Banken weisen geplante Regelungen zurück

Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch


Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch Kolumne

Das Basel Committee on Banking Supervision (BCBS) hat am 8. Juni 2015 ein Konsultationspapier "Interest rate risk in the banking book IRRBB – Consultative Document" zu Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch veröffentlicht. Der Entwurf geht in vielen Punkten über die Anforderungen der kurz zuvor von der European Banking Authority (EBA) veröffentlichten finalen Richtlinie für das Management von Zinsänderungsrisiken aus dem Anlagebuch / Nichthandelsgeschäft "Guidelines on the management of interest rate risk arising from non-trading activities" hinaus. Die EBA Richtlinie wird ab 1. Januar 2016 gültig, die Konsultationsfrist für die IRRBB-Richtlinie des Baseler Ausschusses ist Mitte September abgelaufen. In über 60 Stellungnahmen haben viele Banken und Verbände die geplanten Regelungen des Baseler Ausschusses zurückgewiesen. Wir greifen in diesem Beitrag einzelne, im Verlauf der Konsultation überaus strittige Regelungsvorschläge heraus und bewerten die daraus entstehenden betriebswirtschaftlichen Folgen insbesondere für Einlageninstitute.

Mit dem Konsultationspapier verfolgt der Baseler Ausschuss mehrere Ziele. Zum einen reagiert das Komittee mit der beabsichtigten regulatorischen Eigenkapitalunterlegung auf die beobachtete regulatorische Arbitrage zwischen Handelsbuch und Anlagebuch. Zum anderen soll die Eigenkapitalausstattung sichergestellt werden, insbesondere bei einem möglichen Zinsanstieg vor dem Hintergrund der im Niedrigzinsumfeld gesunkenen Zinsmargen. Und schließlich soll durch Standardisierung und größere Transparenz die Vergleichbarkeit der Banken verbessert werden.

Kernpunkte des Konsultationspapiers des Baseler Ausschusses sind zwei Ansätze, nach denen künftig die Eigenkapitalanforderungen für Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch ermittelt werden sollen:

  • Säule 1: Erstmals gibt es einen Ansatz, die regulatorischen Eigenkapitalanforderungen für Zinsrisiken aus dem Anlagebuch mit Hilfe eines vom Baseler Ausschuss vorgegebenen Standardmodells zu ermitteln.
  • Säule 2: Wie bisher erfolgt die Ermittlung des Zinsrisikos aus dem Anlagebuch auf Basis eines internen Modells. Ein für Säule 2 bemerkenswertes Novum ist, dass das interne Modell von der Aufsicht genehmigt und in den aufsichtsrechtlichen Überwachungsprozess (SREP) einbezogen sein muss.

Die zwei Ansätze stellen keine echten Alternativen dar, da der Standardansatz aus Säule 1 von der Aufsicht als „fall-back“ Lösung berücksichtigt werden soll und daher von den Banken immer zu berechnen sein wird.
Die wichtigsten Neuerungen für die Standards nach Säule 1 sind:

  • Kategorisierung der Anlagebuchpositionen nach der Eignung zur Standardisierbarkeit der Cashflows: geeignet (beispielsweise Cashflows aus Festsatzgeschäft), weniger geeignet (beispielsweise Cashflows aus Optionen) und ungeeignet (beispielsweise Cashflows aus Sichteinlagen).
  • Zuweisung der Cashflows in 19 feste Laufzeitbänder, parallele Berechnung der Änderung des ökonomischen Eigenkapitals  (Economic Value of Equity = EVE) und der Änderung des Zinsergebnisses (Net Interest Income = NII).
  • Vorgabe von sechs Zinsszenarien für die barwertige Messung (EVE) und zwei  Zinsszenarien mit parallelem Shift für die periodische Risikomessung (NII).
  • Unterschiedliche Behandlung von Non Maturity Deposits (unbefristete Einlagen, wie Sichteinlagen, Tagesgelder, Spareinlagen) und verhaltensbasierten und automatischen Optionen und  Vorgabe von Standards für die Parameter.
  • Explizite Berücksichtigung von Basisrisiken im  Net Interest Income.
  • Vier Vorschläge zur Berechnung und Aggregation der Mindesteigenkapitalanforderungen.

Unter allen Standardisierungsvorschlägen stechen die Einschränkungen für die Modelle für unbefristete Einlagen (Non Maturity Deposits, NMD) hervor. Erstmals verweist die Aufsicht nicht mehr auf die Methodik und Parameter im Rahmen der internen Risikomodelle für Zinsrisiken der Banken, sondern begrenzt die Laufzeit und die zu berücksichtigenden Volumina für die Modellierung der NMD zum Teil erheblich. Im Niedrigzinsumfeld stellt die risikoadäquate langfristige Modellierung der NMD und deren Absicherung ein stabilisierendes Ertragselement in den Banken dar. In einem Pressegespräch der deutschen Bankenaufsicht Mitte September zur "Ertragslage und Widerstandsfähigkeit deutscher Kreditinstitute im Niedrigzinsumfeld" wird explizit auf den in den nächsten Jahren überproportionalen Rückgang der passivischen Konditionsbeiträge bei weiter anhaltendem Niedrigzinsniveau als Risikofaktor für die Ertragsentwicklung der Kreditinsitute hingewiesen. Wenn die Standardisierungsvorschläge für die Modellierung der unbefristeten Einlagen wie im Konsultationspapier wirksam würden, könnte sich der Rückgang der passivischen Konditionsbeiträge noch beschleunigen.

Das Baseler Konsultationspapier ist für die NMD-Modelle deutlich restriktiver als die EBA Guideline, die eine durchschnittliche Laufzeit der Modelle von fünf Jahren (im Vergleich zu sechs Jahren Maximallaufzeit im Konsultationspapier) zulässt – unter Einbeziehung des variablen Anteils zum O/N-Satz.

Nach Ablauf der Konsultationsfrist für die IRRBB Richtlinie des Baseler Ausschusses Mitte September sind über 60 Stellungnahmen von Banken und Verbänden eingegangen.

Die Kritik an den begrenzenden Vorgaben für die Modellierung der NMD zieht sich wie ein roter Faden durch nahezu alle Stellungnahmen. Die im Konsultationspapier vorgeschlagenen Standards ignorieren nach Auffassung der Institute und Verbände den wahren Charakter der Einlagen und damit deren tatsächlichen Risikogehalt. Wenn eine kürzere Modellierung aufsichtsrechtlich erzwungen würde, hätte das in vielen Instituten unmittelbar Auswirkung auf die Hedgestrategien sowie das Pricing und die Vergabe von langfristigen Festsatz-krediten. Fallen die langlaufenden Volumina der Einlagenmodelle in der Risikosteuerung weg, verteuert sich die Zinsrisikoabsicherung für langfristige Festsatzkredite. Das reduziert zunächst die Zinsergebnisse der Banken und kann längerfristig dazu führen, dass das Neugeschäftsvolumen von langfristigen Festsatzkrediten bei allen Banken zurückgeht.  

Im Zusammenhang mit der Modellierung der NMD wird auch der Floor für die Pass-Through-Rate (= Anteil der Weitergabe einer Marktzinsänderung im Außensatz mit dem Kunden) für Sichteinlagen/Transaktionskonten als unangemessen angemerkt. Bei einer Nullverzinsung dieser Einlagen ist die Pass-Through-Rate ebenfalls Null. Der aufsichtsrechtliche Ansatz des Floors für die Pass-Through-Rate (Vorschlag 25 Prozent) führt zu einer zusätzlichen Einschränkung der Modellierbarkeit von Sichteinlagen.

Ein weiterer prominenter Kritikpunkt in vielen Stellungnahmen ist die statische Methodik für die periodische Ermittlung der Zinsänderungsrisiken aus der Änderung des Zinsergebnisses (Net Interest Income, NII). Banken verwenden die Risikoabschätzung auf Basis des NII mehrheitlich dynamisch, also unter Einbezug von geplantem oder simuliertem Neugeschäft. Das Ergebnis solcher Simulationen liefert Einschätzungen über die Entwicklung des GuV-relevanten Zinsergebnisses der Bank, während die im Konsultationspapier vorgeschlagenen Methodik wegen ihrer direkten Vergleichbarkeit mit dem barwertigen Zinsrisikomaß (Economic Value of Equity, EVE) nur das Risiko eines mehr oder weniger großen Teils des Zinsergebnisses aufzeigt.

Das Konsultationspapier setzt bei der Ausübungswahrscheinlichkeit von Sondertilgungen oder außerplanmäßigen Tilgungen allein das Zinsniveau als bestimmenden Parameter an. Zahlreiche Banken betonen, dass in der Realität Sondertilgungsrechte und außerplanmäßige Tilgungen häufig unabhängig vom Zinsniveau ausgeübt werden. Wenn Banken diese Verhaltensannahmen heute bei der Ermittlung der Zinsrisikopositionen berücksichtigen und auf dieser Basis geschlossene Risikopositionen halten, könnte die Anforderung der eindimensionalen, nur auf dem Zinsniveau basierenden Cashflow-Ermittlung einen anderen Ansatz der Cashflows notwendig machen und dadurch die aus Sicht der Bank  geschlossene Risikoposition wieder öffnen.

In den einzelnen Stellungnahmen werden auch noch andere Standardisierungsansätze kritisiert, wie die Ermittlung der sechs Zinsszenarien mit Floors und Caps auf die Zinsänderungen und die vier Aggregationsvorschläge für die Ermittlung der Mindestkapitalanforderungen.

Fazit

Die wichtigste Neuerung des Konsultationspapiers ist die künftige Erfassung der Zinsrisiken aus dem Anlagebuch in der Säule 1 und die daraus erwachsende Kapitalunterlegung sowie die zwingende parallele Ermittlung von ökonomischen und periodischen Risikokennzahlen. Viele der methodischen Vorgaben und Vorschläge für Parameterbereiche werden von den Banken in den zahlreichen Stellungnahmen zurückgewiesen. Dennoch sollten sich die Banken darauf einstellen, dass es vermutlich Anpassungs- oder gar Erweiterungsbedarf bei der Ermittlung der Zinsrisiken aus dem Anlagebuch geben wird.

Autor:

Dr. Bernhard Wondrak ist Berater bei der TriSolutions GmbH, einer auf Risikomanagement und Gesamtbanksteuerung spezialisierten Unternehmensberatung. Zu den weiteren Beratungsschwerpunkten gehören die verschiedenen Aspekte der Unternehmenssteuerung sowie die Umsetzung von aufsichtsrechtlichen Anforderungen und Bilanzierungsvorschriften.

Seminar: Zinsrisikomanagement im Anlagebuch

Best Practice-Strategien, Methoden und Instrumente

Termine: 18. und 19. November 2015 sowie 26. und 27. Januar 2016

Referenten:

  • Dr. Bernhard Wondrak, TriSolutions GmbH
  • Thomas Springmann, Bankgeschäftliche Prüfungen und Umsetzung internationaler Standards, Deutsche Bundesbank
  • Markus Putz, Leiter der Direktion Treasury, Stadtsparkasse München
  • Dennis Bach, TriSolutions GmbH

Weitere Informationen unter www.trisolutions.de/seminare

[ Bildquelle Titelbild: © utah778 - Fotolia.com ]
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