Norwegen, die Niederlande, die Schweiz und Luxemburg. Das sind die vier verbliebenen Länder in der Kategorie A1 beim internationalen Kreditversicherer Coface. Denn mit Deutschland und Österreich hat Coface jetzt zwei Länder aus der besten Stufe in A2 herabgesetzt.
Die Herabstufung für Österreich begründet der Kreditversicherer mit der zunehmenden politischen Unsicherheit, der Schwächung der Dynamik der industriellen Produktion sowie der starken Abhängigkeit von der deutschen Wirtschaft. Für Deutschland sehen die Coface-Volkswirte Indikatoren, die auf steigende pessimistische Geschäftserwartungen hindeuten. Ein Treiber liegt vor allem in der Abschwächung der Automobilproduktion. Viele Automobilexperten sehen die Automobilindustrie vor einer existenziellen Krise. Die heutigen Produktionskapazitäten werden möglicherweise in den nächsten Jahren nicht mehr benötigt. So prognostiziert beispielsweise der Stanford-Dozent Tony Seba in einer Studie, dass im Jahre 2025 weltweit keine Fahrzeuge mit traditionellen Verbrennungsmotoren mehr verkauft werden.
Automotive als Motor der Abschwächung
Die in Teilbereichen eng miteinander verbundenen Branchen Automotive und Metall führt Coface in der Branchenbewertung für Deutschland nun in der Kategorie "hohes Risiko". Die Informations- und Kommunikationstechnologie sowie Pharma wurden auf "mittleres Risiko" herabgestuft. Die Länderbewertung erfolgt in den Stufen A1 bis A4, B, C, D und E. Die Branchenrisiken erfasst der Kreditversicherer in "sehr hoch", "hoch", "mittel" und "gering". Anders als die Länderratings der Ratingagenturen macht die Länderbewertung von Coface keine Aussage zur Staatsbonität oder über den Wert von Staatsanleihen. Coface bemisst das Risiko für Unternehmen, bei Geschäften mit Abnehmern in einem Land Forderungsverluste zu erleiden. Die Volkswirte untersuchen neben der wirtschaftlichen und politischen Situation in 161 Ländern auch die Entwicklung von 13 Branchen in 26 Ländern. Dieser Ausschnitt erfasst rund 85 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung.
Die Automobilproduktion ist von einer jährlichen Rate von 5 Prozent im Februar 2017 auf rund minus 12 Prozent im Frühjahr 2019 gesunken. Seit August 2018 sind im Durchschnitt die negativen jährlichen Produktionszahlen fast durchgehend zweistellig. Auch die Auftragseingänge und Exportzahlen sind auf Jahresbasis negativ. "Zwar haben die deutschen Hersteller ihre Investitionen in die E-Mobilität von 2017 bis 2018 verdoppelt. Insgesamt gingen die Investitionen in die Automobilproduktion jedoch zurück", bilanziert Christiane von Berg. Global investierten die 16 größten Automobilunternehmen 2017 noch in 156 Projekte im Wert von rund 26,7 Milliarden US-Dollar. 2018 waren es nur 118 neue Projekte im Wert von 22,4 Milliarden US-Dollar.
Starke Abhängigkeit zwischen Metall- und Automobilindustrie
Eng mit der deutschen Automobilindustrie verbunden ist die Metallindustrie. Viele Vorprodukte für Autos werden in Deutschland hergestellt. Die weit verbreitete reduzierte Nachfrage nach Kraftfahrzeugen deutscher Hersteller schadet damit auch der Metallindustrie. So ist der Auftragseingang seit August 2018 rückläufig und liegt im negativen Bereich gegenüber 2018. Auch die Produktion der Metallbranche ist zurückgegangen und ist seit November 2018 im Jahresvergleich negativ. Hier hat die Produktion von Eisen und Stahl einen besonders negativen Einfluss auf die Gesamtproduktion.
IKT im harten Wettbewerb
Ein steigendes Risiko sieht Coface in der IKT-Branche und hat den Sektor von "niedriges" in "mittleres Risiko" herabgestuft. Im harten Wettbewerb hat sich die Stimmung in der Branche erheblich verschlechtert. "Die Auslandsaufträge liegen ständig im negativen Bereich und die Produktion von Computer- und Elektronikprodukten ist seit fast sechs Monaten gegenüber dem Vorjahr rückläufig", erklärt Christiane von Berg. Sie befürchtet, dass nach der 5G-Auktion in Deutschland, die dem Staat über 6 Milliarden Euro eingebracht hat, für die Unternehmen die Luft dünner wird: "Bei so hohen Lizenzkosten bleibt weniger finanzielle Liquidität für Investitionen in das eigentliche Netzwerk."
Leichte Schatten auf Pharma-Branche
Wie für IKT sieht Coface auch für die Pharma-Branche ein allgemein "mittleres Risiko". "Generell ist die aktuelle Geschäftslage der deutschen Pharmaindustrie positiv", sagt Christiane von Berg. "Die positive Grundstimmung spiegelt sich in den Umsatzzahlen der letzten Jahre wider, und die Margen der Pharmahersteller blieben bis Ende 2018 hoch." Allerdings fallen allmählich Schatten auf dieses positive Bild. Die nachlassende Wachstumsdynamik in der deutschen Industrie wirkt sich teilweise auf die Pharmaindustrie aus, obwohl der Gesamteffekt geringer ist als in anderen Branchen. Die Auftragszahlen für pharmazeutische Grundstoffe und deren Herstellung liegen aber seit einigen Monaten unter dem Vorjahr. Außerdem stehen vor allem die großen deutschen Unternehmen nicht mehr in der ersten Reihe. Sie kämpfen mit einem intensiven Wettbewerb, zumal viele Lizenzen für bestimmte medizinische "Blockbuster"-Produkte auslaufen und billigere Generika auf dem Markt sind.
Letztlich dürfte sich die Konjunktur- und Branchenproblematik auch auf die Insolvenzentwicklung auswirken. "Auch wenn nach dem schwachen ersten Quartal 2019 sich die Insolvenzen im Frühjahr wohl wieder etwas beruhigt haben, gehen wir für das Gesamtjahr von wieder insgesamt steigenden Insolvenzzahlen aus", erklärt Christiane von Berg. Den Anstieg prognostiziert Coface für Deutschland mit 1 Prozent, für Westeuropa mit 2 Prozent.
Es wird dunkler auf der Risikoweltkarte
Der Blick auf die Risikoweltkarte zeigt: In A2 sind die westlichen EU-Länder, Nordamerika mit den USA und Kanada, Australien und in Asien Japan, Südkorea und Taiwan. Im Wesentlichen zeigt sich der Farbverlauf in Richtung höheres Risiko von West nach Ost und von Nord nach Süd. Dunkelrot und mit dem höchsten Risiko (E) kennzeichnet Coface unter anderem in Afrika die Staaten Libyen, Sudan, Eritrea und Zimbabwe, im arabischen Raum Syrien, Irak und Iran, dazu Venezuela und Nordkorea.
Der Kreditversicherer Coface beschreibt mit den Bewertungen für 161 Länder das Risiko für Unternehmen, bei Geschäften mit Kunden in einem Land Forderungsausfälle zu erleiden. Die Einstufung erfolgt in acht Kategorien: A1 bis A4, B, C, D und E. Die Länderbewertungen werden ergänzt durch Branchenanalysen und im konkreten Kreditversicherungsgeschäft um die Einschätzung der Bonität von Unternehmen. Mit einer Kreditversicherung schützen sich Unternehmen vor dem Risiko, dass ihre Kunden nicht bezahlen.