Verlusts an Ordnung im globalen Maßstab

Wir befinden uns in einer Sicherheitsunordnung


Verlusts an Ordnung im globalen Maßstab: Wir befinden uns in einer Sicherheitsunordnung Interview

Geopolitik ist keine Kategorie, mit der wir uns im Unternehmenskontext hierzulande beschäftigen, so Günther Schmid, ehemals Bundesnachrichtendienst (BND) auf dem diesjährigen RiskNET Summit 2022. Außenpolitische Debatten werden in Deutschland im Wesentlichen ereignis-, kriegs- oder personenorientiert geführt – aber nicht strategisch übergreifend, hatte Schmid bereits in einem Interview vor wenigen Monaten gesagt. "Es fehlt ein Verständnis für eine strategische Sicherheitspolitik. Fragestellungen wie "Was wären die Folgen, wenn wir die Türkei in die EU aufnähmen?" oder "Was würde geschehen, wenn wir Griechenland nicht unter den Rettungsschirm nehmen?" oder "Wie positionieren wir uns mittelfristig gegenüber China?" werden kaum langfristig und strategisch analysiert. Auch zentrale Fragen nach der Rohstoffsicherung und Versorgungssicherheit eines großen Exportlandes wie Deutschland haben in Politik und Gesellschaft zu wenige interessiert."

Schmid wies darauf hin, dass es (geopolitische) Bedrohungen in der offiziellen Wahrnehmung nicht mehr gab. Kriege wurden als regionale Randphänomene wahrgenommen – obwohl Konflikte immer näher gerückt sind: Jemen, Syrien, Libyen, Afghanistan, Krim und so weiter. Sicherheit war der kleinste, eher abstrakte gemeinsame Nenner in der Mentalität der Deutschen und ihrer politischen Elite. Nach der Wiedervereinigung dominierte in Teilen der Parteien eine eher pazifistische Grundstimmung.

Auf dem RiskNET Summit 2022 hat Schmidt sowohl die Corona-Pandemie als auch den Ukraine-Krieg als Megarisiken beschrieben. Mehr noch sieht er die Corona-Krise als Verstärker bereits bestehender Trends, nämlich des Verlusts an Ordnung im globalen Maßstab. Im Umkehrschluss könnte es auch heißen, dass sich die Fliehkräfte im staatlichen Kontext verstärkt haben. Aber auch die globalen Kriseninstrumente, wie die UNO oder die G7, haben nicht mehr funktioniert. Als Folge des Fehlens einer internationalen Krisenpolitik nehmen die Konflikte zu, vor allem zwischen China und den USA. Schmid: "Die Weltpolitik wird immer dezentraler, mit einer Streuung der Macht." Beispielsweise haben die USA kaum noch einen Einfluss auf den Nahen Osten. Demgegenüber sucht China seit Jahren die Kontrolle kritischer Wertschöpfungsketten mit dem Gleichklang von "Autokratie und Dominanz". China möchte nach Schmids Worten internationale Standards setzen. "Wir befinden uns in einer Sicherheitsunordnung", so der geopolitische Experte, "wobei China den Status quo zu seinen Gunsten verändern möchte". Die Neuverteilung der Macht im globalen Maßstab habe seiner Ansicht nach längst begonnen. Zu den revisionistischen Staaten, wie China und Russland, zählt Schmid auch die Türkei. Im Umkehrschluss sollen gezielte militärische Drohungen die Handlungsspielräume westlicher Staaten einschränken. Als Beispiel nennt Schmid die Drohungen der Türkei gegenüber Griechenland im Zuge des Streits um Ägäis-Inseln.

[vimeo:773037543]

 

[ Bildquelle Titelbild: Peter Hartmann | RiskNET GmbH ]
Risk Academy

Die Intensiv-Seminare der RiskAcademy® konzentrieren sich auf Methoden und Instrumente für evolutionäre und revolutionäre Wege im Risikomanagement.

Seminare ansehen
Newsletter

Der Newsletter RiskNEWS informiert über Entwicklungen im Risikomanagement, aktuelle Buchveröffentlichungen sowie Kongresse und Veranstaltungen.

jetzt anmelden
Lösungsanbieter

Sie suchen eine Softwarelösung oder einen Dienstleister rund um die Themen Risikomanagement, GRC, IKS oder ISMS?

Partner finden
Ihre Daten werden selbstverständlich vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Weitere Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.