Compliance steht in allen Branchen und vielen Ländern ganz oben auf der Agenda. Im Kern handelt es sich um eine Binsenweisheit, das Unternehmen Gesetze und Regeln einhalten müssen. Allerdings hat sich auch das Umfeld verändert: Der Gesetzgeber hat neue Straftatbestände eingeführt, die Haftung erweitert und die Strafverfolgungsbehörden im Bereich der Wirtschaftskriminalität deutlich aufgerüstet. Aktuelle Entwicklungen in der Rechtsprechung zeigen recht deutlich. So hat beispielsweise das Landgericht München I den Ex-Siemens-Vorstand Heinz-Joachim Neubürger verurteilt, 15 Mio. Euro an seinen früheren Arbeitgeber als Schadensersatz dafür zu bezahlen, dass er nicht dafür gesorgte hatte, dass ein funktionierendes Compliance Management System eingerichtet wurde (LG München I, Urteil v. 10.12.2013 - 5 HKO 1387/10).
Die "gefühlte" Verschärfung von Haftungs- und Sanktionsgefahren für Vorstände, Geschäftsführer, Aufsichtsräte und sogar Gesellschafter mit dem Vorwurf, pflichtwidrig gehandelt zu haben, ist auch empirisch messbar. Im 10-Jahreszeitraum 1986 bis 1995 gab es genauso viele Urteile zur Managerhaftung wie in den letzten 100 Jahren zuvor. Für die nachfolgenden 10-Jahreszeiträume 1996 bis 2005 und 2006 bis 2015 wurde eine nochmalige Verdoppelung geschätzt [Vgl. Bachmann: Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag 2014, S. 13].
Die Dynamik im Zusammenhang mit Compliance hat in den vergangenen Jahren eine nahezu ungebremste Entwicklung genommen – in vertikaler wie horizontaler Hinsicht, so die Herausgeber des kompakten Nachschlagwerks "Compliance von A–Z". Vertikal, da sich die Kenntnisse – aber vor allem auch die Praxis – von Compliance stark weiterentwickelt und professionalisiert haben. Die Autoren weiter: "Nahezu alle international engagierten Unternehmen verfügen nun – zumindest auf dem Papier – über eine Compliance-Funktion, wenn auch die Ausbildung einer robusten Compliance Organisation (sic) bisweilen noch Raum für Verbesserungen lässt."
Horizontal, da die schiere Anzahl einzuhaltender externer wie interner Vorschriften und Regularien nicht nur die Compliance Beauftragten, sondern insbesondere auch die Mitarbeiter "an der Front" (die sog. "first line of defence") vor erhebliche Herausforderungen stellt. Hinzu kommt, dass in Unternehmen bislang klar zugeordnete Zuständigkeiten und Selbstverständnisse zunehmend verschwimmen, und man bisweilen gar eine sukzessive "Übernahme" von bislang durch interne Rechtsabteilungen abgedeckte Aufgabengebiete und -zuständigkeiten durch Compliance beobachten kann.
Fazit: Mit dem kompakten Nachschlagwerk liefern die Autoren eine solide Hilfestellung, damit Begrifflichkeiten aus der Compliance-Welt einheitlich definiert und verwendet werden. Einzelne Definition sind leider etwas arg eng gefasst und folgen zudem keinen internationalen Standards. So bezieht sich beispielsweise der Begriff der Risikoanalyse (Seite 199) ausschließlich auf Zollkontrollen und den Warenverkehr, obwohl es auch in anderen Bereich eine (Compliance-)Risikoanalyse gibt. Hier hat man das Gefühl, dass die einzelnen Autoren nur sehr eingeschränkt über ihren eigenen fachlichen Tellerrand hinausschauen. Auch der Begriff der Risikofrüherkennung ist eindeutig zu eng gefasst und referenziert ausschließlich auf § 91 Abs. 2 AktG. Trotz dieser Schwächen erklärt das rund 280 Seiten starke Lexikon in einer präzisen und verständlichen Form die wichtigsten Begriffe aus der Welt der Corporate Compliance. Alle Erläuterungen sind auch für Nichtjuristen nachvollziehbar.