Die führenden deutschen Wirtschaftsverbände haben vor schädlichen Auswirkungen der von zehn EU-Staaten geplanten Finanztransaktionssteuer gewarnt. Die Idee einer Finanztransaktionssteuer stehe "in Widerspruch zum erklärten Ziel der Europäischen Kommission, Europa als Wirtschafts- und Investitionsstandort im globalen Wettbewerb zu stärken", hoben die acht Spitzenverbände hervor, unter ihnen der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und der Bundesverband deutscher Banken (BdB).
"Mit keinem der bislang diskutierten Modelle würde es gelingen, negative Auswirkungen auf die gewerbliche Wirtschaft und damit auf Wachstum und Beschäftigung zu vermeiden", warnten die Verbände. Negativ getroffen würde insbesondere auch die Altersvorsorge der Bürger. Zudem würde die Transaktionssteuer nach ihrer Befürchtung einer weiteren Fragmentierung des europäischen Finanz- und Investitionsstandorts Vorschub leisten. Die deutsche Wirtschaft appelliere erneut an die Bundesregierung, "dieses Vorhaben endgültig aufzugeben".
Die Arbeitsgruppe für Steuerfragen des Rats der Europäischen Union will am Freitag über die Einführung einer Finanztransaktionssteuer im Rahmen der Verstärkten Zusammenarbeit beraten. Im Rahmen dieses Instruments können sich einige EU-Staaten zu einem Projekt zusammenschließen, an dem aber andere nicht teilnehmen. Bereits seit Jahren verhandeln zehn Länder darüber, unter ihnen Deutschland. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hat mehrfach betont, dass er in Kürze eine Einigung auf ein Modell erwartet, das nach französischem Vorbild Aktien in den Fokus nimmt.
Realwirtschaft und Altersvorsorge droht Schaden
Die Wirtschaftsverbände warnten, mit der Transaktionssteuer würden Aktienanlagen belastet, die für Sparer und institutionelle Investoren gerade in einer Niedrigzinsphase erhebliche Bedeutung hätten. Eine geringere Aktienrendite dürfte nach ihrer Erwartung "in die Anlageentscheidungen einfließen und durch höhere Renditeforderungen die Realwirtschaft belasten". Außerdem würde das Ziel der EU-Staaten konterkariert, die Rolle der ergänzenden kapitalbildenden Altersvorsorge in den Rentensystemen als Reaktion auf den demografischen Wandel zu stärken.
Versicherungsunternehmen, Pensionsfonds, Pensionskassen und andere Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung investierten einen wesentlichen Teil der ihnen überlassenen Mittel in Finanzanlagen. Eine Belastung solcher Anlagetätigkeiten mit einer Finanztransaktionssteuer würde die Erträge und die Betriebsrentenansprüche der Arbeitnehmer sowie die Rentenansprüche aus der privaten Altersvorsorge verringern, warnte die Wirtschaft.
Allgemein verfehle die Steuer ihre Ziele, die Finanzmärkte zu stabilisieren und die Verantwortlichen der letzten Finanzmarktkrise zu belasten. Zudem lägen nach gut zehn Jahren der Debatte über eine solche Steuer "immer noch keine belastbaren Lösungen für die zahlreichen technischen Fragen und Probleme vor", erklärten die Verbände, zu denen neben BDI, DIHK und BdB noch der Handwerksverband ZDH, der Arbeitgeberverband BDA, der Versichererverband GDV und die Handelsverbände HDE und BGA gehören.