Die Deutsche Bundesbank hat im Vorfeld der Jahrestagung von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank vor einem Handelskrieg gewarnt. Vorstandsmitglied Andreas Dombret sagte: "Die globalen Wachstumsperspektiven hängen auch von der künftigen Ausgestaltung der Handelspolitik ab. Vor diesem Hintergrund sehe ich die aufkommenden Abschottungstendenzen, die die Gefahr bergen, sich zu einem Handelskrieg zu entwickeln, mit einer gewissen Sorge."
Anlass zur Sorge geben derzeit vor allem der bevorstehende EU-Austritt Großbritanniens und protektionistische Tendenzen von US-Präsident Donald Trump. Deutschland und andere europäische Länder sind sehr abhängig von einem funktionierenden Welthandel. Die US-Regierung sieht im Freihandel jedoch vor allem die Ursache von Arbeitsplatzverlusten in den USA und hat bestimmten Ländern, darunter Deutschland, China und Mexiko, mit Strafzöllen gedroht.
Die Finanzminister und Notenbankgouverneure der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) hatten sich in ihrer Abschlusserklärung nach dem jüngsten Treffen in Baden-Baden nicht auf ein Bekenntnis zum Freihandel einigen können. Nach ihrem Treffen am Rande der IWF-Jahrestagung in der nächsten Woche wollen sie dem Vernehmen nach gar kein Kommunique veröffentlichen.
Dombret betrachtet die neue US-Administration auch als potenzielle Gefahr für den auf Freihandel eingeschworenen IWF: "Der Regierungswandel in den USA als größtem Mitgliedsland des IWF wird vermutlich auch Auswirkungen auf den Fonds haben. Es ist eine zentrale Herausforderung für den IWF, für Offenheit zu werben und für eine multilaterale, regelbasierte Ordnung des internationalen Wirtschafts- und Währungssystems", sagte er und fügte hinzu: "Ich bin fest davon überzeugt, dass die geschäftsführende Direktorin Christine Lagarde genau das tun wird."
Die Europäer tappen gegenwärtig hinsichtlich des wirtschaftspolitischen Kurses der Amerikaner im Dunkeln. Viele wegweisende Personalentscheidungen der Regierung stehen noch aus, so auch in der Finanzaufsicht und Bankenregulierung. Derzeit verhandelt der Baseler Ausschuss über die Vollendung der Eigenkapitalrichtlinie Basel 3. Eine Einigung scheitert derzeit unter anderem am deutschen Widerstand gegen die Pläne, das Prinzip der Risikogewichtung bei der Berechnung der Risikoaktiva von Banken zu stark einzuschränken.
Gegenwärtig wartet der Ausschuss darauf, dass die Amerikaner ihre Positionen zu Basel 3 darlegen. Trump hat bereits ein Dekret erlassen, das eine Überarbeitung des nach der Finanzkrise erlassenen Dodd-Frank-Act anordnet. Dombret warnte vor einer Schwächung oder Rückabwicklung zentraler Regeln. "Vielmehr sollte weiterhin konsequent an der Umsetzung der vereinbarten Regulierung gearbeitet werden", sagte er.
Handelskrieg hätte erhebliche negative Auswirkungen auf die USA
Ein Handelskrieg der USA würde sich gegen das Land selbst kehren. Er hätte nach Berechnungen des Münchener ifo-Institus erhebliche negative Auswirkungen auf die USA. "Für die USA wäre eine Abschottung mit sehr erheblichen Wohlstandsverlusten verbunden. Die Wirtschaftsleistung würde bis zu 9,3 Prozent fallen, wenn die USA Importzölle von 45 Prozent und nicht-tarifäre Barrieren von 15 Prozent gegenüber allen Handelspartnern erheben würden, und diese mit denselben Waffen zurückschlagen würden. Ein solches Szenario, wie von Donald Trump erwogen, würde die USA in einen Zustand der Autarkie versetzen", sagt Gabriel Felbermayr, Leiter des ifo Zentrums für Außenwirtschaft.
In diesem Fall könnte auch Deutschland eine Dämpfung seiner Wirtschaftsleistung bis zu 19 Milliarden Euro oder 0,6 Prozent erleiden. "Wir halten ein solches Szenario des schlimmsten Falles für unwahrscheinlich. Der Zweck dieser Übung liegt vielmehr darin, die Größenordnung abzustecken und allen Seiten klar zu machen, welch hohe Gefahren in einer handelspolitischen Eskalation liegen", fügte Felbermayr hinzu.
Besonders negativ wäre dieses Szenario für Kanada und Mexiko. Kanadas Jahreswirtschaftsleistung könnte um 70 Milliarden US-Dollar sinken, also um 3 bis 4 Prozent. Mexikos Wirtschaftsleistung könnte sinken um 41 bis 57 Milliarden Dollar, also um 3,7 bis 5,0 Prozent. China hingegen wäre weniger stark betroffen, weil es eine gut diversifizierte Handelsstruktur hat. Die negativen Effekte würden dort zwischen 0,7 und 1,0 Prozent betragen.
Etwas geringer würden die Handels- und Wohlstandsverluste ausfallen, wenn nur die USA 45 Prozent Zoll erheben würden, aber niemand sonst. Dann würde die Wirtschaftsleistung der USA aber immer noch um 6,63 Prozent sinken. Sollten die USA nur Mexiko und China mit Strafzöllen belegen, hätte das für Deutschland sogar kleine Vorteile: Diese Politik würde den US-Handel umlenken, sodass Waren und Dienstleistungen aus Deutschland die wegfallenden Importe aus China oder Mexiko teilweise ersetzen würden.
Mehr als 1,5 Millionen deutsche Jobs hängen derzeit am US-Geschäft. Rund 2,5 Prozent der deutschen Gesamtbeschäftigung hängen (direkt und indirekt) an Exporten in die USA, was etwas mehr als einer Million Jobs entspricht. Etwa 630.000 deutsche Jobs befinden sich in Betrieben, die von US Firmen kontrolliert werden. Insgesamt hängen also mehr als 1,5 Millionen deutsche Arbeitsplätze am US Geschäft.