesem Bereich positionieren wollen, ist Substanz wichtiger als ein neuer Name. Künstliche Intelligenz ist kein Selbstzweck – sie ist ein mächtiges Werkzeug, das Planung, Expertise und eine klare Strategie erfordert.
Investoren, Kunden und Regulierungsbehörden sind gleichermaßen gefordert, den KI-Markt kritisch zu hinterfragen und echte Innovationen zu fördern. Denn nur wer langfristig auf Substanz setzt, wird von den Potenzialen dieser Technologie profitieren – ohne das Vertrauen in ihre Möglichkeiten zu verspielen.

Autor:
Dr. Dimitrios Geromichalos, FRM, CEO / Founder RiskDataScience GmbH
Dr. Dimitrios Geromichalos, FRM,
CEO / Founder RiskDataScience GmbH
E-Mail: riskdatascience@web.de


Weiterführende Literaturhinweise

[ Bildquelle Titelbild: Adobe Stock.com ]
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