Kommentar

Wie schön wäre es, wenn der Euro nicht so europäisch wäre


Wie schön wäre es, wenn der Euro nicht so europäisch wäre News

Als ich zuerst davon hörte, traute ich meinen Ohren nicht. Jeder regt sich in Deutschland über die Transferunion auf. Es kann doch nicht sein, dass hiesige Steuerzahler die Löcher in den Haushalten der südeuropäischen Staaten schließen! Nun hat die Bundesregierung in der vorigen Woche beschlossen, der spanischen Förderbank ICO einen Kredit in Höhe von EUR 800 Mio. zu gewähren, mit dem vor allem den kleinen und mittleren Unternehmen auf der iberischen Halbinsel geholfen werden soll. Gleichzeitig vereinbarte die deutsche Arbeitsministerin mit ihrer spanischen Kollegin, Jugendlichen aus dem bedrängten Land mit Ausbildungsplätzen zu helfen.

Und was war die Reaktion der Öffentlichkeit? Außer ein paar pflichtgemäßen Protesten der Opposition regt sich kaum einer darüber auf. Im Gegenteil. Die meisten finden es richtig, den Menschen in Staaten mit hoher Arbeitslosigkeit zu helfen. Auch Portugal und Griechenland sollen solche Unterstützungen bekommen, sobald es dort Förderbanken gibt, die solche Globaldarlehen sinnvoll an die Wirtschaft vergeben können.

Wie passt das zusammen? Auf der einen Seite Zeter und Mordio, wenn auch nur ein Euro im Rahmen der Hilfsprogramme der Währungsunion an die Schuldnerländer fließt (auch wenn es sich dabei nur um Kredite und Bürgschaften handelt, bei denen bisher noch kein Geld des Steuerzahlers verloren wurde). Auf der anderen Seite sind wir auf bilateraler Ebene bereit, großzügig Hilfe zu leisten. Das Risiko bei bilateralen Hilfen ist vielleicht sogar noch größer. Denn die Kredite an kleine und mittlere Unternehmen in Spanien haben vermutlich größere Ausfallwahrscheinlichkeiten als die Kredite an Staaten.

Um wie viel einfacher wäre es im Euro, wenn alle Hilfsgelder über solche bilateralen Kanäle laufen könnten! Dann wäre Schluss mit der Diskussion über die Transferunion. Dann würde niemand mehr behaupten, die gemeinsame Währung lebe nur auf Kosten des Steuerzahlers und die Südeuropäer würden die Deutschen ausbeuten.

Vier Schlussfolgerungen ziehe ich daraus: Erstens ein Caveat. Man darf den Vergleich der bilateralen Hilfen mit den multilateralen Geldern auf Gemeinschaftsebene nicht zu weit treiben. Die bilateralen Hilfen sind sehr klein verglichen mit der Gesamtsumme der Mittel, die die Länder benötigen (siehe Tabelle). Es wäre undenkbar, die großen Summen, die geflossen sind, nur auf bilateraler Basis aufzubringen.

Ausleihsummen der Euroländer in Mrd. EUR [Quelle: ifo]
Ausleihsummen der Euroländer in Mrd. EUR [Quelle: ifo]

Zweitens, das Positive: Es gibt Solidarität in Europa, mehr vielleicht als viele denken. Angesichts der hohen Jugendarbeitslosigkeit und der anhaltenden Rezession sind die Gläubigerländer bereit zu helfen. Das ist ein gutes Zeichen für den Euro und den Zusammenhalt in der Union. Keine Gemeinschaft kann auf Dauer zusammenbleiben, wenn es nicht ein Mindestmaß an Mitempfinden zwischen denen gibt, die Geld haben und denen, die es nicht haben.

Drittens: Es besteht ein Widerwille der Bevölkerung gegen eine "von oben" erzwungene Solidarität. Das gibt es auch innerhalb der Nationalstaaten. In diesem Jahr waren die Bürger beispielsweise nach der Hochwasserkatastrophe spontan zu Hilfen bereit, nachdem sie die Bilder von den Schäden gesehen haben. Andererseits gibt es erheblichen Widerstand gegen erzwungene Umverteilungsmaßnahmen. Siehe die Klage gegen den Finanzausgleich innerhalb Deutschlands beim Bundesverfassungsgericht. Siehe auch die Kritik am Solidaritätszuschlag zugunsten der neuen Bundesländer.

Viertens: Besonders stark ist der Widerwille der Bürger gegenüber solchen Umverteilungsmaßnahmen auf europäischer Ebene. Zum einen natürlich, weil die Partner in Europa emotional weiter weg sind als die Bundesstaaten in Deutschland. Zum anderen, weil Brüssel bei den Menschen wegen seiner Regelungswut so unbeliebt ist.

Wenn man dies überwinden will, muss man drei Dinge tun.Zum Ersten sollte man bilaterale Hilfen anstelle von multilateralen Zahlungen soweit wie möglich ermutigen. Zum Zweiten sollte man die Rettungsschirme in der Währungsunion (über die die multilateralen Zahlungen laufen) nicht zu stark mit Brüssel in Verbindung bringen. Vielleicht wäre es ganz gut, wenn man den ESM als einen unabhängigen Europäischen Währungsfonds (wie den IWF auf internationaler Ebene) positionieren könnte. Auch der Europäischen Zentralbank in Frankfurt ist es gelungen, in der Unabhängigkeit von Brüssel ein positives Image aufzubauen.

Zum Dritten darf man bei der Weiterentwicklung der Gemeinschaft nicht nur an zusätzliche Integration denken. Man muss auch überlegen, wie die Gemeinschaft langfristig attraktiver für die Menschen werden kann. Ziel kann nicht eine Art "europäischer Nationalstaat" sein, der alles regelt. Das wollen die Bürger nicht. Das neue Europa muss viel dezentraler und bürgernäher über die Regionen gesteuert werden. In Brüssel darf nur das vereinheitlicht werden, was unabdingbar zentral gemacht werden muss. Zum Beispiel die Außenpolitik. Verbraucherpolitik kann dagegen durchaus national geregelt werden. Warum sollen genmanipulierte Erdbeeren nicht in einer Region erlaubt sein (wenn die Menschen das wollen), in einer anderen dagegen nicht? Ein solches Europa fände bei den Bürgern sicher mehr Zustimmung.

 

Autor: Dr. Martin W. Hüfner, Chief Economist, Assenagon Asset Management S.A.

 

 

[Bildquelle: © phokrates - Fotolia.com]

 

Kommentare zu diesem Beitrag

RiskNET Redaktion /22.07.2013 10:55
+++ Sinn: Steuerzahler haften trotz Bankenunion für Bankpleiten +++

Die geplante Bankenunion wird nach Ansicht von Hans-Werner Sinn, Präsident des ifo-Instituts, die deutschen Steuerzahler nicht vor einer Mithaftung bei künftigen Bankpleiten schützen. In einem Gastbeitrag für das Magazin Wirtschaftswoche verweist Sinn auf "eine lange Liste von Ausnahmen geschützter Bankgläubiger". Nicht in die Haftung einbezogen seien "alle besicherten Kredite, unabhängig von der Qualität der Pfänder". Dazu gehörten auch sämtliche EZB-Kredite, auch solche, die nur mit Staatspapieren besichert sind, die bei den Ratingagenturen als Schrottpapiere gelten. Ausgenommen seien auch kurzfristige Interbankenkredite und Einlagen bis zu einer Höhe von 100.000 Euro, was dem Zweifachen des Vermögens eines mittleren deutschen Haushalts entspreche.

"Die Banken dürften nun versuchen, ihre Gläubigerstrukturen so umzuschichten, dass es praktisch nur noch geschützte Gläubiger gibt. Dann bliebe dem ESM am Ende nichts anderes übrig, als die Zeche zu zahlen", warnt Sinn. Dabei werde im Fall, dass die Krisenländer nicht zahlen können, Deutschland den Löwenanteil tragen müssen. Zwar sei Deutschland am Rettungsfonds ESM nominal mit 27 Prozent, bei einem Ausfall der Krisenländer aber mit 43 Prozent beteiligt.

"Die Bankenschulden der sechs Krisenländer Griechenland, Irland, Portugal, Spanien, Italien und Zypern liegen bei unvorstellbaren neun Billionen Euro, und die Anlagen der Banken noch etwas darüber. Das ist zweieinhalb Mal so viel wie die Staatsschulden dieser Länder. Viele Banken sind angeschlagen und stehen am Rande des Bankrotts", so Sinn.
Martin Hüfner /14.07.2013 21:07
Zu Alexander vom 12.7.: Ja, Sie haben recht, dass bei der positive Bewertung der bilateralen Hilfen auch der Gedanke des Mittelstandes eine Rolle spielen könnte. Man sollte das noch stärker in den Fokus stellen und auch - wie Alexander anregt - noch stärker auf die richtige und ehrliche Verwendung achten. Das gilt ja für alle Spenden. Dass bei gemeinschaftlichen Hilfen das Meiste von korrupten Eliten "abgegriffen" und auf Schweizer Konten "umgeleitet wird" ist eine in der Öffentlichkeit gern geäußerte Behauptung. Belege habe ich dazu noch nicht gesehen.

Zu Flo: Danke für die ausführliche Stellungnahme. Freilich sind diese Gedanken so weit von meinen entfernt, dass es keinen Sinn macht, darüber im Einzelnen zu diskutieren. Wir werden uns gegenseitig nicht überzeugen können. Das ist schade; aber manchmal ist das so im Leben. Dann soll man es auch nicht versuchen.
Flo /15.07.2013 08:53
Zu Martin vom 14.7.: Danke für die Antwort. Ich stimme zu, dass die Gedanken weit auseinanderliegen. Es gibt immer Schnittmengen aber auch Unvereinbarkeiten. Eine Diskussion wäre sicher interessant aber dies ist schriftlich schwer möglich. Die Komplexität des Themas erfordert vereinbarte Einschränkungen, um eine Unterhaltung zu ermöglichen und auch Unterhaltungsgegenstand, Annahmen sowie Fakten müssten gemeinsam ausgewählt und beurteilt werden, bevor unterschiedliche Aspekte und deren Für und Wider abgewogen werden können.
Für die Anspielung einer Voreingenommenheit durch Ihre Branche entschuldige ich mich ausdrücklich. Das war der schnellen Ablehnung des mich am meisten störenden Aspekts der Nicht-Betrachtung des Risikos von Bürgschaften auf dieser Seite geschuldet, unnötig und wenig erhellend.
Meiner Meinung nach kann niemand 100% der Wahrheit gepachtet, alle Annahmen richtig und Zugriff auf vollständige Information haben. Wer aufhört sich selbst zu hinterfragen liegt garantiert falsch. Einige Aspekte Ihrer Überlegungen sind durchaus interessant. Naturgemäß hätte ich es anders ausgedrückt (wie jeder andere auch), aber ich danke für die Anregung und die geäußerten Thesen.
RiskNET Redaktion /12.07.2013 08:26
+++ EZB-Chefvolkswirt: Banken können ohne Steuergeld gerettet werden +++

Der Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB), Peter Praet, ist optimistisch, dass die europäischen Banken gerettet werden können, ohne die Steuerzahler erneut zu belasten. "Mein erster Eindruck ist, dass der Rekapitalisierungsbedarf überall vom Privatsektor gestemmt werden kann", sagt Praet im Interview mit dem Handelsblatt. Exakt werde die Notenbank den Kapitalbedarf aber frühestens in einem Jahr kennen. Erst dann könnten auch die Überprüfungen der Bankbilanzen und die Stresstests abgeschlossen sein.

Die EZB ist von den europäischen Regierungen damit beauftragt worden, die Aufsicht über die großen Banken des Währungsraums zu übernehmen. Dazu muss Praet, der in der EZB auch für Personal zuständig ist, tausend Aufsichtsexperten einstellen. Um vor dem geplanten Start der Aufsicht im zweiten Halbjahr 2014 bereits handlungsfähig zu sein, werde man sich auch externer Dienstleister bedienen, kündigt Praet an.

Wegen des Aufgabenzuwachses fürchtet der Chefvolkswirt eine "mögliche Überlastung" der EZB. Die Euro-Zone sei mit zu wenig handlungsfähigen Institutionen gegründet worden. "Dafür zahlen wir jetzt den Preis."

Die jüngste Ankündigung der EZB, die Zinsen "auf lange Zeit" niedrig zu lassen oder sogar erneut zu senken, verteidigt Praet. Er sieht darin ein "starkes Signal". Um Missverständnissen in der Interpretation von EZB-Entscheidungen vorzubeugen, schlägt Praet vor, "früher oder später" Sitzungsprotokolle einzuführen.
Flo /10.07.2013 09:33
Ich wundere mich sehr über die Ausführungen. Bzw. eigentlich nicht, denn die Branche des Autors ist ja angegeben und daher weht auch der Wind.

"nur um Kredite und Bürgschaften handelt, bei denen bisher noch kein Geld des Steuerzahlers verloren wurde". Die Bürgschaften sind sogar so fantastisch, dass niemand am Markt dazu bereit ist. Auf risknet dafür zu plädieren Risiken nicht einzupreisen ist reiner Hohn. Hier hat eine Haftungsverlagerung stattgefunden!

Zur Ersten Schlussfolgerung: Bei Bilateralen Hilfen sind Roß und Reiter benannt. Die gewaltigen Summen des ESM wären daher nie akzeptiert worden. Das geht nur mit Verschleierung von Beteiligungen, Hebelung, nachträglicher Erhöhung etc.

Zur Zweiten Schlussfolgerung: Natürlich gibt es Solidarität aber halt mit den Menschen und dem Mittelstand. Diese Solidarität wird meiner Meinung nach aber ausgenutzt, um sehr schlechte Investments von Banken zu schützen. Das sieht man auch daran, dass die gigantischen Mrd. Bürgschaften die Lage und Perspektiven der Menschen in den letzten Jahren nur marginal verbessert haben.

Zur Dritten Schlussfolgerung: Ja, es gibt ein Widerwille gegen erzwungene Solidarität (für Banken). Daher hat sich die Demokratie herausgebildet und die Einbeziehung des Souveräns von Zeit zu Zeit empfiehlt sich. Auf EU Ebene und bei EU Fragen ist dies jedoch nicht der Fall.

Zur Vierten Schlussfolgerung: Die EU war schon immer in Teilen (Agrarsektor) und wird immer mehr zum Zentralstaat und zur Planwirtschaft. Ich dachte wirklich fairer Wettbewerb und Souveränität in Handlung und Haftung hätten sich durchgesetzt. In bin für die Entfaltung der Intelligenz vieler bei der Planung statt der Festlegung von oben. Für dieses Prinzip einzutreten stellt für mich keinen Widerspruch mit der Befürwortung von gemeinsamen Regelungen, Standards und Kooperation dar.

Zu Ihrer Strategie: Vielleicht hätte man von Anfang an nur auf bitalterale Hilfen setzen sollen, denn die kommen an wo sie gebraucht werden und sind wesentlich transparenter. Die EZB hat ein gutes Image? Das verabschiedet sich zusehends. Unabhängigkeit verliert die EZB täglich und baut sich anmaßend zur Super-Instanz auf.
Ihrem letzten Punkt (und nur diesem) stimme ich allerdings voll zu. Ich kaufe den Rest (wo es um die wichtigen Sachen geht) aber trotzdem nicht!
Risk Academy

Die Intensiv-Seminare der RiskAcademy® konzentrieren sich auf Methoden und Instrumente für evolutionäre und revolutionäre Wege im Risikomanagement.

Seminare ansehen
Newsletter

Der Newsletter RiskNEWS informiert über Entwicklungen im Risikomanagement, aktuelle Buchveröffentlichungen sowie Kongresse und Veranstaltungen.

jetzt anmelden
Lösungsanbieter

Sie suchen eine Softwarelösung oder einen Dienstleister rund um die Themen Risikomanagement, GRC, IKS oder ISMS?

Partner finden
Ihre Daten werden selbstverständlich vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Weitere Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.