Systemische Risiken durch Regulierung

Wissenschaftler empfehlen Solvency II auf Eis zu legen


Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie schreibt dem derzeitigen System der Bankenregulierung einen maßgeblichen Anteil an der Krise der hypothekengesicherten Wertpapiere in den USA zu, die sich zur Weltfinanzkrise ausgeweitet hat. Es sei zu befürchten, heißt es in einem Brief an den Wirtschaftsminister, dass die "zerstörerischen Wirkungen dieses Regulierungssystems im Jahre 2009 noch verstärkt werden." Die kritische Einschätzung des Einflusses der Bankenregulierung auf die Finanzkrise betreffe vor allem die Dynamik der Krise, in der Finanzmärkte und Finanzinstitutionen sich fortwährend in einer Abwärtsspirale bewegt hätten. Es stehe daher zu befürchten, dass die Krisendynamik noch nicht gebrochen sei. Vor allem die seit kurzem zu beobachtenden konjunkturellen Wirkungen der Finanzkrise könnten diese Abwärtsspirale noch weiter nach unten drehen, so Claudia Buch, Vorsitzende des Beirats.

Der Grad der Beeinträchtigung wird nach Meinung der Wissenschaftler davon abhängen, inwiefern die aufgrund von Basel II eingeführten Neuerungen der Regulierung angewendet werden. Der Beirat rät der Bundesregierung dringend, nach Möglichkeiten zu suchen, die zu erwartenden destruktiven Wirkungen von Basel II zu vermeiden. Um prozyklische Rückwirkungen der Konjunkturentwicklung auf die Bankbilanzen zu mindern, sollte die strikte Handhabung des Umgangs mit Kreditrisiken nach Basel II zeitweise ausgesetzt werden. Beim Umgang mit Solvenzproblemen müsse die Vermeidung negativer Anreizprobleme im Vordergrund stehen. Daher sollten Zufuhren staatlicher Mittel mit einer zeitweisen Übernahme von Verfügungs- und Kontrollkompetenzen durch den Staat verknüpft werden Die Vergabe staatlicher Mittel sollte außerdem nicht dazu dienen, dass Alteigentümer und Manager aus ihrer Verantwortung für die Notlage ihrer Bank entlassen werden.

Um die mit einer möglichen Insolvenz größerer Teile des Bankensystems verbundenen Probleme zu entschärfen, sollte die Strategie einer Rekapitalisierung der Banken weiter verfolgt werden, möglicherweise ergänzt durch staatliche Auffanglösungen, heißt es von Seiten der Professoren. Neben diesen den Bankensektor betreffenden Maßnahmen empfiehlt der Beirat, von einer Ausweitung der Eigenkapitalregulierung der Banken auf Versicherungen (Solvency II) vorerst abzusehen und darauf hinzuwirken, dass die europäische Beschlussfassung zu diesem Thema aufgrund der Erfahrungen mit den systemischen Wirkungen der Eigenkapitalregulierung in der Finanzkrise neu durchdacht wird. Eine strikte Anwendung der vorgeschlagenen "Solvency Capital Requirements" unter Solvency II im Verbund mit Basel II würde synchronisierte Bilanzanpassungen bei Banken und Versicherungen erzwingen, wenn negative makroökonomische Schocks zu starken Abschreibungen bei Finanzanlagen führen. Solche Bilanzanpassungen würden zusätzlich verstärkt, wenn sich Versicherungen und Banken gegenseitig Kredite gegeben haben oder Bankkredite versichert wurden. "Das erhöht das Risiko eines Systemzusammenbruchs", mahnen die Berater. Die Bundesregierung sollte daher auf eine Neufassung der Regulierung drängen.

Kommentare zu diesem Beitrag

Panzerknacker /10.02.2009 21:31
Vielleicht sollte man wirklich mal die ganzen Normen, Standards und Mindestanforderungen an.... das Universum(?) eine Zeit lang zu Gunsten des gesunden Menschenverstands außer Kraft setzen. Sicherlich, diese Normierungen und Standards schenken einem kompletten Berufstand - vorrangig den geliebten Wirtschaftsprüfern und Helden der Wirtschaftskrise - Lohn,Arbeit und grenzenloses Selbstbewußtsein. Sonderlich hilfreich waren diese unüberschaubaren Berge von Normen und Regeln bisher jedoch nicht ... und zumindest in einigen Branchen haben Vorläufer der MaRisk wie z.B. MaH und andere schon eine sehr lange Historie!!!
Jo /10.02.2009 23:01
Leider zu spät. Die MaRisk VA sind veröffentlicht und der § 64a VAG gilt seit Anfang 2008. Der deutsche Gesetzgeber war einmal wieder äußerst gründlich und hat wesentliche Aspekte von Solvency II bereits vorweggenommen. Dass der Gesetzgeber/Regulator nicht mehr so richtig an Solvency II glaubt, sieht man daran, dass der Begriff aus den MaRisk VA komplett gestrichen wurde. Interessanterweise hat die nicht ganz so starre Regulierung in der Assekuranz in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass die EK-Unterlegung solide angestiegen ist. Demgegenüber hat das (mehr oder weniger starre) Regelwerk Basel II dazu geführt, dass die Kapitalunterlegung bei den Banken tendenziell gesunken ist bzw. (völliger Irrsinn) sie Regeln unterlaufen wurden, indem Conduits/SPVs gegründet wurden, die kein oder nur wenig EK aufwiesen. Möglicherweise ist der Regulator auch mit SII auf dem Holzweg. Zumindest sind auch dort systemische Risiken unzureichend berücksichtigt
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