Produktpiraterie verursacht Schäden in Milliardenhöhe

Wege zum Schutz geistigen Eigentums im Mittelstand


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Für den Erfolg eines Unternehmens werden von den Unternehmen selbst immaterielle Werte wie Mitarbeiter, geistiges Eigentum sowie Struktur- und Beziehungskapital als bedeutsamer bewertet als materielle Werte. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie, die im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie mit Unterstützung der TU Berlin durchgeführt wurde. Unterstrichen wird der Stellenwert immaterieller Werte für die Unternehmen noch einmal dadurch, dass diese in den vergangenen fünf Jahren einen viel größeren Bedeutungszuwachs für den Erfolg eines Unternehmens erfahren haben als die materiellen Werte. Mit dieser Entwicklung korrespondierend, geht die steigende Zahl der Patentrechte in Deutschland einher.

Laut Studie sind deutsche Unternehmen von unerlaubter Nachahmung rechtlich geschützten Know-hows stark betroffen. "Über zwei Drittel der befragten Unternehmen gaben an", so Alexander Cuntz und Florian Köhler, die die Studie mit erstellt haben, "schon einmal von Produkt- und Markenpiraterie betroffen gewesen zu sein." Dabei nenne jedes zehnte befragte Unternehmen innerhalb der EU Deutschland als Ursprungsland unerlaubter Nachahmung vor Italien und Frankreich. Außerhalb der EU führt China vor der Türkei und den USA die Sünderkartei an.

In Bezug auf die entstandenen Schäden durch Verletzungen geistiger Eigentumsrechte geben 12,1 Prozent der Befragten Umsatzeinbußen von über 10 Prozent an; bei der Mehrheit der befragten Unternehmen liegen diese bei unter 5 Prozent. Befragt wurden die Unternehmen außerdem zu den monetären Aufwendungen, die sie aufgrund der Piraterieproblematik aufzubringen hatten. Dies kann zusätzliche Kosten für die Durchsetzung von Rechten, ein intensiveres Beobachten des Marktes oder technische Schutzmechanismen beinhalten. Die Schätzung beider Kostenpunkte liegt auf Basis der Unternehmensantworten bei ca. 6,2 Prozent des Jahresumsatzes des Bezugsjahres 2007. Bezogen auf den Gesamtumsatz des verarbeitenden Gewerbes, dem die befragten Unternehmen überwiegend zuzuordnen sind, würde dies Piraterieschäden von bis zu 50 Mrd. Euro bedeuten, die dem vom VDMA ermittelten Wert von 7 Mrd. Euro für den Maschinen- und Anlagenbau ungefähr entsprechen würden. Der DIHK geht in seinen Hochrechnungen, welche nicht explizit nur forschungs- oder patentaktive Unternehmen umfassen, lediglich von 29 Mrd. Euro für die gesamte deutsche Wirtschaft aus.

Häufigkeit von Patent- und Markenrechtsverletzungen innerhalb bzw. außerhalb der Europäischen Union [Quelle: Die volkswirtschaftliche Bedeutung geistigen Eigentums und dessen Schutzes mit Fokus auf den Mittelstand, Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, Berlin 2009.]

Abbildung 1: Häufigkeit von Patent- und Markenrechtsverletzungen innerhalb bzw. außerhalb der Europäischen Union [Quelle: Die volkswirtschaftliche Bedeutung geistigen Eigentums und dessen Schutzes mit Fokus auf den Mittelstand, Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, Berlin 2009.]

Umsatzeinbußen und Zusatzkosten als Folge von Produktpiraterie [Quelle: Die volkswirtschaftliche Bedeutung geistigen Eigentums und dessen Schutzes mit Fokus auf den Mittelstand, Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, Berlin 2009.]


Abbildung 2: Umsatzeinbußen und Zusatzkosten als Folge von Produktpiraterie
[Quelle: Die volkswirtschaftliche Bedeutung geistigen Eigentums und dessen Schutzes mit Fokus auf den Mittelstand, Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, Berlin 2009.]


Zusätzlich zu den monetären Auswirkungen von Produktpiraterie wurde in dieser Studie analysiert, welche qualitativen Auswirkungen auf der Managementebene der Unternehmen als Reaktion auf die Piraterieproblematik zu erwarten sind. Bei den Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern wird dabei von einer stärkeren Nutzung formeller Schutzrechte wie Patenten berichtet, auch bei der Durchsetzung von Schutzrechten signalisieren Großunternehmen wachsende Anstrengungen. Da dies jedoch von den kleineren Unternehmen oftmals nicht geleistet werden kann, ist hier eine weiter wachsende Kluft in der Patentnutzung zwischen Unternehmen verschiedener Größe zu erwarten. Deutlich wird dies auch bei einem Vergleich der nach Eigenauskunft unmittelbar betroffenen Unternehmen mit einer Vergleichsgruppe, die keine unmittelbare Schutzrechtsverletzung angegeben hat. Bei größeren Firmen unter den "Piraterieopfern" wird hier ein signifikant höherer Wert für die Ausweitung der Nutzung und Durchsetzung formeller Schutzmethoden ermittelt, für mittelständische Unternehmen ist selbst bei unmittelbarer Betroffenheit eine Steigerung ihrer Schutzrechtsaktivitäten offensichtlich nicht möglich oder effizient.

Vor diesem Hintergrund sei es noch fataler, so die Studienautoren, dass bei den Unternehmen ein großes Informationsdefizit über öffentliche Unterstützungsprogramme für kleine und mittlere Unternehmen bestehe.

Die Studie empfiehlt von daher eine bessere Koordination und Kommunikation auf Bund- und Länderebene. Kritisch wird ebenfalls angemerkt, dass die Schutzmaßnahmen in Deutschland zu stark auf das Instrument des Patentschutzes orientiert sind. Cuntz: "Aufgabe der wirtschaftspolitisch Verantwortlichen muss es auch sein, Alternativen wie strikte Geheimhaltung, ein defensives Publikationsverhalten oder starken Markenschutz aufzuzeigen." Wobei es für ein erfolgreiches Agieren noch wichtiger wäre, all diese Instrumente entsprechend eines klar definierten Geschäftsmodells optimal miteinander zu kombinieren. Coca-Cola zum Beispiel, so Cuntz, habe auf eine Patentierung verzichtet, sondern auf eine strikte Geheimhaltung und einen starken Markenschutz gesetzt.

Download der kompletten Studie:


[Bildquelle: iStockPhoto]

Kommentare zu diesem Beitrag

RiskNET Redaktion /20.08.2009 11:45
Viele wertvolle Informationen zum Thema findet man auf der Kommunikationsplattform für präventiven Schutz vor Produktpiraterie: http://www.conimit.de/
Josef /20.08.2009 13:37
Was sagt eigentlich die Statistik (jenseits der 50 Mrd. Euro Piraterieschäden in D)?

Eine Studie der OECD schätzt den Warenwert der im Jahr 2005 gefälschten und grenzüberschreitenden gehandelten Produkte auf rund 200 Milliarden Dollar. Berücksichtigt wurden jedoch nicht gefälschte Produkte, die innerhalb eines Landes hergestellt und abgesetzt wurden, und Produkte, die im Internet gehandelt wurden. Daher könne die Gesamtsumme - so sagen die Verfasser der Studie - "mehrere hundert Milliarden" höher liegen. Die Internationale Handelskammer (ICC) beziffert den Warenwert, der weltweit mit gefälschten Produkten umgesetzt wird, auf 600 Milliarden Dollar.

Nach Schätzungen des Instituts der deutschen Wirtschaft entfallen in Deutschland 70.000 Arbeitsplätze durch Produkt- und Markenpiraterie.
Jochen /20.08.2009 16:15
Im vergangenen Jahr hat die Zollverwaltung gefälschte Produkte im Wert von rund 436 Millionen Euro beschlagnahmt. Mehr als ein Drittel der Fälschungen kamen aus China und Hong Kong ...

Produktpiraterie ist nur dort ein Problem, wo Konsumenten den Billigschrott kaufen ...
Regi /21.08.2009 08:37
Das zitierte Coca-Cola-Beispiel bestätigt die Kurzumfrage rechts (31,7 Prozent sind der Meinung, das unternehmensinterne Maßnahmen wichtig sind). Viel zu wenige Unternehmen denken über einen starken Markenschutz nach oder investieren Gedanken in den Schutz ihrer Informationen ;-(
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