Pierre-Simon Laplace

Pierre-Simon Laplace, (Mit-) Entwickler der Wahrscheinlichkeitsrechnung

Ähnlich wie Demokrit schrieb mehr als 2000 Jahre später der französische Mathematiker und Astronom Pierre Simon (Marquis de) de Laplace (* 28. März 1749 in Beaumont-en-Auge in der Normandie; † 5. März 1827 in Paris), dass die Menschen "in Unkenntnis ihres Zusammenhanges mit dem Weltganzen" Ereignisse, die ohne sichtbare Ordnung eintreten, stets vom Zufall abhängen lassen. Laplace studiere zunächst ab dem Jahr 1766 Theologie und Philosophie am Jesuiten-Kolleg von Caen. Dort wurden die Professoren Christoph Gadblet und Pierre Le Canu auf ihn aufmerksam und öffneten seine Augen für die bunte und spannende Welt der Mathematik.

Zwei Jahre später, im Jahr 1768, verließ Laplace das Jesuiten-Kolleg ohne Abschluss und ging mit einem Empfehlungsschreiben zu Jean Baptiste le Rond d'Alembert nach Paris. D’Alembert war zur damaligen Zeit der berühmteste Mathematiker Frankreichs. Als Bewerbungstest gab d’Alembert dem jungen Laplace eine komplexe mathematische Aufgabe mit, die dieser innerhalb einer Woche lösen sollte. Laplace klopfte jedoch bereits am nächsten Tag wieder an d’Alemberts Tür. Auch die neuen und schwierigeren Aufgaben, die d’Alembert ihm mit auf den Weg gab, löste er schnell und ohne Probleme. Tief beeindruckt von Laplace, verschaffte d’Alembert im Jahr 1771 dem jungen Laplace eine Stelle als Lehrer für Geometrie, Trigonometrie, elementare Analysis und Statistik an der Pariser Militärakademie. In dieser Zeit verfasste Laplace Schriften rund um die Themen Extremwertprobleme, Astromechanik, Differentialgleichungen, Wahrscheinlichkeits- und Spieltheorie sowie zur Integralrechnung.

Laplace trug insbesondere auch zur Weiterentwicklung der Wahrscheinlichkeitsrechnung bei und lieferte wichtige analytische "Werkzeuge", wie beispielsweise die Theorie der erzeugenden Funktionen und die Methode der rekursiven Reihen. In seiner im Jahr 1812 erschienenen  zweibändigen Publikation "Théorie analytique des probabilités" fasste er die neuen Erkenntnisse zusammen. In den Bänden behandelte er unter anderem den Erwartungswert sowie die Sterblichkeit und die Lebenserwartung und widerlegte vor allem die von vielen Mathematikern vertretene These, dass eine strenge mathematische Behandlung der Wahrscheinlichkeit nicht möglich sei.

Die Theorie des Zufalls

"Die Theorie des Zufalls (des hasards) besteht darin, alle Ereignisse derselben Art auf eine gewisse Anzahl gleich möglicher Fälle zurückzuführen, das heißt auf solche, über deren Existenz wir in gleicher Weise im Unklaren sind, und dann die Zahl der Fälle zu bestimmen, die dem Ereigniss, dessen Wahrscheinlichkeit man sucht, günstig sind. Das Verhältniss dieser Zahl zu der aller möglichen Fälle ist das Maass dieser Wahrscheinlichkeit, die also nur ein Bruch ist, dessen Zähler die Zahl der günstigen Fälle, und dessen Nenner die Zahl aller möglichen Fälle ist.", so Laplace in seinem im Jahr 1814 erschienenen Werk "Philosophischer Versuch über die Wahrscheinlichkeiten".

"Der hier gegebene Begriff der Wahrscheinlichkeit setzt voraus, dass, wenn man die Zahl der günstigen Fälle und die aller möglichen Fälle in gleichem Verhältnis wachsen lässt, die Wahrscheinlichkeit dieselbe bleibt. Um sich davon zu überzeugen, stelle man sich zwei Urnen A und B vor, von denen die erste vier weisse und zwei schwarze Kugeln enthält, und die zweite nur zwei weisse und eine schwarze Kugel einschliesst. Nun denke man sich, dass die zwei schwarzen Kugeln der ersten Urne an einen Faden gebunden sind, der in dem Momente reisst, wo man die eine von ihnen ergreift, um sie herauszuziehen, und dass die vier weissen Kugeln zwei ähnliche Systeme bilden. Alle Chancen, welche bewirken, dass eine der Kugeln des schwarzen Systems ergriffen wird, werden eine schwarze Kugel herausbringen. Wenn man sich jetzt vorstellt, dass die Fäden, welche die Kugeln verbinden, nicht reissen, so ist klar, dass die Zahl aller möglichen Chancen sich ebenso wenig ändern wird als die dem Herausziehen schwarzer Kugeln günstigen Chancen; nur wird man aus der Urne zwei Kugeln auf einmal herausziehen; die Wahrscheinlichkeit, eine schwarze Kugel aus der Urne herauszuziehen, wird also dieselbe sein wie früher. Aber dann hat man augenscheinlich den Fall der Urne B mit dem einzigen Unterschiede, dass die drei Kugeln dieser letzteren Urne ersetzt sind durch drei Systeme von je zwei Kugeln, die unveränderlich mit einander verbunden sind."

Wie ein Virtuose beherrschte Laplace den Kalkül der Infinitesimalrechnung. So untersuchte er partielle Differentialgleichungen 2. Ordnung auf ihre Lösungsmöglichkeit, ersann die Kaskadenmethode – ein Lösungsverfahren für hyperbolische Differentialgleichungen – und befasste sich mit partiellen Differenzengleichungen. Außerdem entwickelte Laplace eine Kapillartheorie für Flüssigkeiten, leitete eine Formel für die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Schalls in der Luft ab und verbesserte die barometrische Höhenformel.

Innenminister bei Napoleon

Im Jahr 1794 übernahm Laplace eine Professur für Mathematik an der École Polytechnique, der neu gegründeten technischen Hochschule in Paris. Wenige Jahre später, im Jahr 1799, berief ihn Napoleon zum Innenminister und später in den Senat. Mit dem Amt des Innenministers war er jedoch schnell überfordert und wurde nach nur sechs Wochen von  einem Bruder Napoleons abgelöst. Napoleon berief ihn – quasi zum Trost – in den Senat. Im Jahr 1803 wurde Laplace Vizepräsident des Senats und verdiente während dieser Zeit ein kleines Vermögen. Als Vorsitzender der Kommission für Maße und Gewichte hatte er außerdem wesentlichen Anteil an der Einführung eines einheitlichen dezimalen Maßsystems.

Im Jahr 1806 – nachdem Laplace von Napoleon zum Grafen geadelt wurde – zog Laplace in der Pariser Vorort Arceuil und wurde Nachbar des Chemikers Bartholet. Gemeinsam mit im gründete er die Société d’Arceuil, in der die beiden mit anderen Wissenschaftlern, unter anderem auch mit dem Naturforscher und Entdecker Alexander von Humboldt, Experimente durchführten.

Im Jahr 1815 wurde Laplace von König Ludwig XVIII zum Pair von Frankreich und 1817 zum Marquis (Markgraf) ernannt. Im Jahr 1816 legte Laplace seine Arbeit an der Ecole Polytechnique nieder und wurde Mitglied der 40 Unsterblichen der Académie française. 

Autor: Frank Romeike

Download:

Romeike, Frank (2007): Pierre-Simon (Marquise de) Laplace (Köpfe der Risk-Community), in: RISIKO MANAGER, Ausgabe 3/2007, Seite 20.

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Weiterführende Literaturhinweise:

  • de Laplace, P. S. (1886): Philosophischer Versuch über die Wahrscheinlichkeiten. Übersetzt von Norbert Schwaiger, Leipzig 1886.
  • Gottwald, S. u. a. (1990): Lexikon bedeutender Mathematiker. Bibliographisches Institut, Leipzig 1990.
  • Romeike, F./Müller-Reichart, M. (2004): Risiko-Management in Versicherungsunternehmen - Grundlagen, Methoden, Checklisten und Implementierung, Weinheim 2004.
  • Romeike, F. (2007): Pierre-Simon (Marquise de) Laplace (Köpfe der Risk-Community), in: RISIKO MANAGER, Ausgabe 3/2007, Seite 20.
  • von Mises, R. (1998): Philosophischer Versuch über die Wahrscheinlichkeit von Simon de Laplace, Frankfurt am Main 1998, S. 1-4.
  • Wussing, H., Arnold, W. (1985): Biographien bedeutender Mathematiker. Verlag Volk und Wissen, Berlin 1985.
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