Im dritten Jahr in Folge steigen die Unternehmensinsolvenzen in Deutschland. Zum Jahresende 2024 war ein neuer Höchststand mit 22.400 Pleite-Unternehmen zu registrieren.
Ein Wert, wie er zuletzt Ende des Jahres 2016 mit 21.560 insolventen Unternehmen hinzunehmen war. Noch bis vor drei Jahren waren die Insolvenzentwicklungen gegenüber dem jeweiligen Vorjahr mit einem Minuszeichen versehen. Seit 2022 aber sind die Insolvenzen von immer deutlicheren Steigerungen betroffen. Und diese Zunahmen beschleunigen sich noch. Ein leichtes Plus von 3,8 Prozent 2022, dann ein deutlicher Zugang mit fast 23 Prozent zum Jahresultimo 2023 und nun aktuell zum Jahresende 2024 ein geschätztes Plus gegenüber dem Vorjahr von 24,3 Prozent.
Den Verbrauchern geht das Geld aus
Die Insolvenzzunahmen beschränken sich nicht nur auf die Unternehmen. Auch Verbraucherinsolvenzen haben zugenommen – auf über 72.000 Betroffene bei einer Steigerung von 8,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Auch dieser Wert liegt auf dem Niveau aus der Mitte des letzten Jahrzehnts (2017: 71.960 Verbraucherinsolvenzen). Und auch hier gilt, dass vor zehn Jahren die Zahl der Fälle abnahm – nun nimmt sie kontinuierlich zu. Für die Summe der Gesamtinsolvenzen sind auch die sogenannten "sonstigen Insolvenzen" einzubeziehen. Hier handelt es sich zwar auch um volkswirtschaftlich weniger relevante Nachlasskonkurse, aber eben auch um ehemals Selbstständige oder Gesellschafter von Unternehmen. Bei diesen Mikrobetrieben ist es 2024 zu 26.800 Insolvenzanträgen kommen – ein Plus von 6,3 Prozent. Damit summieren sich die Insolvenzen auf eine Gesamtzahl von 121.300 Fällen – ein Zugang von über 10 Prozent. Anzumerken ist, dass die Zahlen unter den Werten in der Finanzkrise 2008 und 2009 liegen, als bei den Unternehmensinsolvenzen über 30.000 betroffene Betriebe aufgeben mussten.
It’s the economy
Die Gründe für diesen anhaltenden Trend sind bekannt: Die Unternehmensinsolvenzen sind Folge der schwachen Wirtschaftsentwicklung mit dem wohl zweiten Rezessionsjahr in Folge, das geprägt ist von schwächelnden Exporten, enormen Kosten und inflationären Entwicklungen durch Pandemie und dem Krieg in der Ukraine. Hinzu kommt, dass die Binnenkonjunktur lahmt. Die Verbraucher haben zwar Lohnsteigerungen erhalten, angesichts der schwierigen Wirtschaftslage und der zunehmend schwächeren Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt können sie sich aber nicht zum Konsum entschließen. Nicht nur die Umsätze und Gewinne der Unternehmen bröckeln, Probleme schafft auch die Finanzierung. Auch wenn die markante Zinserhöhung durch die EZB nun schrittweise verringert wird, so kosten doch Kredite deutlich mehr Geld als vor der Krise. So ist etwa der Bausektor, geprägt von einer schwachen Eigenkapitalsituation und nun auch noch von einem Rückgang der Nachfrage nach Neubauten, doppelt von der Zinslast betroffen. Es wird schwerer, die Fremdfinanzierung zu bedienen, aber auch die Investoren und privaten Eigenheimbauer werden von den hohen Finanzierungskosten abgeschreckt.
Bilanzauswertungen zeigen, dass auch der Dienstleistungssektor, geprägt von einer Vielzahl kleinerer Unternehmen, eher schwach mit Eigenkapital ausgestattet ist. Mit einem Zuwachs von über 27 Prozent stellt dieser Wirtschaftssektor fast 60 Prozent des gesamten Aufkommens bei den Unternehmensinsolvenzen. Auch im Verarbeitenden Gewerbe, gebeutelt von höheren Lohnkosten, Preissteigerungen bei der Energie und einem schwachen Export, legten die Insolvenzen um fast 24 Prozent zu. Da ist der Handel mit einer Veränderung von plus 18,6 Prozent unter den Hauptwirtschaftsbereichen noch glimpflich weggekommen. Auf 10.000 Unternehmen kommen 2024 in Deutschland 72 Insolvenzen – 2023 waren es noch 60. Im Bausektor sind es 97 Unternehmen pro 10.000 im Bestand. Stabiler ist dagegen das Verarbeitende Gewerbe mit unterdurchschnittlichen 40 Betroffenen bei 10.000 Betrieben dieses Wirtschaftsbereichs.
Wer soll dafür aufkommen?
Auch wenn es dank vieler Reformen des Insolvenzrechts mittlerweile gelingt, die Betriebe in der Schieflage über einen Insolvenzplan zu sanieren, so bleiben doch die Schäden, die für die Gläubiger und die Mitarbeiter entstehen, gewaltig. Bei den Forderungsverlusten ist durch Insolvenzen eine Summe von 56 Mrd. Euro zu schätzen – ein Wert, der fast dreimal so hoch ist wie vor zehn Jahren. Im Vorjahr waren es noch 31,2 Mrd. Euro – die Steigerung geht auf die Vielzahl von Großinsolvenzen zurück, für die Banken und Lieferanten größere Kredite und Leistungen zur Verfügung gestellt haben. Auch wenn gerade bei großen Insolvenzen im Zuge der Sanierung noch Altforderungen beglichen werden, so zeigen doch Analysen, dass im Insolvenzverfahren deutlich mehr als 90 Prozent aller Gläubiger leer ausgehen.
Bei Sanierungen, auch außerhalb einer vorausgegangenen Insolvenz, trifft es in vielen Fällen zunächst die Beschäftigten. Die Schätzung der Creditreform Wirtschaftsforschung bezieht deshalb auch Mitarbeiter mit ein, die bereits im Vorfeld freigestellt wurden, um Kosten zu sparen. 2024 sind rund 320.000 Arbeitnehmer von der Pleite ihres Arbeitgebers betroffen. Dies ist ein sprunghafter Anstieg gegenüber dem Vorjahr mit 205.000 Beschäftigten – nur 2020 waren es mit 332.000 Arbeitsplatzverlusten mehr betroffene Beschäftigte. Manches insolvente Unternehmen mag in Zeiten des Facharbeitermangels noch versuchen, Beschäftigte zu halten, doch gerade jüngere und hochqualifizierte Mitarbeiter werden sich neu orientieren. Eine wichtige Rolle bei der Zunahme der Arbeitsplatzverluste spielt auch das Alter der insolventen Unternehmen. Etablierte Betriebe, die seit über 20 Jahren am Markt sind, haben ihren Anteil am aktuellen Insolvenzaufkommen bei Unternehmen gegenüber 2015 (15,8 Prozent) auf fast 18 Prozent gesteigert. Es ist davon auszugehen, dass ältere Betriebe auch eher Mitarbeiter beschäftigen, die bereits seit den ersten Jahren dabei sind und nun Schwierigkeiten haben werden, eine neue Position zu finden.
Ein Ende der Zunahme bei den Unternehmensinsolvenzen, aber auch bei den ehemals Selbstständigen und Verbrauchern, ist jedenfalls für das neue Jahr nicht abzusehen. Eine gesamtwirtschaftliche Stagnation, die für 2025 zu befürchten ist, wird in diesem Jahr zu weiteren Steigerungen bei den Pleiten führen. Mit einem zweistelligen Plus für 2025 müssen wir rechnen.
[Quelle: Creditreform-Risikomanagement-Newsletter vom 13. Januar 2025]