Mit den Reformen des Aktienrechts 1998 erhielt die Shareholder-Value-Doktrin Einzug in die nationale Rechnungslegung. Begründet wurden die Gesetzesänderungen damit, dass die steuer- und handelsrechtlichen Vorschriften dem internationalen Standard entsprechen müssen. Globale Kapitalgeber waren nur eingeschränkt bereit, den Unternehmen Investitionskapital zur Verfügung zu stellen. Aus ihrer Sicht waren die gesetzlichen Vorschriften zu kompliziert und entsprachen auch nicht ihren Vorstellungen. Mit der gesetzlichen Neuausrichtung sollte die Attraktivität des Standortes Deutschland für externe Kapitalgeber gesteigert werden. Unternehmensbeteiligungen in Form von Private Equity wurde so gefördert. Damit einhergehend ist das Ziel, den Unternehmenswert zu erhöhen, um so höhere Dividenden an die Shareholder auszuschütten. Die voranschreitende Globalisierung führte in den Folgejahren zu einer weiteren internationalen Angleichung und Ergänzung der Rechnungslegungsvorschriften. Das dem angloamerikanischen Modell entsprechende International Financial Reporting Standards (IFRS) setzt sich vermehrt gegenüber den Vorschriften des Handelsgesetzbuches (HGB) durch. Alle kapitalmarktorientierte Mutterunternehmen innerhalb der EU haben ihren Konzernabschluss nach den Regeln des IFRS zu erstellen.
Mit der vorliegenden Schrift will der Autor einen Beitrag dazu leisten, kritisches Denken „im Hinblick auf Alternativen, Irrtümer, Widersprüche und unerwünschte Konsequenzen der IFRS zu leisten. Inhaltlich fokussiert sich der Autor auf die folgenden Aspekte:
- Institutioneller Rahmen und Anwendung der IFRS,
- Konzeptionelle Grundlagen der IFRS-Rechnungslegung,
- Wesentliche Rechnungslegungssachverhalte nach IFRS insbesondere die Widersprüchlichkeiten des Fair Market Value Ansatzes,
- Komplexität der IFRS Regelungen.
Der aus 14 Mitgliedern bestehende IASB (International Accounting Standard Board) ist institutionell in die IFRS-Foundation eingebettet. Die Normen und Regeln werden vom IASB herausgegeben.
Geopolitisch dominieren die Mitglieder aus den angelsächsischen Ländern und sind den "Big-Four"-Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und der Versicherungsbranche zuzuordnen. Haaker bemängelt, dass es sich bei diesem Gremium um private Standardsetzer handelt und eher der Shareholder-Value-Doktrin anhängen und setzt sich kritisch mit der Vorgehensweise dieser Institution auseinander. Insbesondere bemängelt er, dass eine demokratische Kontrolle nicht gegeben ist und dass das IASB sich der demokratischen Legitimation entzieht.
Die konzeptionellen Grundlagen des IFRS und des HGB ist Erörterung des zweiten Themenabschnitts. Während das HGB dem Code-Law-System folgt, wo auf Basis eines „hohen Abstraktionsgrad eine Vielzahl von Sachverhalten prinzipienorientiert geregelt wird, so ist das IFRS durch ein Case-Law-Denken geprägt. „Spezielle Einzelfälle werden kasuistisch geregelt, so die Kritik (Seite 21).
Zentraler Zweck des IFRS Abschlusses ist die Bereitstellung von Informationen für die Anlageentscheidung des Investors. Auch im Berichtswesen nach den IFRS Regeln lassen sich Informationen kaschieren. Mehr Text führt nicht automatisch zu qualitativ höherwertigen Informationen.
Auf Basis der erarbeiteten konzeptionellen Grundlagen werden wesentliche und ausgewählte Rechnungslegungssachverhalte dargestellt. Pointiert werden die Schwierigkeiten mit dem Umgang der Vorschriften bei der Bewertung einzelner Sachverhalte, wie beispielsweise beim Immateriellen Anlagevermögen, dem Goodwill oder der Fair-Value-Orientierung, herausgearbeitet. Das IFRS Regelwerk ist nicht nur durch unbestimmte Rechtsbegriffe charakterisiert, sondern auch durch innere konzeptionelle Widersprüche. Exemplarisch sei hier das „Facebook-Fiasko genannt. So wurde der Marktwert von Facebook im Jahr 2012 legal künstlich hochgerechnet, um den Kapitalmärkten und den Aktienkäufern einen hohen Unternehmenswert zu suggerieren. Der Katzenjammer nach dem Börsengang folgte prompt. Nicht selten wird der Unternehmenswert bei fehlenden Marktpreisen auf Basis theoretischer Bewertungsmodelle ermittelt. Die dabei verwendeten Parameter entsprechen häufig nicht der Realität und ermöglichen bei der Bewertung von Immobilien und Wertpapieren umfangreiche Gestaltungsspielräume. Insbesondere die Bankbilanzen sind zum Großteil von der modellorientierten Fair-Value Bewertung geprägt (Seite 221). Die Bewertungsmodelle laden dazu ein, Bewertungsspielräume extensiv zu nutzen. Wie die Immobilienkrise zeigte, waren die Bilanzangaben und publizierte Geschäftsberichte in nicht wenigen Fällen Makulatur.
Der Autor bevorzugt die Rechnungslegung nach den Regeln des HGB und präferiert so eine national ausgerichtete Lösung. Dem ist zu entgegnen, dass die weiter voranschreitende Globalisierung und EU Harmonisierung eine stetige Aushöhlung der nationalen Rechnungslegung impliziert. Insbesondere im Interesse und zum Schutz des Mittelstandes hat die Bundesregierung reagiert und mit dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz die Option geschaffen, dass mittelständische Unternehmen zwischen zwei Systemen der Rechnungslegung optieren können.