Bekanntermaßen bezieht sich das KonTraG (Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich) bzw. der dadurch veränderte §91 des Aktiengesetzes ausdrücklich auf „den Fortbestand des Unternehmens gefährdende Entwicklungen“. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass eine solche Existenzgefährdung nicht ausschließlich durch den Eintritt eines einzelnen Risikos möglich ist. Vielmehr kann dieser Effekt auch aus einer Kombination unterschiedlicher Einzelrisiken resultieren, welche das Kriterium der Existenzgefährdung bei isolierter Betrachtung gar nicht erfüllen würden. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass nur eine fundierte Einschätzung der Gesamtrisikosituation den Ansprüchen des Gesetzgebers genüge leisten kann – ganz zu schweigen von den Anforderungen, denen das Risikomanagement im Rahmen einer wertorientierten Unternehmenssteuerung gerecht werden muss. Die Qualität der Aggregation von Einzelrisiken zu einer Gesamtrisikoposition beeinflusst somit in ganz wesentlichem Umfang auch die Qualität des Risikomanagementsystems insgesamt.
Während einschlägige Instrumente zur Risikoidentifikation, -bewertung und -steuerung in vielen Unternehmen inzwischen fest etabliert und teilweise auch sehr weit entwickelt sind, scheinen im Bereich der Risikoaggregation vielfach noch Defizite zu bestehen. Um einen Überblick des aktuellen Stands der Risikoaggregation in der Unternehmenspraxis zu vermitteln und dadurch gegenseitige Lernprozesse in diesem Bereich zu fördern, werden in dem vorliegenden Herausgeberwerk werden die Ansätzen von neun Unternehmen unterschiedlicher Größe und Branchenzugehörigkeit zusammengestellt. Das Buch gliedert sich hierbei in vier Hauptteile. In Teil eins erfolgt – nach einem einführenden Abschnitt zu Grundlagen, Bedeutung, und regulatorischen Rahmenbedingungen – zunächst eine Darstellung der mathematisch/methodischen Grundlagen der Risikoaggregation. In kompakter und dennoch recht vollständiger Form wird dem Leser hier das erforderliche Rüstzeug für die folgenden Beiträge vermittelt. Abgedeckt werden hierbei u. a. die Thema Zufallsvariablen, Varianz-Kovarianz-Ansatz, Monte-Carlo-Simulation, Mid-Square-Methode und Lehmergeneratoren.
Die folgenden drei Teile bilden dann das eigentliche Herzstück des Buches. Hier finden sich Praxisberichte aus insgesamt acht Unternehmen, die deren Ansätze, Instrumente und Prozesse zur Risikoaggregation darstellen. Bei den betrachteten Fällen handelt es sich um Fallbeispiele aus der Industrie (SAP, BLG Logistics, BMW, MOL), der Elektrizitätswirtschaft (Vattenfall Europe, EnBW, Axpo) sowie der Finanzdienstleistungsbranche (ASL Auto Service-Leasing), wobei letzterer Teil noch einen allgemeinen Überblick über den Stand der Praxis in diesem Wirtschaftszweig vermittelt. Abgerundet wird das Werk durch ein zusammenfassendes Kapitel, das eine Systematisierung gängiger Ansätze der Risikoaggregation vornimmt und auf dieser Grundlage die wesentlichen Erkenntnisse aus den vorangegangenen Fallbeispiele nochmals komprimiert aufbereitet. Gerade dieser abschließende Rückblick aus einer etwas theoretischeren Perspektive auf die zuvor dargestellten Praxisberichte erweist sich dabei als fruchtbar, da er eine fundierte und differenzierte Beurteilung der einzelnen Ansätze erlaubt.
Wie bei derartigen Sammelwerken unvermeidbar, weisen die einzelnen Beiträge spürbare Unterschiede bzgl. fachlichem Niveau und Lesbarkeit auf, wirkliche Ausfälle sind allerdings nicht zu verzeichnen. Somit vermittelt das Werk daher einen ebenso interessanten wie fundierten Überblick des Stands der Risikoaggregation in deutschen Unternehmen. In den Darstellungen der unterschiedlichen Herangehensweisen im Rahmen der Fallbeispiele werden Praktiker eine Fülle von Anregungen finden, um geeignete Aggregationsverfahren für ihr eigenes Unternehmen (weiter) zu entwickeln. Diesem Leserkreis kann das Werk uneingeschränkt empfohlen werden.
Rezension von Dr. Roland F. Erben