Es gibt in der Welt viele Währungen, die gleich oder ähnlich sind. Es gibt aber nur eine, die – im Sinne von George Orwell's Animal Farm – gleicher ist als alle anderen. Das ist der US-Dollar. Er ist nach wie vor die unbestrittene Reservewährung. Lange Zeit waren wir froh, einen solchen Anker des Währungssystems zu haben. Inzwischen haben wir erfahren, dass das auch mit Abhängigkeiten verbunden ist, die nicht immer angenehm sind. Ein Multiwährungssystem mit zwei oder mehreren Währungen nebeneinander erscheint vielen besser. Könnte der Euro in eine solchen Rolle als "Nummer 2" hinter dem Dollar hineinwachsen?
Als die Gemeinschaftswährung gegründet wurde, gab es in der Tat entsprechende Hoffnungen. In den ersten neun Jahren stieg der Anteil des Euros an den Weltwährungsreserven trotz der vielfältigen Zweifel, die der neuen Währung damals entgegenschlugen, von 18 Prozent auf 28 Prozent. Damit hatte niemand gerechnet. Dann aber kamen die Schwierigkeiten. Der Euro verlor an Marktanteil. Bis Anfang vorigen Jahres verringerte er sich wieder bis fast auf das ursprüngliche Niveau. Dabei spielten viele Dinge eine Rolle, vor allem natürlich die Große Finanzkrise 2008 sowie die folgende Eurokrise. Der US-Dollar erwies sich als der sichere Hafen, in dem die Zentralbanken der Welt ihre Reserven am besten aufgehoben fühlten. Auf die amerikanische Währung entfallen derzeit immer noch über 60 Prozent der globalen Währungsreserven.
Mehr Euros in der Welt? Anteil des Euros an den globalen Währungsreserven [Quelle: EZB]
Jetzt scheint sich die Situation erneut zu drehen. Der Euro ist, ganz vorsichtig noch, wieder im Aufwind. Siehe Grafik. Sein Anteil an den Weltwährungsreserven hat sich in den letzten zwei Jahren um einen Prozentpunkt erhöht. Das ist historisch gesehen zwar immer noch wenig (siehe Grafik). Der Trend aber zeigt nach oben. Russland beispielsweise hat nach Angaben der EZB voriges Jahr USD-Reserven in Höhe von USD 90 Mio. verkauft und dafür Euros erworben. China tat dasselbe mit einem Betrag von USD 60 Mio.
Das ist überraschend. Denn gesamtwirtschaftlich sieht es für die Gemeinschaftswährung gar nicht gut aus. Das Wachstum ist schwach, halb so groß wie das der USA. Die Inflation ist zu niedrig. Die Geldpolitik wird weiter gelockert. Bei negativen Zinsen von minus 0,4 Prozent (und demnächst vielleicht noch weniger) ist eine Anlage in der Gemeinschaftswährung alles andere als attraktiv. Gegenüber dem US-Dollar hat sich der Euro in den letzten eineinhalb Jahren um 8 Prozent abgewertet.
Das müsste die Zentralbanken vom Euro eigentlich abschrecken. Andererseits ist es nicht ungewöhnlich, dass sich der Devisenmarkt anders entwickelt. Es liegt daran, dass an beiden Märkten sehr verschiedene Akteure tätig sind. An den Devisenmärkten stehen kürzerfristige Renditeüberlegungen im Mittelpunkt. Zentralbanken denken dagegen längerfristiger und strategischer. Sie sind an Sicherheit und jederzeitiger Liquidisierbarkeit interessiert, manchmal spielen hier auch politische Dinge eine Rolle.
Im Augenblick sind es vor allem drei Gründe, die sie bewegen. Zum einen hat sich die Gemeinschaftswährung in den letzten Jahren innerlich gefestigt. Es gab zwar nicht die großen Reformen, wie sie etwa der französische Staatspräsident im Sinn hatte.
Es wurde aber eine Reihe von kleinen, stetigen Fortschritten erzielt, etwa bei der Bildung der Banken- und Kapitalmarktunion. Irland, Portugal und Spanien haben die Anpassungsprogramme der Gemeinschaft erfolgreich abgeschlossen. Griechenland kann sich wieder an den Märkten refinanzieren. In Italien gibt es zwar neue Probleme. Die Regierung in Rom scheint aber so wie es aussieht gewillt, diese nicht eskalieren zu lassen. Es ist klar, dass sich all das positiv auf die Bereitschaft der Zentralbanken auswirkt, Geld in Euro anzulegen.
Der zweite Grund ist das gestiegene Selbstbewusstsein der Europäer. Der Europäische Rat hat sich Ende letzten Jahres ausdrücklich dazu bekannt, die internationale Rolle des Euros stärken zu wollen. Die EZB hat sich in ihrem letzten Bericht über die internationale Rolle des Euros deutlich von der neutralen Haltung distanziert, die die EZB ursprünglich gegenüber einer Nutzung des Euros auf internationaler Ebene eingenommen hatte. Internationale Gelder sind in der Währungsunion willkommen. Das gefällt natürlich den Anlegern.
Dies vor allem auch deshalb, weil sie sehen, dass der Zufluss von Auslandsgeldern auch im Interesse der Europäer selbst liegt. Die EZB betont, dass die Wirkung ihrer Geldpolitik steigt, wenn der Euro eine größere globale Rolle spielt. Sie zieht hier Vergleiche mit der amerikanischen Federal Reserve, deren Geldpolitik vor allem für die Schwellen- und Entwicklungsländer so wichtig ist. Sie erklärt ferner, dass sie bei einer größeren Rolle des Euros weniger von internationalen Entwicklungen abhängig ist. Ihre geldpolitische Autonomie steigt. Auch von Wechselkurseffekten ist sie weniger betroffen, wenn ein größerer Teil des Handels in Euro fakturiert wird.
Der dritte Grund ist, dass die USA in letzter Zeit an Attraktivität verloren haben. Sie haben zwar einen größeren Kapitalmarkt und bieten derzeit einen höheren Zins. Von der weltweiten konjunkturellen Abschwächung sind sie kaum betroffen. Andererseits schreckt die erratische Politik von Präsident Trump. Wem man in Sachen Handelspolitik nicht trauen kann, bei dem legt man natürlich auch nicht so gern sein Geld an.
Richten Sie sich darauf ein, dass der Euro internationaler werden wird. Das bringt mehr Kapitalzuflüsse und kommt damit den Kapitalmärkten zugute, vor allem den Rentenmärkten. Wer sein Geld im Ausland anlegen will, muss allerdings die Wechselkursrisiken bedenken. Der US-Dollar ist zwar nach wie vor fest, und es gibt viele Dollar-Bullen am Markt. Ich würde mich aber wundern, wenn das auf Dauer so bleibt, nicht zuletzt, weil der amerikanische Präsident den Dollar lieber etwas schwächer sieht.
Autor:
Dr. Martin W. Hüfner, Chief Economist, Assenagon Asset Management S.A.