In ihrem Kampf gegen fallende Prämien bemühen Rückversicherer nun ein Argument, das man für gewöhnlich mit Notenbankern in Verbindung bringt: Inflation. Der schweizerische Rückversicherer Swiss Re erklärte, die Inflation sei für die Branche zunehmend ein Anlass zur Sorge: "Sollte die Inflation für einen längeren Zeitraum hoch bleiben, könnte dies zu weiteren Verlusten führen, was wiederum die Kapitalbasis der Versicherungsunternehmen verringern würde." Auch die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) wies in ihrer Rückversicherungsstudie Ende vergangener Woche darauf hin, dass die Inflation die Kosten für entstandene Schäden bei Erst- und Rückversicherern erhöht und den Effekt eines anhaltenden Preisverfalls auf Seiten der Prämien verstärkt. Zudem würden dadurch die Schadenkosten für Altverträge steigen. Nach Einschätzung der Ratingagentur stellt "das Schreckgespenst einer höheren Inflation - insbesondere im Zusammenspiel mit einem breit gefächerten konjunkturellen Rückgang - mittelfristig eine der größten Bedrohungen für die Finanzstärke der Rückversicherer dar". Swiss Re, der gemessen am Prämienaufkommen größte Rückversicherer der Welt, hob auf seiner Pressekonferenz in Monte Carlo den Anstieg der Verbraucherpreise hervor. Diese sind in den USA und einigen europäischen Ländern in Jahressicht um mehr als 4 % gestiegen. In vielen Wachstumsmärkten haben die Verbraucherpreise im prozentual zweistelligen Bereich zugelegt.
Die Rück- und Erstversicherer diskutieren diese Woche in Monte Carlo über das Marktumfeld für Rückversicherungsverträge, die einmal jährlich erneuert werden. Rückversicherer hoffen für die im Januar anstehende Erneuerungsrunde auf eine Verlangsamung des Preisverfalls bei den Prämien, wenn nicht sogar auf eine Trendwende. Seit mehreren Jahren sinken die Prämien, im Schnitt um bis zu 10 %. Während der Anstieg der Verbraucherpreise in erster Linie auf die anziehenden Öl- und Nahrungsmittelpreise zurückzuführen ist, sind für die Rückversicherer vor allem steigende Kosten für medizinische Behandlungen und Schadenersatz von Bedeutung. In beiden Fällen steigen die Aufwendungen üblicherweise schneller als die Verbraucherpreise, wie Swiss-Re-CEO Jacques Aigrain erläuterte. Die Warnung vor der Inflation ist ein neues Element in den Erneuerungsverhandlungen zwischen Rück- und Erstversicherern, urteilt die Zürcher Kantonalbank. Analyst Georg Marti hob hervor, dass manche Erst- und Rückversicherer möglicherweise ihre Reserven wegen höherer Schadensforderungen erhöhen müssen. JP-Morgan-Analyst Michael Huttner nannte das Thema Inflation "eine neue Sorge für die Versicherer".
S&P mahnte bereits, bei der nächsten Erneuerungsrunde müssten die Prämien stärker die zunehmende Häufigkeit und Schwere von Wirbelstürmen und anderen Naturkatastrophen widerspiegeln sowie den daraus resultierenden Anstieg der Schadensforderungen. S&P äußerte zudem die Befürchtung, dass es den Rückversicherern möglicherweise nicht gelingen wird, ihre Preise schnell genug den veränderten Rahmenbedingungen anzupassen. In diesem Fall könnte selbst ein moderater weiterer Preisverfall bei der nächsten Erneuerungsrunde zu unangemessen niedrigen Prämien führen, warnte die Ratingagentur. Swiss-Re-Vorstand Michel Lies sagte am Montag, möglicherweise müssten die Indexklauseln in manchen Rückversicherungsverträgen "mit Blick auf die Auswirkungen der Inflation auf langfristige Vertraege" angepasst werden. Dadurch soll sicher gestellt werden, dass die steigenden Schadensforderungen gerecht zwischen Erst- und Rückversicherern aufgeteilt werden, so Lies. Damit folgte er Aussagen des Wettbewerbers Münchener Rück vom Sonntag.
[Text: RISIKO-MANAGER.com]