Die extrem expansive globale Geldpolitik die Anfang des Jahrzehnts einsetzte und durch 9/11 und das Platzen der Tech-Bubble angeheizt wurde, hat nur sehr moderate Inflationstendenzen auf den Gütermärkten hervorgerufen. "Asset-Price-Inflation" war das entscheidende Thema der letzten Jahre, wie spätestens seit dem Platzen der Kreditblase offensichtlich wurde. Diese Tatsache ist von größter Bedeutung für die weitere Entwicklung an der Inflationsfront und spricht gegen die aktuell diskutierten Horrorszenarien. Zumindest was Güterpreisinflation anbelangt!
Hyper Hyper!
Inflationsszenarien aufgrund der expansiven monetären Maßnahmen nahezu aller Zentralbanken weltweit stehen im Mittelpunkt der makroökonomischen Sorgen. Hyperinflation ist wieder en vogue im Wortschatz vieler Ökonomen und offensichtlich sprechen langfristig einige Gründe für nachhaltige Preissteigerungen. Allerdings denken wir, dass das Inflationspotenzial überschätzt wird.
Zuerst ist zumindest in den Jahren 2009 und 2010 weniger mit Inflation sondern vielmehr mit Deflation zu rechnen. Die jüngsten Produzentenpreise aus den USA bestätigen genau diese Entwicklung. Sollten die durchschnittlichen Wachstumsprognosen wirklich eintreten, sind Inflationssorgen zumindest in der kurzen Frist unangebracht.
Abbildung: Güterpreisinflation? Nein, Vermögenswertinflation! [Quelle: Bloomberg]
Langfristig (2011 ff.) muss natürlich mit inflationären Tendenzen gerechnet werden, wobei der Terminus Hyperinflation völlig übertrieben erscheint. Es ist offensichtlich, dass der Fehler der 1930er Jahre nicht wiederholt werden sollte und als logische Reaktion auf die Krise die Liquiditätsversorgung ausgeweitet werden muss. Dreistellige jährliche Inflationsraten lassen sich jedoch nicht aus den momentanen expansiven Maßnahmen ableiten.
Ganz offensichtlich ist auch das Argument, dass die Stabilisierungsmaßnahmen für das Bankensystem einen zusätzlichen Inflationsschub auslösen könnten, vor allem in Europa ökonomisch nicht haltbar. Die Problematik der europäischen Banken ist weniger die Höhe potenzieller Ausfälle, sondern vielmehr die Knappheit an Risikokapital und limitierter Refinanzierungsmöglichkeiten. Die expansive Versorgung des Bankensystems mit Liquidität ist letztlich unabdingbare Voraussetzung, um das europäische Bankensystem zu stabilisieren. Aber ist es wirklich inflationstreibend? Offensichtlich nur dann, wenn die Banken die zusätzliche Liquidität der Zentralbanken direkt an die Realwirtschaft weitergeben. Die zurückgehende Kreditvergabe soll genau durch die zusätzliche Liquidität der Zentralbanken limitiert werden – jedoch ist nicht davon auszugehen, dass die Banken ihre Kreditvergabe drastisch ausweiten. Das wäre aber für inflationäre Impulse nötig. Ein Großteil der zusätzlichen Liquidität versickert also im Bankensystem und wirkt somit nicht inflationär!
Vor diesem Hintergrund soll nicht unerwähnt blieben, dass sich die Kosten der Krise für die Regierungen in diesem Fall als weitaus geringer erweisen könnten als es jetzt in der politischen Debatte dargestellt wird. Die staatlichen Garantien werden teilweise fürstlich bezahlt und soweit es sich um nichtinflationäre Refinanzierungsüberbrückungen handelt, sind die Kosten des Staates nicht zu vergleichen mit den potenziellen Buchverlusten der Banken!
Die Kosten der schwedischen Bankenkrise Anfang der 90er Jahre stellten sich im Nachhinein auch viel geringer dar als vorerst angenommen, da gerade die Bereitstellung von Garantien die erwarteten Ausfälle niedriger als implizit angenommen gehalten hat. Eine Form der (positiven) selbsterfüllenden Prozesse.
Letztlich stellt sich die Frage, ob auch in einem weitaus moderaterem Inflationsszenario (5 bis 6 Prozent in Europa) das Risiko nachhaltig ansteigt, dass sich eine Inflation dann nicht mehr kontrollieren lässt und somit ein "Inflationsanstoß" genügt, um letztendlich in einem hyperinflationären Umfeld zu enden. Das lässt sich theoretisch nicht ausschließen, erscheint aber weitaus weniger wahrscheinlich als es in der momentanen Diskussion dargestellt wird. Ein nicht von der Hand zu weisendes Risiko besteht allerdings darin, dass die expansiven Maßnahmen der Zentralbanken nicht Inflation auf den Gütermärkten hervorrufen, sondern vielmehr Asset-Price-Inflation nach sich ziehen.
"The Point of no Return" oder "Warum die nächste Bubble in Staatsanleihen auftreten wird"
Das USD 1.000 Milliarden-Programm der amerikanischen Regierung inkl. TALF (Term ABS Lending Facility), PPIF (Public Private Investment Funds) und dem Ankauf von US-Treasuries war eine Art letztes Gefecht der Fed gegen die Auswirkungen der Finanzkrise. Man kann viele Schlachten verlieren, allerdings sollte man die letzte immer gewinnen. Ansonsten ist der Krieg verloren. Es steht außer Zweifel, dass gerade die US-Autoritäten spätestens jetzt an einem Punkt angelangt sind, wo es kein Zurück mehr gibt!
Die Kombination aus historisch niedrigen Zinsen, dem Ankauf von "Bad Assets" und der Refinanzierung illiquider Instrumente stellt eine mächtige Waffe im Kampf gegen Finanzkrisen dar – allerdings kann diese nicht einfach wieder zurückgezogen werden, sondern muss solange aufrechterhalten werden, bis die damit verbundenen Ziele erreicht sind. Und dabei können natürlich immense volkswirtschaftliche Kosten entstehen.
Wie oben angesprochen, sollten Inflationsgefahren nicht nur auf die Gütermärkte eingegrenzt werden. Die oben genannten Maßnahmen stellen eher eine Gefahr für die Inflationierung von Vermögenswerten dar. Genau das wird das zentrale Problem sein, welches die Stabilisierungsprogramme mit sich bringen. Offensichtlich ist die erwünschte Wirkung eine Inflationierung der Vermögenswerte, um die Bilanzen der Banken zu entlasten! Es wird somit drastisch in die Marktpreisfindung eingegriffen, was sofort die Gefahr einer neuen Blase der Vermögenswerte hervorruft.
Die Fed hat durch ihre Niedrigzinspolitik im Anschluss an das Platzen der Tech-Bubble einen nicht geringen Anteil an der Entstehung der "Subprime-Krise". Die anhaltende Inflationierung erhöht folglich das Risiko einer nächsten Bubble.
Abbildung: Eurozone Overnight Deposits (jährliche Wachstumsrate) und 5-Jahres-Bund-Rendite (in %) [Quelle: Bloomberg]
Es ist auch völlig klar, wo man eine solche Bubble vermuten sollte. Offensichtlich in Staatsanleihen, weil diese von den Stabilisierungsprogrammen am stärksten profitieren. Das Ärgerliche an der Entstehung von Blasen ist, dass man solche erst erkennt, wenn sie geplatzt sind. Solange besteht die Tendenz, nichts verpassen zu wollen ("Herding").
Dr. Jochen Felsenheimer war von Juni 2001 bis September 2008 im Research der Bayerischen Hypo- und Vereinsbank AG (UniCredit Group) beschäftigt. Dort leitete er das Credit Strategy & Structured Credit Research-Team und war Stellvertretender Leiter des Global Credit Research-Teams. Er verantwortete alle Publikationen speziell zu den Themen Kreditmarkt, Kreditderivate sowie strukturierte Kredite und ist selbst Autor mehrerer Bücher und wissenschaftlicher Artikel zu den oben genannten Themenbereichen. Er ist häufig Sprecher auf internationalen Konferenzen und hält Schulungen zum Thema Kreditmarkt und Kreditderivate, u. a. für die Deutsche Bundesbank und für die BaFin. Er hat seine Promotion an der volkswirtschaftlichen Fakultät der LMU München eingereicht zu dem Thema "Die Einführung einer flexiblen Transaktionssteuer zur Verhinderung von Finanzkrisen".
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