Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) hat wie zuvor schon das Berliner DIW seine Wachstumsprognosen für die deutsche Wirtschaft gesenkt. Die Kieler Ökonomen erwarten für 2018 nun einen Zuwachs des Bruttoinlandsproduktes (BIP) um 1,5 Prozent anstatt bislang 1,9 Prozent. Für 2019 und 2020 rechnen sie jeweils mit einem Plus von 1,8 Prozent. Zuvor waren von ihnen 2,0 respektive 1,9 Prozent erwartet worden.
"Die deutsche Wirtschaft hat die Spätphase des seit über fünf Jahren anhaltenden Aufschwungs erreicht", stellten die Kieler Forscher fest. Gründe für die deutliche Revision im laufenden Jahr seien vor allem Produktions- und Auslieferungsprobleme der Autoindustrie im Zuge des Übergangs auf den neuen Zulassungsstandard WLTP und eine Einschränkung der Binnenschifffahrt infolge niedriger Pegelstände. "Der Wegfall dieser belastenden Sonderfaktoren lässt Raum für einen Zwischenspurt im ersten Halbjahr 2019", erklärte das Institut.
Nach der Delle im dritten Quartal dürfte es Anfang 2019 zunächst zu einer Erholung kommen - "insgesamt stößt der Aufschwung aber an seine Grenzen". Dann dürfte sich das konjunkturelle Grundmuster wieder durchsetzen, bei dem der obere Wendepunkt in Sichtweite gerate. "Der Aufschwung trägt noch in das nächste Jahr, im Jahresverlauf 2019 dürfte aber allmählich der Abschwung einsetzen", prognostizierte der Leiter des IfW-Prognosezentrums, Stefan Kooths.
Neben den Exporten, die im kommenden Jahr wieder stärker Tritt fassten, würden die Konsumausgaben zur wichtigsten Triebkraft der Konjunktur. Die Kaufkraft der Konsumenten profitiere von weiter kräftigen Lohnzuwächsen und einem expansiven Kurs der Finanzpolitik, sodass mit den konsumnahen Branchen vor allem jene Dienstleistungsbereiche stimuliert würden, die noch am ehesten Expansionsspielräume aufwiesen. Die Bauwirtschaft dürfte demgegenüber nach der Einschätzung der Experten weiter an der Kapazitätsgrenze operieren.
Außenwirtschaftliche Risikofaktoren
Der Ausblick für die kommenden beiden Jahre sei allerdings durch zahlreiche Unsicherheiten geprägt, betonten die Ökonomen. Angesichts der hohen Auslastung der Produktionskapazitäten könne die deutsche Industrie nicht mehr so dynamisch expandieren und werde anfälliger für Störungen, weil kaum noch Reserven bestünden, um kurzfristige Planabweichungen aufzufangen. Kosten der Überauslastung und steigende Löhne drückten auf die Rentabilität. "Wie stark sich die Kapazitäten tatsächlich noch ausreizen lassen, ist nicht eindeutig zu bestimmen", erklärten sie.
Hinzu kämen außenwirtschaftliche Risikofaktoren. In Europa werde seit kurzem die politische Lage in Frankreich Fragen nach der Reformfähigkeit des Landes auf. "Angesichts einer hohen Staatsverschuldung könnte sich das Land damit neben Italien zum zweiten Instabilitätsfaktor im Euroraum entwickeln", warnte Kooths. Angesichts der Herausforderungen müsse die deutsche Wirtschaftspolitik sich auf die Stärkung der Wachstumskräfte fokussieren, empfahlen die IfW-Konjunkturforscher. Die Debatte um die Hartz-Gesetze setze dabei die falschen Schwerpunkte.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hatte zuvor für 2018 ebenfalls einen Zuwachs des BIP um 1,5 Prozent und für 2019 um 1,6 Prozent prognostiziert. Das sind für dieses Jahr 0,3 Prozentpunkte und für kommendes 0,1 Prozentpunkte weniger als im Herbst von den Berliner Ökonomen erwartet. 2020 soll das Wachstum auch nach der Prognose des DIW 1,8 Prozent betragen. "Die Zeiten der Hochkonjunktur in Deutschland sind vorbei", erklärte das Institut.