Die Welt der Finanzindustrie und der Finanzinstrumente ist dynamisch – das haben die turbulenten Ereignisse in den vergangenen Jahren vielen teilweise schmerzhaft vor Augen geführt. Die erste Auflage der Einführung von Arnd Wiedemann, Inhaber des Lehrstuhls für Finanz- und Bankmanagement an der Universität Siegen, ist im Jahr 2002 erschienen.
In den Turbulenzen der Finanzmarkt-, Banken- und Staatskrisen standen auch die Finanzinstrumente am Pranger. Ihnen bzw. dem missbräuchlichen Einsatz wurde eine Mitschuld an der Krise gegeben, die seit dem Jahr 2007 die Welt in Atem hält. Seitens der Politik wurden daher auch recht schnell Forderungen nach einer stärkeren Regulierung laut, um beispielsweise den Derivatemarkt zu zähmen. So warnt etwa der US-amerikanische Großinvestor, Unternehmer und Mäzen Warren Buffett ("Das Orakel von Omaha") zeit vielen Jahren vor Derivaten. Diese Finanzkonstrukte seien "Zeitbomben" bzw. "Massenvernichtungswaffen", die beiden Seiten schadeten: den Parteien, die sie abschließen sowie dem volkswirtschaftlichen System. Diese Waffen tragen – seiner Ansicht nach – die Gefahr in sich, dass die Finanzinstrumente potenziell tödlich seien. Die Finanzinstrumente und -wetten seien in der Zwischenzeit derart kompliziert, dass sie niemand mehr verstehe. Und weil die Instrumente "mega-katastrophen-riskant" seien, könnten diese ganze Volkswirtschaften vernichten, so Buffet.
Dies ist jedoch nur eine sehr eindimensionale Sicht der Welt des "Financial Engineering". Ein wichtiger Aspekt ist die Erkenntnis, so Wiedemann in seinem Vorwort, dass den besten Selbstschutz ein fundiertes Wissen über die Funktionsweise der Instrumente liefert. Exakt hier setzt das Buch "Financial Engineering". Es liefert eine wissenschaftlich fundierte und doch praxisorientierte Einführung in die Welt der Finanzinstrumente. So kann der Leser sich eigenständig ein Bild von der Funktionsweise eines Produktes aber auch von den "downside"-Risiken sowie "upside"-Risiken machen.
Nachdem bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Anleihe als Anlageform dominierte, folgten gegen Ende des vorherigen Jahrhunderts asymmetrische Produkte. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass ihre Gewinn- und Verlustmöglichkeit nicht gleichverteilt sind. Die bekannteste Form ist die Option. So kann mit Optionen beispielsweise an der Entwicklung von Aktien, Zinsen oder Währungen partizipiert werden.
Nachdem eine Vielzahl von verschiedenen Produkten am Markt existiert, wurde in den vergangenen Jahren damit begonnen, diese auch miteinander zu kombinieren. Ähnlich dem Konstruieren eines Ingenieurs wird dieser Vorgang "Financial Engineering" genannt. Das Buch von Arnd Wiedemann verfolgt das Ziel, den Leser durch den Dschungel der Finanzinstrumente zu begleiten. Das Buch beginnt einführend mit finanzmathematischen Grundlagen, etwa der Bestimmung der Zinsstrukturkurve, der Interpolation von Zinssätzen sowie der Barwertberechnung. Anschließend werden symmetrische Basisinstrumente, wie Straight Bonds oder Floater, aber auch derivative Produkte wie Forward Rate Agreements und Swaps erläutert. Anschließend folgt ein Kapitel zu den asymmetrischen Basisinstrumenten. Die Grundlagen hierzu werden am Beispiel von Aktienoptionen erklärt. In einem ersten Block von strukturierten Finanzprodukten werden Kombinationen aus Anleihen und Aktienoptionen vorgestellt und bewertet. Dazu gehören Aktienanleihen, Discount-Zertifikate und index-basierte Anleihen. Im nachfolgenden Kapitel werden Zinsoptionen erläutert und bewertet. Hierzu zählen Anleiheoptionen, Caps, Floors und Swaptions. Auch sie werden mit den symmetrischen Basisinstrumenten verknüpft. Dies ergibt Produkte wie Callable Bonds, Putable Bonds, Reverse und Leveraged Floater oder gecapte Constant Maturity Swaps.
Im vorletzten Kapitel werden Wandelanleihen analysiert, die aufgrund ihrer Hybridstruktur sowohl Fremd- wie auch Eigenkapitalbestandteile enthalten. Ergänzend zu den analytischen Bewertungsmodellen kommen Simulationsverfahren immer dann zum Einsatz, wenn analytische Formeln aufgrund der Komplexität der zu bewertenden Produkte an ihre Grenzen stoßen. Die Konzeption und Methodik der Monte-Carlo-Simulation wird im abschließenden Kapitel beschrieben. Ein ausführliches Literatur- und Stichwortverzeichnis schließen das Buch ab.
Gegenüber der Vorauflage wurde ein neues Kapitel im Rahmen der Swapbewertung eingeführt, das nun auch Basis-Spreads bei der Bewertung berücksichtigt. Auch wurden die Marktdaten im Bereich der Zinsstrukturkurven aktualisiert und alle Fallstudien überarbeitet.
Das Standardwerk von Arnd Wiedemann kann – auch in der überarbeiteten und aktualisierten 6. Auflage – uneingeschränkt allen Praktikern und Studenten als Einführung in die komplexe Welt der Finanzinstrumente empfohlen werden. Nach der Lektüre und der Bearbeitung der diversen Fallstudien (Lösungshinweise und Excel-Tools kann der Leser im Internet herunterladen) lichtet sich der Nebel im Dschungel der Caps, Floors, Plain Vanilla Swaps, Constant Maturity Swaps, Collars und Swaptions recht schnell. Fazit: Das Buch bietet eine didaktisch exzellente Einführung und Vertiefung in die Bewertung von klassischen und modernen Finanzinstrumenten.
Autor der Rezension: Frank Romeike