Die Wirtschaft in Deutschland ist im Juli überraschend deutlich in Fahrt gekommen und zeigt sich unbeeindruckt von der Entscheidung der Briten, die Europäische Union verlassen zu wollen. Vor allem der Dienstleistungssektor und die Industrieproduktion sorgten für Anschub, wie aus den Einkaufsmanagerbefragungen des Datendienstleisters IHS Markit hervorgeht. Danach kletterte der Sammelindex für die Produktion in der Privatwirtschaft - Industrie und Dienstleister zusammen - auf 55,3 von 54,4 im Vormonat, was ein Siebenmonatshoch bedeutet.
Markit-Volkswirt Oliver Kolodseike bezeichnete den Wachstumskurs in Deutschland als ungebrochen. Enormen Rückenwind hätten der "intakte Arbeitsmarkt und die insgesamt gute Nachfrage" geliefert. Vom Brexit-Votum der Briten hätten sich die deutschen Unternehmen bislang unbeeindruckt gezeigt.
Auffällig war vor allem die starke Industrieproduktion, deren Index den höchsten Stand seit 27 Monaten erreichte. Im Dienstleistungssektor ging es vom Juni-Wert 53,7 unerwartet auf 54,6 nach oben, während Volkswirte mit einer Abschwächung auf 53,2 gerechnet hatten. In der Industrie gab es zwar einen Rückgang auf 53,7 gegenüber 54,5 im Juni, der Wert fiel damit jedoch etwas besser aus als die prognostizierten 53,4.
Dass der Industrie-PMI trotz der stärksten Ausweitung der Industrieproduktion seit April 2014 unter dem Vormonatswert liegt, war nach Markit-Angaben vor allem auf abgeschwächte Zuwächse bei Auftragseingang und Beschäftigung sowie den Lagerabbau zurückzuführen.
Die Ergebnisse basieren auf der monatlichen Befragung von rund 1.000 Einkaufsleitern und Geschäftsführern aus Industrie und Dienstleistung in Deutschland. Ab einem Stand von 50 Zählern signalisiert das Konjunkturbarometer ein Wachstum.
Wirtschaft der Eurozone beweist Widerstandskraft
Auch die Konjunktur in der Eurozone hat im Juli angesichts der Brexit-Entscheidung und eines weiteren Terrorangriffs in Frankreich erstaunliche Widerstandskraft bewiesen. Der Sammelindex für die Produktion in der Privatwirtschaft - Industrie und Dienstleister zusammen - gab nur leicht nach und sank auf 52,9 Zähler von 53,1 im Vormonat. Volkswirte hatten einen Rückgang auf 52,4 Punkte vorhergesagt.
Ab 50 Zählern signalisiert das Konjunkturbarometer ein Wachstum. Wie das IHS Markit Institut im Zuge der ersten Veröffentlichung berichtete, sank der Einkaufsmanagerindex des verarbeitenden Gewerbes auf 51,9 Punkte von 52,8 im Vormonat. Volkswirte hatten einen Rückgang auf 52,0 Zähler prognostiziert.
Auch der Dienstleistungssektor konnte die vielen negativen Kräfte weitgehend abfedern: Der Einkäuferindex für den Servicesektor sank nur minimal auf 52,7 Punkte von 52,8 im Vormonat. Ökonomen hatten einen Stand von 52,3 Punkten erwartet.
"Die Eurozone hat angesichts der Entscheidung Großbritanniens, die EU zu verlassen, und eines weiteren Terrorangriffs in Frankreich erstaunliche Widerstandskraft bewiesen", sagte IHS-Markit-Chefvolkswirt Chris Williamson. "Die Wachstumsrate ist zwar weitgehend unverändert moderat geblieben, das BIP dürfte jedoch weiter mit 1,5 Prozent auf Jahresbasis zugelegt haben."
Deutschland vermeldete im Juli das stärkste Wirtschaftswachstum im bisherigen Jahresverlauf, was das höchste Stellenplus seit fünf Jahren nach sich zog. In Frankreich stabilisierte sich die Konjunktur nach der kleinen Delle im Juni. Die Ergebnisse basieren auf der Befragung von rund 5.000 Industrie- und Dienstleistungsunternehmen aus Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, den Niederlanden, Österreich, Irland und Griechenland.