Finanzkrise erreicht den Mittelstand

Zahl der Pessimisten wächst


Basierend auf den Ergebnissen des "Mittelstandsbarometers 2009" der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young, für das 3.000 mittelständische Unternehmen in Deutschland befragt wurden, hat die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise nun endgültig den Mittelstand erreicht. Demnach erwarten die Unternehmen nicht nur eine Verschlechterung ihrer eigenen Situation, sie wollen auch weniger investieren und weniger Mitarbeiter als im Vorjahr einstellen. Per Saldo ist sogar ein Rückgang der Beschäftigung in deutschen mittelständischen Unternehmen zu erwarten.
Obwohl sich die Geschäftslage im deutschen Mittelstand im Vergleich zum Vorjahr eingetrübt habe, macht die Mehrheit der Unternehmen derzeit dennoch gute Geschäfte: 79 Prozent der Mittelständler bewerten ihre aktuelle Lage positiv – vor einem Jahr lag der Anteil allerdings noch bei 89 Prozent. Besonders gut ist die Stimmung in Hamburg, wo 90 Prozent der Unternehmen ihre wirtschaftliche Situation als gut bezeichnen. Am stärksten von der Krise getroffen scheint hingegen Baden-Württemberg zu sein: Hier sank der Anteil der Zufriedenen von 93 auf 73 Prozent.

Zahl der Pessimisten wächst

Nur jeder sechste Mittelständler erwartet laut der Studie eine Verbesserung seiner Wirtschaftslage, jeder dritte geht hingegen von einer Verschlechterung aus. Vor allem die Unternehmen in Baden-Württemberg und Berlin sind pessimistisch: Hier erwarten 43 bzw. 42 Prozent eine negative Geschäftsentwicklung. Auch für die deutsche Wirtschaft insgesamt sehen die meisten Unternehmer schwarz. So erwarten 82 Prozent der Befragten einen Konjunkturabschwung, nur vier Prozent hoffen auf eine Verbesserung der konjunkturellen Lage. "Noch stemmt sich der deutsche Mittelstand gegen die Krise. Viele Unternehmen erwarten einen Konjunktureinbruch, hoffen aber, dass sie selber verschont bleiben - diese Hoffnung wird sich allerdings oft als trügerisch erweisen", so Peter Englisch, Partner bei Ernst & Young.

Da der Standort Deutschland in den vergangenen Jahren deutlich an Wettbewerbsfähigkeit gewonnen habe, gehe die deutsche Wirtschaft gut gerüstet in den Abschwung. "Die deutsche Wirtschaft ist sehr robust. Viele Unternehmen - gerade im Mittelstand - haben ihre Hausaufgaben gemacht und sind auch international hervorragend aufgestellt. Sie werden in diesem Jahr durch ein Tal der Tränen gehen. Wer aber diese Krise überlebt, hat alle Chancen, anschließend daraus gestärkt hervorzugehen. Wer allerdings schon vor der Krise Probleme hatte, wird Schwierigkeiten haben, die kommenden Monate zu überleben", lautet die Einschätzung von Englisch.

Der aktuelle Abschwung trifft vor allem Unternehmen, die bislang als relativ krisenresistent galten. Auffallend sei, dass gerade die Unternehmen, die in den vergangenen Jahren besonders erfolgreich gewirtschaftet haben - nämlich große, international tätige Industrieunternehmen - jetzt besonders stark betroffen sind. Viele Unternehmer berichteten von einem Absturz, wie sie ihn noch nie erlebt hätten.

Beschäftigungsrückgang zu erwarten

Zwar planen immerhin noch 15 Prozent der Unternehmen, zusätzliche Mitarbeiter einzustellen, deutlich mehr (24 Prozent) wollen jedoch die Zahl der Beschäftigten reduzieren. Per Saldo ist daher mit einem Rückgang der Beschäftigtenzahl im deutschen Mittelstand zu rechnen. Auf der Basis der Befragungsergebnisse ist insbesondere in Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern mit deutlichen Einschnitten zu rechnen, während es wohl nur in Hamburg und Sachsen per Saldo ein Beschäftigungszuwachs geben könnte.

Auch an den Investitionen wollen die Unternehmen sparen: Während nur jeder sechste Mittelständler seine Investitionen steigern will, beabsichtigt jeder Vierte eine Reduzierung. Vor allem Industrieunternehmen planen, die Investitionen zurückzufahren. Nur die Unternehmen in Sachsen, Hamburg und dem Saarland wollen mehr investieren als im Vorjahr. Demgegenüber wollen vor allem die Unternehmen in Schleswig-Holstein, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern das Investitionsvolumen deutlich reduzieren.

Mittelstand hofft auf mehr öffentliche Investitionen

Das Vorhaben der Bundesregierung, dem Konjunkturabschwung mit zusätzlichen öffentlichen Investitionen zu begegnen, dürfte inzwischen eine breite Zustimmung unter den Mittelständlern finden: So sind 92 Prozent der Befragten der Meinung, dass eine Steigerung der öffentlichen Investitionen den Mittelstand in Deutschland deutlich stärken würde - im Vorjahr lag dieser Anteil nur bei 69 Prozent. Ebenfalls deutlich gestiegen (von 43 auf 78 Prozent) ist der Anteil derer, die einen verstärkten Schutz vor ausländischen Konkurrenten fordern. Deutlich gesunken ist hingegen der Anteil der Unternehmen, die eine Lockerung des Kündigungsschutzes fordern: von 75 auf 42 Prozent.


Kommentare zu diesem Beitrag

Franz-Josef /11.02.2009 06:03
Jede Woche eine neue Überraschung: letzte Woche Märklin, die zwar Trends in der Spielwarenindustrie verschlafen haben, aber unter anderen Umständen vielleicht am Markt überlebt hätten. Gestern kam Schiesser hinzu, der Inbegriff der Deutschen für Feinripp und Unterwäsche ab dem 7. Ehejahr. Wer kommt nächste Woche? HARIBO? Müller-Milch? Addidas? Wenn man die Nachrichten morgens liest kommt man sich inzwischen for wie in einem Science Fiction Film.
Monaco-Franze /12.02.2009 08:58
Zitat aus einem Bericht vom Bayrischen Rundfunk online zum Thema "Wirtschaftskrise Goldrand, Schmalspur und Feinripp in Not" (10.02.2009):

"Noch wirkt die Krise bei vielen, wie Monaco Franze sagen würde, mehr seelisch, verstehn's: kein Rufezeichen, nur einige Fragezeichen. Die Löhne sind 2008 endlich gestiegen und auf dem Schreibtisch unter der Kaffeetasse liegt jede Menge Arbeit. Vater Staat verteilt statt warmer Worte Geschenke. Unterhosen sind allerdings nicht dabei. Wenn der letzte Spielzeugzug abgefahren, die letzte Tasse geleert und der letzte Feinripp verschlissen ist, werden wir ausprobieren, ob man Heuschrecken essen kann."
http://www.br-online.de/kultur/gesellschaft/schiesser-maerklin-pleite-ID123427148203.xml
Nightrader /12.02.2009 15:56
@Franz-Josef: HARIBO sicherlich nicht. Empirisch lässt sich beweisen, dass in Krisenzeiten die Menschen mehr Gummibärchen (und anderen Süßkram) essen.
Nightrader /12.02.2009 16:08
@Monaco-Franze: Hatte ich noch vergessen zu erwähnen: Geröstet schmecken Heuschrecken köstlich. Wer mal in Mexiko ist, sollte unbedingt Chapulines probieren. Die werden zunächst in der Sonne getrocknet und dann frittiert und mit Knoblauch, Chili und etwas Zitronen- oder Limettensaft gewürzt.
Monace-Franze /12.02.2009 21:41
Wenn es nicht gegen die Grundsätze von Ethik und Demokratie verstoßen würde, könnte ich mir inzwischen eher den einen oder anderen Vorstand, Aufsichtsrat und Testat erteilenden Prüfer "zunächst in der Sonne getrocknet und dann frittiert und mit Knoblauch, Chili und etwas Zitronen- oder Limettensaft gewürzt" und zum Schluß "geröstet" vorstellen.... Bei den täglichen Insolvenzmeldungen, neueren Zuschüssen zu maroden Banken usw. .... möge man mir diesen Kommentar verzeihen!
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