Die Lebensversicherungsmathematik blickt auf eine rund 250-jährige Geschichte zurück. Im Jahr 1762 erfolgte die Gründung der "Society for Equitable Assurances on Lives and Survivorships", der ersten Lebensversicherungsgesellschaft auf statistisch-mathematischer Basis. Ironischerweise ist gerade die Equitable im Jahr 2000 beinahe bankrott gegangen, nachdem sie sich massiv mit Optionen für garantierte Renten verkalkuliert hatte.
In der Personenversicherungsmathematik im Allgemeinen und der Lebensversicherungsmathematik im Speziellen spielen vor allem Finanzströme eine wesentliche Rolle, etwa durch regelmäßige Zahlungen des Versicherungsunternehmens an den Versicherungsnehmer, aber auch in Form von Prämienzahlungen an das Versicherungsunternehmen durch den Versicherungsnehmer. Somit steht die finanztechnische Bewertung solcher Zahlungsströme, entweder zum Ende der Laufzeit (Verzinsung) oder zum Anfang der Laufzeit (Diskontierung) im Zentrum der Personenversicherungs- und Lebensversicherungsmathematik. Basierend auf der Langfristigkeit von Lebensversicherungsverträgen müssen ergänzend die Sterbewahrscheinlichkeiten in der Prämienkalkulation berücksichtigt werden.
Das Lehrbuch von Karl-Michael Ortmann, Aktuar und Professor für Mathematik an der Beuth Hochschule für Technik Berlin, liefert mit seinem Buch einen grundlegenden und praxisorientierten Einstieg in die Welt der Lebensversicherungsmathematik. Das Fundament wird in den ersten beiden Kapiteln gelegt: Hier erfährt der Leser die Grundzüge der Lebensversicherung sowie die Grundlagen der Finanzmathematik (Zinsrechnung, Investitionsrechnung, Rentenrechnung, Tilgungsrechnung). Im anschließenden dritten Abschnitt werden Details über die biometrischen Rechnungsgrundlagen vermittelt. Hierunter werden Parameter verstanden, mit denen die versicherten Risiken, wie Sterblichkeit, Berufsunfähigkeit oder Krankheitskosten dargestellt werden. In der Regel sind diese Parameter vom Geschlecht und vom erreichten Alter abhängig. Wichtige biometrische Rechnungsgrundlagen in der Lebensversicherung sind Sterblichkeits-, Berufsunfähigkeits- und Reaktivierungswahrscheinlichkeiten. Ausgehend von diesen einjährigen Ausscheidewahrscheinlichkeiten errechnen sich Ausscheideordnungen (beispielsweise Sterbetafeln), welche die Verkleinerung eines Ausgangskollektivs mit steigendem Alter darstellen.
Das vierte Kapitel stellt die Grundlagen der Beitragsberechnung (Barwerte von Ausscheideleistungen, Nettoprämien, Bruttoprämien, Kostenprämien, Tarifprämien etc.) dar. Am Ende des Abschnitts werden die Methoden auf ausgewählte Produktbeispiele angewendet. Aufgrund der Tatsache, dass in der Lebensversicherung über den Zeitverlauf gleich hohe Prämien vereinbart werden, resultiert die Notwendigkeit zu Berechnung von Reserven bzw. Deckungsrückstellungen. Mit den Methoden zur Berechnung von Deckungsrückstellungen beschäftigt sich das fünfte Kapitel. Die Ergebnisanalyse (Kapitel 6) des getätigten Lebensversicherungsgeschäfts ist von besonderer kaufmännischer Bedeutung. Der Leser erhält in diesem Kapital Einblicke in die Welt der Rechnungslegung. Das abschließende siebte Kapitel skizziert einige Grundlagen der Rückversicherung (Proportionale Rückversicherung, Nicht-proportionale Rückversicherung, Gestaltungsarten).
Fazit: Insgesamt liefert das Buch einen kompakten und auch für den Nicht-Mathematiker verständlichen Einblick in die Welt der Finanz- und Lebensversicherungsmathematik. Das Buch kann sowohl Studierenden als auch Praktikern ohne Einschränkungen empfohlen werden.
Rezension von Frank Romeike