Das vorliegende Buch ist eine Fortsetzung des Buches "Von der Subprime-Krise zur Finanzkrise – Immobilienblase: Ursachen, Auswirkungen, Handlungsempfehlungen" (eine ausführliche Buchbesprechung finden Sie hier). Hierbei hatten sich die Autoren bei ihren Handlungsempfehlungen im Wesentlichen auf Allgemeinplätze konzentriert, die der Leser auch in der Wirtschaftspresse findet. Ein wissenschaftlicher Tiefgang fehlte völlig. So wiesen sie beispielsweise darauf hin, dass die wichtigste Lektion der Subprime-Krise sei, "dass man sich nicht ausschließlich auf die Risikobewertung der Ratingagenturen verlassen kann", und dass die Investoren zusätzlich ihre eigene Analyse durchführen müssen. Aus den eher schlechten Bewertungen des ersten Bandes haben die Autoren zumindest soweit gelernt, dass sie im Vorwort nicht mehr versprechen, dass sich das Buch "fachlich und wissenschaftlich" von der bisherigen Literatur zu diesem Thema abhebt. Vielmehr weisen sie auf die Bemühungen hin, ein Buch in einer allgemein verständlichen Sprache zu schreiben und Wirtschaftspraxis und Wissenschaft miteinander zu verbinden.
In einem einführenden Kapitel skizzieren die Autoren zunächst die theoretischen Zusammenhänge der Globalisierung, der Finanzwirtschaft und Realwirtschaft sowie des Wirtschaftskreislaufs. Im Anschluss werden einige empirische Ereignisse skizziert (Weltwirtschaftskrise 1929, Japankrise, Weltwirtschaftskrise 2008/09) und miteinander verglichen. Kapitel 3 widmet sich der expansiven Geldpolitik seit Mitte der 1980er Jahre sowie der "Theorie wandernder Blasen". Lesenswert ist das Kapitel 4 "Lässt sich die aktuelle Finanzkrise anhand von Behavioral Finance erklären?". Behavioral Finance erweitert die Rationalität klassischer Modelle um die Psychologie. So führte beispielsweise ein Herdenverhalten der Marktakteure zunächst zu einer Immobilienblase und in der Folge zu kollektiven Milliardenabschreibungen bei den Risikoträgern. In einigen Ländern führte der Herdentrieb auf der Kundenseite zu einem "bank run". Im anschließenden fünften Kapitel gehen die Autoren der Frage nach, wie John Maynard Keynes und Adam Smith die Finanzkrise lösen würden. Smith, dessen Theorie auf eine "unsichtbare Hand" aufbaut, die Ungleichgewichte in der freien Marktwirtschaft mittels Marktregulierungsmechanismen immer wieder zum Gleichgewicht bringt, wehrt sich vehement gegen Eingriffe des Staates, die über gesellschaftliche Rahmenbedingungen hinausgehen. Für Keynes hingegen ist das Eingreifen des Staates mit fiskal- und geldpolitischen Mitteln unabdingbar. Kapitel 6 skizziert die Welt der Asset Backed Securities und Gestaltung von Bilanzausgliederungen. Das anschließende siebte Kapitel widmet sich der Rolle von IFRS und US-GAAP bei der Fair-Value-Bewertung. Mit den Charakteristika und Risikoeigenschaften von Hedgefonds beschäftigt sich das achte Kapitel. Die nachfolgenden beiden Kapitel konzentrieren sich auf einen Ausblick in die Welt des Investmentbankings sowie die Situation der großen Schwellenländer Brasilien, Russland, Indien und China (BRIC). Das abschließende elfte Kapitel skizziert Handlungsempfehlungen des Deutschen Instituts für Corporate Finance. Hierbei werden die allgemein bekannten Empfehlungen stichwortartig dargestellt (beispielsweise Regulierung der Ratingagenturen, globale Aufsichtsbehörde, keine Bilanzausgliederungen, Anreizsysteme, Trockenlegen von Offshore-Finanzplätzen, Nachhaltigkeit).
Bei einer neuen Auflage sollten die Autoren auf den doppelten Abdruck von Abbildungen (Abb. 2.21 und 5.20) bzw. die Wiedergabe von banalen Abbildungen (Abb. 2.2) verzichten. Generell sind viele Grafiken sehr unscharf abgedruckt. Außerdem sollten einige grobe Fehler korrigiert werden. So weisen die Autoren darauf hin, dass die drei großen Ratingagenturen US-amerikanisch seien und fordern daher eine europäische Ratingagentur (S. 347). Hierbei übersehen sie, dass Mehrheitseigentümer von Fitch Ratings die französische Holding Fimalac ist.
Schließlich sind einige grundlegende Definitionen fehlerhaft. So gibt der Value at Risk nicht den maximalen Verlust (S. 361), sondern vielmehr genau umgekehrt den minimalen Verlust an, der mit einer vorgegebenen Wahrscheinlichkeit nicht überschritten wird.
Insgesamt analysiert das Buch die Krise aus einer zunächst makroökonomischen Perspektive. Über die Theorie des Behavioral Finance schlagen die Autoren die Brücke zu einer mikroökonomischen Analyse und geben eine Antwort darauf, warum sich vereinzelte Institute außerhalb der eigenen Bilanz mit dem 10- bis 15-fachen Volumen des Eigenkapitals mit Finanzderivaten versorgt und damit ihre Risikotragfähigkeit massiv überschätzt haben. Über die Rolle des Finanzsektors in der Volkswirtschaft als Liquiditäts- und Kapitalgeber wird gezeigt wie und warum die Finanzkrise auf die produzierende Wirtschaft, die ‚Main Street’ durchschlägt.
Als Strategie für einen Ausweg aus der Krise schlagen die Autoren vor, wieder ordnungspolitische Überlegungen, also die aktive Gestaltung von Rahmenbedingungen, und weniger fiskalpolitische Maßnahmen, vereinfacht das Lösen von Problemen durch Geldausgeben, in den Mittelpunkt der Wirtschaftspolitik zu stellen. Leider wird der Konflikt, den diese Strategie mit der traditionell hohen Priorität der Arbeitslosigkeitsvermeidung in Deutschland auslöst, nicht thematisiert.
Insgesamt gelingt den Autoren mit dem Buch eine deutliche Verbesserung gegenüber "Von der Subprime-Krise zur Finanzkrise" und eine lesbare journalistische Einführung in die Thematik.
Rezension von Frank Romeike und Dr. Uwe Wehrspohn