Die Geschäftsumgebung für international agierende Unternehmen wird im Jahr 2011 durch die Konflikte um den Drogenhandel in Lateinamerika, die Wahlen in Afrika, das steigende Selbstbewusstsein zentralasiatischer Staaten sowie die starke Rolle Chinas beeinflusst sein. Dies geht aus der Studie "RiskMap 2011" hervor, die dem Risikomanager Sicherheitseinschätzungen für Regionen und Länder liefert.
Die Autoren von Control Risks erwarten, dass sich die Sicherheitsumgebung in Mexiko im Jahr 2011 weiter verschlechtert. Der dortige "Drogenkrieg" richtet sich zwar nicht gegen ausländische Firmen und ihre Angestellten, dennoch können diese durch die erhöhte Gewalt im Land bedroht sein. Auch die Gefahr von Entführungen steigt, da ehemalige Drogenhändler nach neuen Einkommensmöglichkeiten suchen. Dies verursacht Kosten, da zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen notwendig werden. Zudem wird die Logistik ausländischer Unternehmen erschwert, denn diese werden immer häufiger für den Transport von Drogen missbraucht. Stärkere Kontrollen sind notwendig. Die Konflikte um den Drogenhandel in Lateinamerika betreffen nicht nur Mexiko, sondern auch andere Länder: So sank der Coca-Anbau in Kolumbien etwa um 60 Prozent, stieg jedoch gleichzeitig in Peru. Diesen so genannten "Ballon-Effekt" gibt es auch auf den Handelsrouten: Bis zu 90 Prozent von Südamerikas Kokain wird mittlerweile über Honduras, El Salvador und Guatemala transportiert – vor drei Jahren war es lediglich ein Prozent.
Unternehmen, die in diesen neuen "Trafficking-Areas" aktiv sind, werden mit den Auswirkungen einer sich verschlechternden Geschäfts- und Sicherheitsumgebung zu kämpfen haben. Wichtigste neue kriminelle Gruppierung sind die "bacrims" in Kolumbien, die versuchen, die Kontrolle über den Drogenhandel zu gewinnen. Die Sicherheitsumgebung verschlechtert sich vor allem dann, wenn sich Strukturen im Zusammenhang mit dem Drogenhandel verändern.
Schwierige sicherheitspolitische Lage in Afrika
Das Jahr 2011 steht in Afrika im Zeichen der Wahlen: In 20 Ländern des Kontinents wählen die Bürger ein neues Staatsoberhaupt. Dies beeinflusst maßgeblich die sicherheitspolitische Lage in der Region. So erwartet Control Risks in 13 Staaten Unruhen im Zusammenhang mit den Wahlen, unter anderem in Nigeria, der Elfenbeinküste und Zimbabwe. In Nigeria geht das größte Risiko von der langjährigen Auseinandersetzung um Ressourcen im Mündungsdelta des Nigers aus. Besonders riskant ist die Sicherheitslage in Zimbabwe, so die Einschätzung der Experten. Unklare und zweifelhafte Wahlergebnisse könnten hier eine erneute politische Krise sowie Unruhen auslösen. Auch in Kamerun und Uganda hält Control Risks soziale Unruhen während des Wahlkampfes für wahrscheinlich.
Die politischen Ereignisse in Afrika bleiben nicht ohne Konsequenzen für Unternehmen und Investoren. Neben höheren Sicherheitsrisiken, die in Einzelfällen dazu führen können, dass Unternehmen ihre Mitarbeiter aus dem Land zurückziehen müssen, können kurzfristige Grenzschließungen, Straßensperrungen und Ausgangssperren die Geschäftstätigkeit erschweren.
Das Potential für einen Putsch sieht Control Risks in den sieben afrikanischen Ländern Zimbabwe, Zentralafrika, Gambia, Niger, Tschad, Guinea und Gabun als gegeben. Insgesamt bleiben die rechtlichen Rahmenbedingungen beim Abbau von Bodenschätzen äußerst schwierig abzuschätzen. Beispiele sind der Bergbauvertrag aus dem Jahr 2007 im Kongo, der zwar eine solide Basis hatte, jedoch in der Ausführung chaotisch war und dessen Umsetzung durch einzelne politische Akteure erschwert wurde. Ghanas Erhöhung seiner Bergbaulizenzen 2009 oder Sambias Umgestaltung der Bergbausteuer 2008 sind Beispiele dafür, dass Regierungen innerhalb kurzer Zeit die Rahmenbedingungen zu ihren eigenen Gunsten umgestalten können – zum Nachteil ausländischer Investoren.
GUS mit neuem Selbstbewusstsein
Die kaspischen Öl- und Gasexporteure Aserbaidschan, Kasachstan und Turkmenistan werden 2011 weiter an Selbstbewusstsein gewinnen. Kasachstan wird den Export von Öl aus den gigantischen Kashagan-Ölvorkommen sowohl in den Westen als auch nach China vorantreiben. Sobald im ersten Quartal 2011 die finale Investitionsentscheidung über die Errichtung der Nabucco-Pipeline gefallen ist, die die kaspische Halbinsel mit Europas Hauptgasader verbindet, wird Aserbaidschan Gas in den Westen exportieren.
Und wenn der Gastransport über das Kaspische Meer möglich ist, wird Turkmenistan damit beginnen, Gas nach Europa zu exportieren. In jedem Fall aber werden im kommenden Jahr die Gasexporte nach China und in den Iran steigen. Das gewachsene Selbstbewusstsein dieser drei Staaten wird dazu führen, dass diese in Zukunft ihre Interessen auch gegenüber Investoren klarer und entschiedener vertreten werden. Dadurch können die Verhandlungen für ausländische Unternehmen härter werden.
Die große Wirtschafts-Story in Asien wird fortgesetzt
Asiens wirtschaftliches Wachstum wird sich 2011 fortsetzen, jedoch nicht in dem Maße, wie es die Wirtschaftsentwicklung 2010 erwarten ließ. Dies hängt auch damit zusammen, dass die Experten im Jahr 2011 kaum wirtschaftliche Reformen in den asiatischen Staaten erwarten. Laut Control Risks fokussieren sich Länder wie China, Japan oder Indien in erster Linie auf schnelles Wachstum und verschieben beispielsweise die Einführung einer nachhaltigen Fiskalpolitik.
Insbesondere in den Beziehungen zu China können auch diplomatische Themen hohe geschäftliche Relevanz für Investoren haben. Beispielsweise besteht das Risiko, dass geschäftliche Beziehungen zu Unternehmen eingefroren werden, sobald bilaterale Probleme mit deren Heimatregierungen aufkommen. In Ostasien macht China vermehrt maritime Ansprüche geltend, was von den asiatischen Nachbarn mit Skepsis betrachtet wird. Auf der letzten ASEAN-Konferenz äußerte allen voran Indien Besorgnis. Die Gründe: Grenzkonflikte, Internetsicherheit, Tibet und chinesische Investitionen in indische Infrastrukturprojekte.
Megacities – Megarisks
130 Menschen pro Minute ziehen weltweit vom Land in die Stadt – 70 Millionen jedes Jahr. Egal, ob Tokio, Mumbai, Shanghai, Moskau, São Paulo, Lagos oder Mexiko-Stadt – die bevölkerungsreichsten Metropolen der Welt haben sich in den letzten 30 Jahren zu Megastädten, also mit einer Einwohnerzahl von zehn Millionen oder mehr, entwickelt. Die Verlockungen eines höheren Lebensstandards, das Verlangen der Menschen nach größerer Mobilität und die Hoffnung auf Arbeit haben die Anziehungskraft solcher Städte dramatisch in die Höhe getrieben. Tatsächlich lebt die Hälfte der Weltbevölkerung heute in Städten. Im Jahr 2030 wird diese Zahl laut Berechnungen der Vereinten Nationen die 60-Prozent-Marke erreichen. Das exponentielle Wachstum zwingt die Megastädte nun, sich gewaltigen Herausforderungen zu stellen. São Paulo und Johannesburg sind berüchtigt für ihre hohen Kriminalitätsraten. Moskau und Tokio befinden sich jeweils im Zustand eines permanenten Verkehrskollapses.
Was bedeutet dies für das Risikomanagement? Megacities könnten sich in naher Zukunft zu einer der größten Herausforderung für international tätige Unternehmen entwickeln. Die prekäre Sicherheitslage und die unregulierte "Schattenwirtschaft" gehören dabei zu den größten Problemen der Mega-Metropolen, die in den nächsten Jahren weiter wachsen werden. Vor allem in asiatischen Ländern erwartet Control Risks weitere "hypercities" mit mehr als 20 Millionen Einwohnern. Ähnliche Entwicklungen werden für Afrika und Lateinamerika erwartet. In vielen Megacities entsteht eine Parallelwirtschaft, die informell und unregistriert neben der registrierten Wirtschaft existiert. Diese Märkte und Arbeitswelten in der Grauzone machen die direkte Geschäftsumgebung äußerst intransparent und bergen kaum kalkulierbare Risiken. Unkontrollierbare Zuliefererketten, optimale Bedingungen für kriminelle Banden, Geldwäsche, Vetternwirtschaft und Korruption sind nach Erfahrungen der Experten von Control Risks nur einige der Probleme für ausländische Unternehmen. Die Unternehmensberatung empfiehlt daher, neue Geschäftspartner genau zu überprüfen, um illegale oder unethische Bedingungen bei Zulieferern und Partnern zu vermeiden.
Aushebeln der staatlichen Gewalt durch Banden
Laut Risk Map kann der Anteil der informellen Wirtschaft extrem hoch sein: In Kinshasa im Kongo haben laut Schätzungen weniger als fünf Prozent der Einwohner ein reguläres, formales Einkommen. In Karachi (Pakistan) arbeiten 75 Prozent in der unregulierten Sphäre, in Dhaka (Bangladesch), Khartoum (Sudan) und diversen Städten in Mittelamerika sind es 60 bis 75 Prozent. Eine besondere Herausforderung an das Sicherheitsmanagement von Unternehmen stellt die zunehmende Entwicklung so genannter "ungoverned spaces" dar.
Nach Ansicht der Studienautoren ist das starke Anwachsen von Stadtvierteln, in denen die staatliche Gewalt teilweise ausgehebelt wird, ein sehr besorgniserregender Trend. In bis zu 25 Prozent der Fläche von Städten wie Rio de Janeiro, Sao Paulo, Buenos Aires, Bogotá und Mexiko City kämpft der Staat mit Banden um die Kontrolle. Bewaffnete kriminelle Gruppen beherrschen ganze Stadtviertel. Unterbezahlte und schlecht ausgestattete Polizisten können nicht oder kaum für staatlichen Schutz sorgen, so dass es der organisierten Kriminalität gelingt, in Teilen den staatlichen Machtapparat zu ersetzen. Ein Indikator dafür, wie verbreitet solche städtischen Regionen bereits sind, ist der florierende illegale Waffenmarkt.
Schätzungen zufolge beträgt allein in Rio de Janeiro dessen Umsatz etwa 88 Millionen Dollar jährlich. Darüber hinaus kämpfen Unternehmen in solchen Ballungsregionen häufig mit starken Produktivitätsverlusten durch unzureichende Verkehrssysteme sowie mit einer schlechten Müll-, Abwasser-, und Elektrizitätsversorgung. Elektrizitätsdiebstahl, der die Betriebskosten registrierter Firmen und Anwohner in die Höhe treibt, ist an der Tagesordnung. Beispielsweise gelangen Schätzungen zufolge 90 Prozent von Lateinamerikas Abwässern ungefiltert in Flüsse oder die See. Im Kongo hat die Stadt Kinshasa mit einer Bevölkerung von etwa zehn Millionen Einwohnern überhaupt kein Abwassersystem.
Die sichersten Länder liegen in Europa
Gemeinsam mit den skandinavischen Ländern, der Schweiz und einigen kleineren Staaten wie Luxemburg ist Portugal das sicherste Land der Erde. Mit Portugal wird erstmals ein größeres südeuropäisches Land mit der Risikostufe "unerheblich" bewertet. Diese Bestnote für Sicherheit war bislang den skandinavischen Ländern Norwegen, Schweden, Dänemark, Finnland und Island sowie der Schweiz vorbehalten. Außerhalb Europas gibt es kein Land mit einem so geringen Sicherheitsrisiko. Damit ist Europa die sicherste Region der Welt, denn auch außerhalb von Portugal und Skandinavien ist in weiten Teilen unseres Kontinents das Risiko, Opfer von Diebstählen, Überfällen oder Entführungen zu werden "niedrig". Ausnahmen: Sizilien und Teile Süditaliens, das Baskenland, Bosnien und Herzegovina, der Kosovo sowie Thessaloniki und Athen wurden mit einem mittleren Risiko bewertet. Ab dieser Stufe gilt die staatliche Sicherheit als unzureichend.
Die Risk Map klassifiziert alle Länder weltweit in fünf Risikostufen: unerheblich, niedrig, mittel, hoch und extrem. Das Sicherheitsrisiko wird aus mehreren Komponenten ermittelt. Dazu gehören die Zahl der Diebstähle und Kleinkriminalität, Überfälle, aber auch Entführungen und bewaffnete Übergriffe sowie Sachbeschädigung, Betrug und die Gefahr von Terroranschlägen.
Die gefährlichsten Länder der Welt sind Somalia und Afghanistan. In beiden Staaten gilt für fast das ganze Land im kommenden Jahr die höchste Risikostufe "extrem". Das bedeutet, Recht und Gesetz sind außer Kraft, es herrschen bürgerkriegsähnliche Zustände. Afghanistans Nachbar Pakistan ist mit einem hohen bis extremen Risiko als beinahe ebenso unsicher eingestuft.
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Massives Überschwemmungsrisiko durch den Fluss Dietzhölze = erwartete Wartezeit in Jahren: 5.000 = 0,02% Eintrittswahrscheinlichkeit pro Jahr (unter der Annahme eines Exponentialprozesses mit konstanter Intensität); Schadensausmaß: 5.989 Einwohner könnten absaufen, sofern sie sich nicht rechtzeitig auf den 673,1 m hoch gelegenen Jagdberg zurückziehen. Terrorrisiko unwesentlich.