Die Herausgeber und Autoren des Buches "Der Werdegang der Krise – Von der Subprime- zur Systemkrise" haben ihren Anspruch im Vorwort klar definiert und die eigene Latte ziemlich hoch gelegt: Die literarische Aufarbeitung der gegenwärtigen Wirtschaftskrise ist enttäuschend. Zwar wurde "viel Tinte verspritzt", doch die Analysen werden der Krise und ihren Ursachen nicht gerecht. Die Autoren räumen mit der Vorstellung auf, dass die Finanzkrise auf eine oder wenige Ursachen zurückgeführt werden kann. Vielmehr führte ein ganzes Bündel von Ursachen zunächst zur Finanzkrise. Damit sich diese auf das Finanzsystem anderer Staaten übertrug, war erneut eine Reihe von Ursachen erforderlich.
Das Buch – Ergebnis eines Seminars mit Studenten der Universität Duisberg-Essen – ist in fünf Themenblöcke aufgeteilt. Die ersten drei Artikel im ersten Abschnitt analysieren die verschiedenen (makroökonomischen) Ursachen der Subprime-Krise in den USA. Im Zentrum der Analyse stehen die Politik der US-Notenbank vor und nach dem 11. September 2001, die US-amerikanischen Hypothekenverträge für Subprime-Kredite und das amerikanische Konsumverhalten sowie das aggressive Marketing US-amerikanischer Banken und Finanzvermittler und die damit verbundenen Anreizsysteme.
Der zweite Themenblock beschäftigt sich mit der Diffusion der Subprime-Krise auf US-amerikanische Banken sowie das internationale Bankensystem. Hierbei werden u. a. die Auswirkungen der Finanzkrise auf die Unternehmensfinanzierung und das Kreditvergabeverhalten dargestellt. Ergänzend wurde der Versuch unternommen, die Gründe für die Insolvenz von Lehman Brothers zu skizzieren. Für eine vertiefende Analyse empfehle ich die Lektüre der Publikation "In Fed We Trust" (David Wessel, New York 2009 bzw. die deutsche Übersetzung "Die große Panik"). Leider liefert das Kapitel III keine mikroökonomische Analyse der Finanzkrise. Die Frage, warum Banken und Finanzdienstleister in US-Subprime investiert haben, bleibt unbeantwortet. Haben die Methoden des Risikomanagements versagt? Lagen Fehler im Zielsystem, in der Unternehmenssteuerung oder in den Anreizsystemen vor? Bei der Beantwortung dieser Fragen helfen die Autoren nicht weiter.
Der anschließende vierte Themenblock konzentriert sich auf das Krisenmanagement der Staaten und Zentralbanken im internationalen Kontext. Der abschließende fünfte Themenblock beschäftigt sich mit potenziellen Folgekrisen: Der Sozialkrise, der Finanzsystemkrise, der Wirtschaftssystemkrise. Im einführenden Beitrag diskutiert der Autor die Fragestellung, ob Islamic Banking als alternatives Anlagekonzept ein Wirtschaftspotenzial innerhalb des Bankensystems hat und inwieweit es ein Vorbild für ein künftiges Bankensystem sein kann. Das Ergebnis ist eindeutig: Im Vergleich zum konventionellen Banksystem ist Islamic Banking mit zu vielen Einschränkungen verbunden und ist daher als Vorbild nicht geeignet.
Fazit: Der Sammelband liefert eine kompakte und wissenschaftlich fundierte Analyse der Finanzkrise. Leider konzentrieren sich (wie die meisten alternativen Publikationen zu den Ursachen der Subprime-Krise) im Wesentlichen auf makroökonomische Aspekte. Die Qualität der einzelnen Beiträge schwankt – wie für Sammelbände nicht untypisch – hinsichtlich Tiefgang und Qualität. Trotz dieser Einschränkungen ist der Kauf des Buches eine gute Investition.
Rezension von Frank Romeike
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