We are all Japanese

Weltwirtschaft: Das Klima verschlechtert sich


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Die Aussichten der Weltwirtschaft werden schlechter. Das Jahr hatte gut angefangen. Das Wachstum im ersten Quartal war ordentlich. Viele zogen daraus den Schluss, dass sich dies so fortsetzen werde und der Beginn eines längerfristigen Aufschwungs sei. Jetzt schlägt die Stimmung um. Ich war in der letzten Woche auf der Frühjahrstagung des Institute of International Finance in Kopenhagen. Dort trafen sich Banker aus allen Kontinenten. Die allgemeine Einschätzung der weiteren konjunkturellen Entwicklung (abgesehen von allen Finanzproblemen) war ausgesprochen negativ.

Ich hatte schon im April geschrieben, dass ich die konjunkturellen Perspektiven nicht so positiv einschätze. Dass sie sich aber so schnell und so stark verschlechtern, hatte ich nicht gedacht.

Die meisten führen das auf die Eurokrise zurück. Die Eskalation der Probleme in der Währungsunion ist sicher ein zentrales Thema. Ihr die Hauptschuld an der schwierigen Lage der Weltwirtschaft zuzuschieben ist aber nicht gerechtfertigt. Der Euroraum macht nur knapp 20 Prozent der Weltwirtschaft aus. Das Wachstum hat sich hier gegenüber 2011 lediglich um 1,5 Prozentpunkte verringert. Das ist zu verkraften. Auf einen Austritt Griechenlands aus dem Euro haben sich die Unternehmen weitgehend eingestellt. Nur wenn der Euro ganz zerfallen würde (was ich nach wie vor für sehr unwahrscheinlich halte), hätte dies stärkere Rückwirkungen auf die Weltwirtschaft.

Wichtiger für die Verschlechterung der weltwirtschaftlichen Aussichten ist der Einbruch des Wachstums in den Schwellenländern. In China verringert sich das Wachstum von 9,2 Prozent in 2011 auf vielleicht 7,5 Prozent in 2012, in Indien von 7,2 Prozent auf vielleicht 5 Prozent, in allen Schwellen- und Entwicklungsländern insgesamt (die rund die Hälfte der Weltwirtschaft ausmachen) von 6,2 Prozent auf vielleicht 5 Prozent. Das sind absolut gesehen zwar immer noch gute Ergebnisse. Sie reichen aber nicht aus für eine Lokomotive der Weltwirtschaft. Hier zeigen sich zum Teil Strukturprobleme, die schon lange schwelen. Siehe etwa die sinkenden Immobilienpreise in China. Hinzu kommt die restriktive Geldpolitik, die die Länder zur Bekämpfung der Inflation betrieben hatten und die immer noch nachwirkt. In Russland machen sich die gesunkenen Ölpreise bemerkbar.

Verschlechtert hat sich die Lage auch in den USA. Auslöser waren die enttäuschenden Zahlen des Arbeitsmarkts und der Einkaufs-Manager-Indices. Je weiter das Jahr voranschreitet, umso mehr rücken aber auch die Gefahren des "Fiscal Cliff" in das Bewusstsein. Es handelt sich dabei um eine Reihe von vornehmlich Steuererleichterungen, die am Jahresende automatisch auslaufen, wenn sich die Republikaner und die Demokraten nicht auf eine Verlängerung verständigen. Immerhin geht es dabei um einen Betrag von USD 600 Mrd., das sind über 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Angesichts der bevorstehenden Präsidentenwahl sind die Chancen eines Kompromisses überhaupt nicht abschätzbar.

Hinzu kommt, dass die USA das Problem der hohen öffentlichen Verschuldung angehen müssen. Auch das wird Wachstum kosten. Die Einkommen der privaten Haushalte steigen nur noch langsam, wodurch weniger Geld für den in Amerika so wichtigen privaten Konsum zur Verfügung steht. Die Sparquote, die sich in der Subprime-Krise erhöht und das Problem der hohen Konsumentenverschuldung gemildert hatte, hat sich mehr als halbiert. Sie liegt jetzt nur noch bei 3,4 Prozent. Insgesamt werden die Schätzungen für das Wachstum in den Vereinigten Staaten in diesem und dem nächsten Jahr von 2,5 Prozent bis 3 Prozent auf unter 2 Prozent zurückgenommen.

Was vor allem beunruhigend ist: Die Verschlechterung der Situation in der Weltwirtschaft wird von vielen Beobachtern nicht nur als eine vorübergehende Delle angesehen. Sie fürchten vielmehr auch, dass das Wachstum längere Zeit niedrig bleiben könnte, ein "verlorenes Jahrzehnt" also wie in Japan. Siehe hierzu die Grafik, die die Parallelität bei den Zinsen zeigt. Der Kapitalmarktchef des Institutes of International Finance Hung Tran sagte: "We are all Japanese". Freilich gibt es keine harten Fakten, die das zwingend erforderlich erscheinen lassen. Aber 50 Prozent der Konjunktur sind bekanntlich Psychologie.

Abbildung: Wie in Japan? Rendite 10-jähriger Staats-Bonds, indexiert
Abbildung: Wie in Japan? Rendite 10-jähriger Staats-Bonds, indexiert

 

 

Autor: Dr. Martin W. Hüfner, Chief Economist, Assenagon Asset Management S.A. 


[Bildquelle: iStockPhoto]

 

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